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151) lebt zunächft noch der Geilt der Terrakotta fort. Dann wächft er fich aus in das Groteske — (Tafel 152 bis 155) — und das entfpricht dem Sinn der Neger. Überall der Schritt vom Älteren, Feinfinnigeren zum Grotesken (z. B. von 156 zu 157)?. vom Einfachen, Einmaligen (z.B. Tafel 158) zum Häufigen, Wiederholten, zur Breite. Die Über- und Nebeneinanderreihung (Tafel 181 und 182) führt zum Flächenhaften (vgl. Textfigur S. 175 und Tafel 185, 184). Und nur da, wo von alters her feftgewachfene Sinngliederung Entwicklung bietet und doch Zügel anlegt (Tafel 185 u. f.), wird auch das Bedeutfame einer dekorativen Kunft im höheren Sinne geftreift. DIE WELT ALS TEMPEL Allmorgendlich greift der fromme Yoruba zu feinem Ifabrett, auf dem entweder die fechzehn Himmelsrichtungen (die Tauben auf Tafel 185 ~ Tauben als Himmelsboten wie im Urheimatlande diefer Kultur, im öftlichen Mittelmeerbecken!) oder die vier Götterpaare (Tafel 187, 188) oder die fymbolifchen Gefchöpfe der vier Weltgegenden (Tafel 190) dargeftellt find, und wirft feine fechzehngliedrige Orakelkette — wie feine Altvordern. Dazu ftellt er heiliges Gerät aus Elfenbein (Tafel 175) oder aus Stein ge- fchnitzt und er vereinigt fo Formen aus Stoffen, die feit Perioden ineinandergriffen und nacheinander auftauchten, die nacheinander ihren Platz fich eroberten. In dem atlantischen Kulturkreis — und hier allein haben lieh Steinfchnitzerei und Elfenbeinfchnitzerei auch für Figuren werk eingeftellt. Hier finden fich alle Stoffe, Holz wie Stein, Eifen wie Meffing, Ton wie Elfenbein verwendet und zwar dies alles feit jenen Tagen des Aufblühens. Diefe Vereinigung der Stoffe ftellt allein fchon eine Höhe dar, die Höhe, die in diefem Sinne und in diefer Verbindung mit dem fummarifch einheitlichen Gehalt alter Überlieferung bis in unfreTage lieh nur in diefem Teile Afrikas erhalten hat. Alles ift diefen Menfchen, alles dient diefer Anfchauung, alles umfaßt diefe weitausgebaute Weltanfchauung, diefe Religion, die wir oben als die templare kennen lernten. Die Kultur diefer templaren Religion lebte einft mit vielen Beziehungen: nach Norden zum fyrtifchen, nach Offen zum norderythräifchen, nach Süden zum süderythräifchen Kulturkreis. Ihr Hauptgott war Pofeidon. Über das Meer der Herkunft, vom Lande her, aus allen Richtungen Verbindung. So groß, fo weit kann keinein afrikanifchen Volke die Welt gewefen fein. Diefe Welt war ein Tempel der Götter, genau wie bei anderen Völkern der klaffifchen und vor klaffifchen Zeit im Mittelmeer, eine Welt von menfchenähnlichen Göttern ge- fchaffen und bewohnt. — Unwillkürlich müffen wir da vergleichen mit den Religionsformen anderer Afrikaner, die in dielen Blättern fkizziert und umfehrieben wurden. Wir kehren zurück zu den Hamiten, denen die Natur zugänglich wurde durch Magie, zu denÄthiopen, die mit der natürlichen Umwelt in einer pflanzenhaften Einheit leben. Wir fehen vor uns die gewaltigen Einheiten kulturellen Seins. Und gegenüber diefen Anfchauungen der Menfchen treffen wir das Werden und Aufkeimen der Kulturformen, die Phänomene der großen Gegenfätze und Ergänzungen. Von der Steinzeichnung auf den Felfen der Sahara bis zum Götterbilde im Boden der Hyläa ift ein weiter Weg. Nicht nur den Yoruben, auch mir will diefe Welt erfcheinen als ein großer Tempel, in dem die Kultur in majeftätifcher und unbeugfamer Ruhe Formen annimmt, Formen gibt, — als ein Tempel, in dem die Menfchen als Zwifchen- glieder mit den Füßen auf dem Boden der Erde wandeln (töricht, felbftüberheblich, anmaßend), begnadet von höherer Macht, das wahrhaft Bedeutende in einigen Stunden der Verklärung zu ahnen und fich ihres Berufes zum Dienen bewußt zu werden. S T E IN A R B E IT AUS D EM A L T E N IF E Griff eines Gefäßes ans Quarz (DIAFE1910)


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