leider vorher vergeblich im Walde zu erhalten gesucht hatten, an die Brückenwage gefesselt vor. Vor wenig Tagen hatte ihn ein Neger, der die Mutter geschossen hatte, aus dem Innern gebracht, und man suchte ihn nun, so gut es gieng, so lange zu ernähren, bis der nächste vorbei passirende Dampfer ihn für einen möglichst hohen Preis mit nach Europa nehmen konnte- Es war ein junges Männchen, das elend genug aussah, weil es bisher von den Vorgesetzten Waldfrüchten wenig genossen hatte, und es wäre zweifellos zu Grunde gegangen wie seine Vorgängfer bei ähnlichen früheren Versuchen, wenn man es in diesem Zustande an Bord eines Schiffes gebracht hätte. Schon jetzt glaubte ich nicht, dass es möglich sein würde, das Thier am Leben zu erhalten, hoffte jedoch, es bis Tschi- ntschotscho zu bringen, um wenigstens die erste Photographie eines lebenden Gorilla aufnehmen zu können, und bot daher jeden erschwingbaren Preis, wenn er mir überlassen würde. Herr Laurentino lehnte dies jedoch ab mit dem Bemerken, dass er sich freue, mir im Namen aller seiner Landsleute, die ich stets so uneigennützig behandelt und gepflegt hätte, eine Anerkennung zu Theil werden zu lassen; er bäte mich herzlich, den Affen als Geschenk von ihm anzunehmen. Da ich den Werth desselben kannte, im Fall es gelingen sollte, ihn lebend nach Europa zu führen, sträubte ich mich anfänglich, von der Liebenswürdigkeit Gebrauch zu machen, liess jedoch bald dem wahrhaft herzlichen Anerbieten gegenüber und in der Erwägung, dass in anderen Händen der Werth doch ein sehr fraglicher war, jedes Bedenken schwinden und verabschiedete mich mit ihm unter lebhaftem Danke, den ich hier, nachdem die damals bewiesene Uneigennützigkeit so herrliche Früchte für die Wissenschaft und die africanische Gesellschaft getragen hat, noch einmal in wärmsterWeise wiederhole. Auf der Station angekommen, war es meine erste Sorge, alle erreichbaren Waldfrüchte holen zu lassen und eine Mutterziege zu erwerben, um die ziemlich gesunkenen Kräfte des jungen Anthropo- morphen zu heben; selbstverständlich verfolgten wir seine Fressver- suche mit grossem Interesse und fühlten uns in hohem Grade erleichtert, als er nicht nur die Milch mit Behagen trank, sondern auch verschiedene Früchte, namentlich aber die wallnussgrossen der knorrigen in den Savanen wachsenden Anona senegalensis mit sichtlich erwachtem Appetite auswählte. Trotzdem blieb er noch längere Zeit so matt, dass er während des Fressens einschlief und den grössten Theil des Tages in einer Ecke zusammengekauert schlafend verbrachte. Nach und nach gewöhnte er. sich an die Culturfrüchte wie Bananen, Guaven, Orangen, Mango und begann, je kräftiger er wurde und je öfter er bei unseren Malzeiten zugegen war, Alles, was er gemessen sah, selbst gleichfalls zu versuchen. Indem er so allmählich dahin gebracht wurde, jegliche Nahrung anzunehmen und zu vertragen, wuchs die Aussicht, ihn glücklich nach Europa zu transportiren, mehr und mehr. Dies ist gewiss der einzige Weg, später andere und vielleicht ältere Exemplare für die Ueberfahrt fähig zu machen; jeder Versuch, sie unmittelbar nach der Erlangung, ohne vorherige Entwöhnung von der alten Lebensweise, ohne sie den veränderten Verhältnissen ganz langsam und planmässig anzupassen, an Bord zu bringen, wird immer wieder von Neuem ein mehr oder weniger schnelles Hinsiechen und den Tod zur Folge haben. Man darf, in einem gehr verbreiteten Vorurtheil befangen, durchaus nicht ängstlich sein, jeder Art von Affen Fleischnahrung in irgend einer Form zu verabreichen: das lehren sie uns selbst, wenn wir sie im Freien zu beobachten Gelegenheit haben, indem sie mit wahrer Leidenschaft den Insecten, namentlich Spinnen und Heuschrecken nachstellen, aber auch Vögel und Eier eifrig zu erlangen streben. Für Chimpansen sind Ratten Leckerbissen, die sie gegen alle Gelüste der Genossen energisch vertheidigen, und ebenso verlangt der Gorilla nach Fleisch, das er zum guten Gedeihen nothwendig braucht. Im Walde wird er sich, wenn die Jagd ungünstig ist, vielleicht oft mit Früchten begnügen müssen, wenigstens fand" ich bei zwei grossen erlegten Chimpansen nur vegetabilische Reste im Magen, doch bin ich überzeugt, dass der Befund ein zufälliger war, und dass man bei anderen Gelegenheiten den Nachweis der animalischen Kost leicht wird führen können. Wenn in anderen Berichten die Wildheit auch junger Gorillas besonders betont und das Unwahrscheinliche ihrer Zähmbarkeit ausgesprochen worden ist, so waren wir bei dem Unsrigen in der Lage, gerade entgegengesetzte Erfahrungen zu machen: Er gewöhnte sich in wenigen Wochen so sehr an seine Umgebung und die ihm bekannt gewordenen Personen, dass er frei herumlaufen durfte, ohne dass man Fluchtversuche hätte zu befürchten brauchen. Niemals ist er ange- legt oder eingesperrt worden, und er bedurfte keiner anderen Ueber- wachung als einer ähnlichen, wie man kleinen umherspielenden Kindern angedeihen lässt. Er fühlte sich so hülflos, dass er ohne den Menschen nicht fertig werden konnte und in dieser Einsicht eine* wunderbare Anhänglichkeit und Zutraulichkeit entwickelte. Von heimtückischen, bösen, wilden Eigenschaften war keine Spur vorhanden, zuweilen aber zeigte er sich recht eigensinnig. Er hatte verschiedene Töne, um den in ihm sich entwickelnden Ideen Ausdruck zu geben;
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