Page 222

27f 32-1

Der Tod erfolgte unter den Erscheinungen der galoppirenden Schwindsucht, zu welcher sich in den letzten Tagen ein heftiger Magendarmkatarrh gesellt hatte. Die übrigens in Gegenwart der ersten pathologisch-anatomischen Autorität vorgenommene Obduction ergab noch das überraschende Resultat, dass Mpungu mehrere sehr schwere Krankheiten in der kurzen Zeit seines Lebens und zwar wahrscheinlich der letzten Periode durch seine ausserordentlich kräftige Constitution überwunden hatte. Es zeigten sich nichtnur dieReste einer früheren Herz- beutel- und Brustfellentzündung, sondern auch einer sehr ausgedehnten Darmerkrankung. Diese alle hatte er glücklich durchgemacht, und wäre es nicht gerade dieses unheilbare Uebel gewesen, dem er erlag, so wäre es der wahrhaft aufopfernden Pflege seines Besitzers und Wärters wol gelungen, ihn noch Jahre lang der Wissenschaft zu erhalten. Anderen wird es Vorbehalten sein, durch neue grössere Exemplare das bisher gewonnene Material zu vermehren, und wir haben wenigstens durch Verbreitung des grossen Werthes, den man diesen Anthropoiden beilegt, an der Küste das Streben nach ihrer Erwerbung so anzuregen versucht, dass die alle Gelehrte und Laien gleich- mässig interessirende Frage hoffentlich bald wieder ihrer Lösung um einen Schritt näher geführt wird. — Als ich vom Kuilu kommend das Gebiet der Station betrat, bot sich meinen Blicken ein recht erfreuliches Bild dar: Der früher mit undurchdringlichen weit über mannshohen Gräsern bestandene Grund nördlich von unseren Hütten war urbar gemacht, und die durchschneidenden Wege waren mit Bananen besetzt worden. Allenthalben zeigten sich die Leute mit der Bereitung und Bepflanzung des Bodens beschäftigt, sangen und scherzten, kurz waren munter bei der Arbeit. Hier und da sprosste schon Mais oder Maniok hervor und wurde aus einer neu angelegten tiefen Cisterne begossen, da die Regen hier an der Küste noch ebenso vergeblich erwartet wurden, als sie uns in dem Gebirge, schon seit einem Monat mit ihrem Ueberflusse bedacht hatten. Wohin man das Auge gleiten liess, sah man Zufriedenheit und Gedeihen. Da war kein Misstrauen, keine Unsicherheit, kein unheimliches Schweigen mehr, Alles athmete Frische und Munterkeit. In dem ruhigen Schritt, dem offenen Blick, dem bescheidenen und doch selbstbewussten Benehmen jedes Einzelnen trat es zu Tage, dass die Grundmauern des unter so vielen Schwierigkeiten unternommenen Baues nicht mehr wankten, dass sich im Gegentheil Alles zu einem festen Ganzen gefügt hatte. Aus dieser freudigen Zuversicht und Hoffnung für die Zukunft wurden wir unsanft herausgerissen, als am 31. October 1875 die Auflösungsordre aus der Heimat eintraf. Reifliche Ueberlegung hatte dort allseitig die Meinung vorwalten lassen, dass die mit so vielen Kosten und Missgeschick unternommene Expedition an diesem Puncte aufgegeben werden müsse, um die noch vorhandenen Geldsummen und Kräfte nicht zu zersplittern, welche später in anderen Gegenden vielleicht nützbar gemacht werden könnten. Trotzdem war es die einstimmige Ansicht aller noch an der Küste befindlichen Mitglieder, dass bei der augenblicklichen Sachlage die Station unter keiner Bedingung aufgelöst werden dürfe, und dass wir den Status quo aufrecht zu erhalten hätten, bis man in Europa die Verhältnisse mit denselben Augen wie wir würde betrachten können. Wir setzten deshalb eine Collectiveingabe auf, in welcher wir noch einmal das umgewandelte Benehmen der Leute auseinandersetzten und Plan, eine neue Station in Banga zu errichten und zur Basis weiterer Operationen zu machen, zur Annahme empfahlen, wobei wir uns verpflichteten, noch Jahre lang im Interesse der Sache fortzuarbeiten. Da die Furcht, wir möchten nicht eindringlich genug geschrieben, nicht lebendig genug geschildert haben, uns nach Absendung dieses Schreibens beunruhigte, so machte ich am 1. December nachträglich noch den Vorschlag, dass ein Mitglied vom Vorstande selbst zu uns kommen möchte, um sich mit eigenen Augen von der so günstig veränderten Sachlage zu überzeugen. Das Hauptaugenmerk während der viermonatlichen Zeit des Wartens bis zu dem dann eintreffenden endgültigen Bescheide war nunmehr darauf gerichtet, durch Anlage grossartiger Plantagen die Unterhaltungskosten auf das geringste Mass zu reduciren; grosse Strecken wurden'urbar gemacht, und durch ein fruchtbares Jahr begünstigt, lohnten so rasche und reiche Ernten unsere Mühen, dass wir einen Hausstand, in dem täglich allein über 700 Maiskolben ausgegeben werden mussten, ohne bedeutende Ausgaben zu unterhalten vermochten. Ausserdem waren in weitem Umkreise zahlreiche Felder mit Maniok bepflanzt worden, die im nächsten Jahre reichen Ertrag versprachen. Die unangenehme Zeit des Wartens wurde durch verdoppelte Thätigkeit verkürzt, und da sich jeder Schlag mit der Hacke vielfältig lohnte, brauchte nirgends angetrieben zu werden; die Freudigkeit des Schaffens bemächtigte sich auch unserer Leute. Inzwischen zogen sich im Nachbarlande, zu Landana schwere Wolken zusammen, die auch mit über uns sich entladen sollten; aber dieses Gewitter übte gleich den wirklichen einen heilsamen Einfluss aus, indem es das zwischen uns und unseren Leuten geknüpfte Band durch die gemeinsam bestandenen Gefahren nochmals, enger befestigte.


27f 32-1
To see the actual publication please follow the link above