räume ausgenommen, nirgends wieder an treffen —, und auch dort drängen sich die Thiere in bevorzugten Gegenden zusammen oder erscheinen in Scharen erst bei ihren Wanderungen. W e r allenthalben ähnliche Verhältnisse zu finden erwartet, ist einer grossen Enttäuschung sicher,, und wer vermeint, namentlich in Tropenländern das Waidwerk als ein Vergnügen betreiben, sich und die Seinen durch den Ertrag der Jagd ernähren zu können, wird, selbst wenn er Fleisch in jeder Gestalt willkommen heissen sollte, oft genug durch bitteren Mangel eines Besseren belehrt werden. Gar viele der in fernen Gebieten lebenden Europäer haben noch niemals jene eigenartigen oder berüchtigten Bestien in Freiheit erblickt, die nach den herrschenden Vorstellungen in Menge vorhanden sind. Auch der eingewöhnte und geübte Jäger kann doch nur verhältniss- mässig wenig Wild erlangen, denn er hat mit zu grossen Hindernissen zu kämpfen. Immer wird er mehr Thiere spüren und hören, als sehen. Sie fliehen vor ihm — die gefährlichsten nicht ausgenommen — und Aerbergen sich; sie bleiben ihm unerreichbar in den Dickungen, in den Wipfeln der gewaltigen Bäume und verschwinden selbst zu Tode getroffen nur zu häufig spurlos in dem Pflanzengewirre. Die Gefahren der Wildniss werden auf Grund einzelner Schilderungen weit überschätzt. Der alte Hang des Menschen zum Wunderbaren, die mit Zähigkeit festgehaltene Voraussetzung, dass in der Ferne alle Schrecken des Unbekannten den kühnen Eindringling erwarten, hat in hohem Masse dazu beigetragen, wie über vieles Andere, so auch über die Thierwelt von der Wirklichkeit abweichende Vorstellungen zu erzeugen. In einer ungewohnten Umgebung, wo die Phantasie durch die Fülle und das Fremdartige der Formen in steter Erregung erhalten w ird , wo die nur oberflächliche Kenntniss des Allgemeinen, der Mangel an Zeit, die überreiche Zahl von Eindrücken eine unbefangene Ünter- suchung des Thatsächlichen ausserordentlich erschweren — , da wird der Neuling nur zu leicht verführt, ¿rgend welche Vorgänge, die unter bekannten Verhältnissen ganz richtig gewürdigt werden würden, nach vorgefassten Meinungen zu deuten und als abenteuerliche Ereignisse zu betrachten. Er wird dazu um so mehr hinneigen, je weniger er überhaupt mit scharfen Sinnen begabt und in der freien Natur aufgewachsen ist: denn wer nicht von Jugend auf vertraut war mit dem Leben in Wald und Flur der Heimat, wird nie vertraut mit der Wildniss. Die Kunst umfassender Beobachtung will sorgfältig geübt sein und kann nicht in dumpfer Stubenluft erlernt werden; auch das grösste Wissen vermag sie nicht zu ersetzen. Es liegt in der Natur des Menschen, das Absonderliche und Ueberraschende, das Seltene und Schreckliche so aufzufassen und darzustellen, dass dabei das allgemein Gültige und darum gerade Wichtigste in den Hintergrund tritt. So wird das Beschränkende übersehen, Ausnahme und Regel nicht abgewogen und der selten säumigen Generalisation vollste Freiheit gewährt. Da überdies der Einzelne doch recht wenig erlebt, nimmt er in seine Erinnerungen gern die in allen Ländern umlaufenden Erzählungen und Gerüchte auf, die dem Fremdling mit dem bekannten Behagen am Ungewöhnlichen und Schauerlichen berichtet werden — und zwar vornehmlich in solcher Weise, als ob von Alters her überlieferte Vorgänge sich alle rasch nach einander in der jüngsten Vergangenheit ereignet hätten. Er muss schon über bedeutende Erfahrungen verfügen, wenn er davon unbeeinflusst bleiben soll. Ueberdies wäre es ebenso fehlerhaft, dergleichen einfach als Unwahrheiten von der Hand zu weisen, wie treuherzig in vollem Umfange zu glauben: denn Thiere der nämlichen A r t handeln je nach Umständen sehr verschieden. W er jedoch bestrebt ist, zu verbürgen und nicht blos zu berichten, der wird sich schliesslich, bei dem höchst auffälligen Mangel an Augenzeugen und zuverlässigen Gewährsmännern, grösser Bedenken nicht erwehren können. Es ist sehr bedeutsam, dass gerade die Männer, welche als Forscher oder Jäger Jahre und Jahrzehnte lang die Wildniss durchstreift, den verrufensten Thieren Auge in Auge gegenüber gestanden, gewissermassen mitten unter ihnen gelebt haben, so äusserst selten Begebenheiten mittheilen, welche jene schlimmen Voraussetzungen bestätigen. Insgemein haben sie nur von Gefahren zu berichten, die sie selbst heraufbeschworen, indem sie vertheidigungsfähige Thiere verwundeten oder in die Enge trieben. Niemand, der Giftschlangen, Krokodile, Haie und reissende Thiere aus eigener Anschauung kennt, wird bestreiten, dass sie auch Menschen gefährden, aber er wird entschieden bestreiten, dass es anders als in seltenen Ausnahmefällen, anders ajs unter besonderen sehr zu berücksichtigenden Umständen geschehe. Das Verhalten aller Eingeborenen, die sich am meisten bedroht fühlen müssten, bestätigt diese Behauptung durchaus. Trotzdem sich Gelegenheit in Menge bietet, ist dennoch die Zahl der nachweisbaren Unglücksfälle verschwindend klein.*) Man wird sogleich an Indien denken, wo alljährlich den wilden *) E s sei da rauf h ingewiesen, dass auch unter uns eine nicht geringe A n z a h l Menschen a lljährlich namentlich durch Hunde (T o llw u th ) , R in d e r , P ferde um’ s L eb en kommt. ü
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