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lichkeit innerhalb verschieden lang er Zeiträume glatt abrasirt. Andernfalls würde es wahrscheinlich zu einer beträchtlichen Länge, gerade wie bei anderen Stämmen, die sich einer weniger sensiblen Kopfhaut rühmen können und es in viele Flechten künstlich Zusammenlegen, heranwachsen und dann auch die fahle, braune Farbe zeigen, welche dort aus dem Mangel an Pflege entsteht. Die Kürze des Haares ist also gewiss nur künstlich und keine ihm angeborene Eigenthümlich- keit. Wenigstens zeigt der Bartwuchs, der nicht selten ist und bei etwa 33°/o der männlichen Bevölkerung gefunden wurde, die ziemlich beträchtliche Länge von sechs und mehr Centimeter sowol beim Schnurrbart als beim Kinn- oder Backenbart, von denen letzterer am wenigsten häufig vorkommt. Beneidenswerth ist die Gleichmässigkeit und Ueppigkeit ihres Kopfhaares, das ihnen weder angestrengtes Denken, noch Pomaden, noch Krankheiten bisher lichten konnten. Gerade wenn man aus Europa kommt, fällt der absolute Mangel an „freien Stirnen“, wie wir uns euphemistisch ausdrücken yrollen, besonders atif; ich habe wenigstens überhaupt nur zweimal verhältnissmässig dünnes Haar bemerkt und einen völlig kahlen Scheitel niemals. Ebenso ist weisses Haar selten und graues stellt sich bedeutend später als in civilisirten Gegenden ein. Eine Behaarung der Brust wird nicht häufig gefunden, an abnormen Stellen, also etwa der Kreuzbeingegend, habe ich sie nie gesehen. Aus Allem erhellt, dass es ein Irrthum sein würde, anzunehmen, die Bafiote gehörten zu den Völkern mit glatter Haut. Bemerkenswerth ist noch, dass man missgebildete Figuren so gut wie gar nicht antrifft; dies kommt einmal daher, dass Neugeborene mit auffälligen Verbildungen nicht aufgezogen werden, im Uebri- gen hauptsächlich aber daher, dass die Kinderkrankheiten, welche bei uns vor Allem Verkrümmungen der Wirbelsäule und der Extremitäten oder Knochenaffectionen überhaupt bedingen, dort gänzlich unbekannt sind. Die Rhachitis oder englische Krankheit existirt ebenso wenig als der unter dem Begriff Scrophulose genugsam bekannte Habitus. So kommt es, dass bei der beneidenswerthen Gesundheit des Säuglings - und Kindesalters die Procentzahl der Sterblichkeit, die gerade in diesen Jahren bei uns, vor Allem in grossen Städten, eine so erschreckend hohe ist, die relativ niedrigste aller Lebensalter genannt werden kann, und deshalb die geringe Fruchtbarkeit der Negerinnen,-die durchschnittlich nur zwei bis drei Kindern das Leben schenken, als eine segensreiche Selbsthülfe der Natur, um der Uebervölkerung des Landes vorzubeugen, betrachtet zu werden verdient. Denn man darf nicht etwa annehmen, dass von den Eingeborenen dies Factum künstlich mit nach unseren Begriffen verbrecherischen Mitteln erzielt werde, da: mit der Zahl der Kinder die Arbeitskraft und somit der Reichthum der Familie erhöht wird, Kindersegen also die höchste Freude gewährt und als ein anzustrebendes Glück geschätzt wird. Fassen wir zum Schluss, nachdem wir den Körper des Loango- negers in seinen einzelnen Theilen zu schildern versuchten, noch einmal seine ganze Erscheinung in’s Auge, so ist das Urtheil, dass es sich bei ihm um einen als Neger schönen, kräftigen, wolgebauten Stamm handelt, gewiss gerechtfertigt. Der Europäer wird in seiner Heimat ihm niemals die eingesunkene Nase, die vorstehenden Backenknochen, die vollen, aufgeworfenen, doch selten wulstigen Lippen verzeihen und den Neger nie als Neger, sondern immer nur im Vergleich zu seiner Person und den ihm geläufigen, classischen Schönheitsidealen beurtheilen; befindet er sich aber längere Zeit mitten unter ihnen, so bewirkt die für die Umgebung vortheilhafte dunkle Schattirung der Haut und die anmuthende Leichtigkeit der durch kein Uebermass der Kleidung beengten Bewegung, die elastische Frische der Jugend, die natürliche Naivität des reiferen Alters, dass er der Race als solcher Gerechtigkeit widerfahren lässt und sie nicht mehr nur von Reflexlichtern seiner eigenen,"so edel gedachten Form beleuchtet sieht, wie dies hier, um sie einem grösseren Kreise vorzuführen, nöthig war. Es liegt in ihrem Wesen, ihrem Charakter, ihrer Verkehrs- und Ausdrucksweise etwas Urwüchsiges, Natürliches, das uns nothwendig mit ihnen befreundet. Ihnen gram sein oder sie gar hassen können wir nur dann, wenn wir auf hören eine ruhige Objectivität zu bewahren und sie für alles das verantwortlich machen wollen, was uns in ihrem Lande nicht so glückte als wir gehofft hatten. — Wie die Gefahren, mit denen die Phantasie der Zurückbleibenden den Reisenden auf all seinen Wegen umgiebt, schwinden, je näher er ihnen tritt,' so schwinden auch mehr und mehr seine Vorurtheile, um einer objectiven Kritik Platz zu machen, und es ist ebenso natürlich als erfreulich, dass gerade die gewichtigsten Stimmen, welche durch eigene Anschauung zur Beurtheilung des Negers berufen sind, sich für denselben erheben. So sagt Bastian in seinem Werke „Die Deutsche Expedition an der Loangoküste“: Ueberhaupt wird mir gewiss jeder praktische Kenner Africas beistimmen, dass man den eigentlichen Negertypus, wie er in den ethnologischen Werken als charakteristisch beschrieben wird, äusserst selten antrifft. Robert Hartmann aber tritt in seiner drastischen, kräftigen Ausdrucksweise


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