
legten Stücke, während meine Frau den Weibern des Scheich,
die in einem Zelte unterhalb des Bordj wohnten, einen Besuch
machte. Diese hatten ihr Leben lang keine europäischen Damen
gesehen und Hessen ihre Verwunderung ob dieses unerwarteten
Besuches immer wieder von Neuem aus. Sie wurden einzeln
mit Kettchen und Schnüren bunter Glasperlen beschenkt und
freuten sich wie Kinder über diese Gaben. —
Als es dunkelte, steckten wir unsere mitgebrachten Lampen
an und erledigten unter mancherlei Hindernissen die laufenden
Arbeiten. Im Hofe sassen und kauerten unsere Leute, auf die Stunde
wartend, wo der Abendstern sein wunderbar leuchtendes Licht auf
den Erdball ergiesst, damit den Beginn der Nacht anzeigend und den
Ablauf des Tages verkündigend. Der Zeitpunkt war gerade gekommen,
als wir in den Hof traten und die Muselmänner beim Mahle
überraschten. Um einen grossen aufrecht stehenden Sack hatten sie
sich geschaart und entnahmen demselben eine Hand voll gedörrter
Leiber der verhassten und Alles verheerenden „Schrad“ — Heuschrecken
nämlich, welche sie mit Stumpf und Stiel schnalzend
und schmatzend verzehrten, den Rest aber sorgfältig wieder
zurücklegten und zur folgenden Mahlzeit aufbewahrten.
M ittw o c h , den 12. A p r il 1893. Der Wind tobte und
raste um das steinerne Gebäude, dass wir alle Fensterluken
verstopfen mussten, um uns vor dem empfindlich kalten Luftzuge
zu schützen. Es war auch im Bordj nicht wärmer wie draussen
in unseren Zelten. Wir hatten daher eine verhältnissmässig
ungünstige Nacht zu verzeichnen. Ueberdies bekundete auch der
von uns geschonte Hahn in mehr wie unangenehmer Weise seine
Dankbarkeit durch fortwährendes Krähen, so dass wir schon den
Appell an unser gutes Herz verfluchten und uns fest vornähmen,
da die Welt nun doch einmal ein Pflaster voller Undank sei,
ein zweites Mal nicht dem Gefühle der Schonung und Barmherzigkeit
Rechnung zu tragen. Zu alledem hatte uns die dumpfe
Luft in dem Bordj tüchtige Kopfschmerzen eingetragen, sodass
wir uns nach dem Einathmen frischer Luft sehnten. Nach schnell
veranstalteter Toilette stürmten wir in’s Freie und richteten uns
zum Abmarsche. Während der Vorbereitungen, welche ich diesmal
unseren Leuten überliess, streifte ich die nähere Umgebung ab.
Von der Mauer des Gärtchens am Brunnen schoss ich eine
Dromolaea leucocephala und liess mich verleiten, in die nahe vor
uns liegenden Hügelerhebungen zu gehen. Aber ich erreichte
nichts auf meinem Gange und kehrte deshalb so schnell wie
möglich zu meiner auf mich bereits wartenden Karawane zurück.
Nachdem ich dem Scheich ein Trinkgeld in die Hand gedrückt,
setzte sich unser Zug um 8 Uhr in Bewegung. Der Wind hatte
sich gelegt, die Sonne war herrlich aufgegangen, und die Welt
lag freudeathmend wieder vor uns. Fast zu gleicher Zeit mit
uns war die Post vom Bordj abgeritten, in Gestalt eines Arabers
auf einem Laufkameel. Das schritt mächtig aus, und bald war
es uns nur noch als erhöhter Punkt im Horizonte sichtbar, bis
es schliesslich ganz unseren Augen entschwand. In der Steinwüste
entfaltete sich reiches Thierleben. Ueberall hörten wir wieder
den anziehenden melancholischen Ruf der Müka, oder sahen den
herrlichen Vogel wie eine Leuchtkugel in die Luft steigen und
langsam wieder zu Boden gleiten. Ohrenlerchen tanzten trippelnd
vor uns herum, die Ammomanes cinctura wiegte sich in der Luft
mit ihrem hellklingenden, lang gezogenen Paarungsrufe, der wie
„e hlht, ö hlht“ klingt, und pärchenweise lief der „Saüag el Ibel“
d. h. der Kameelantreiber (Cursorius isabellinus) vor uns einher.
„Wenn dem müde gewordenen Beduinen die Sonne das
Haupt versengt,“ — so erzählt der Araber, — „und ihm in der
glühend heissen Luft die Kehle trocknet, dass ihm die Stimme
versagt und er den ermunternden Anruf hinter den ermattenden
und langsam schreitenden Kameelen nicht mehr verlauten lassen
kann, dann fliegt der bis jetzt vor ihm laufende Wüstenvogel auf
und lässt die Stimme ertönen, welche er von dem Araber gehört
hat. „Kuit, Kuit, — N’härk — N’härk“ schreit er laut vernehmbar
um die Köpfe der Kameele fliegend und sie antreibend.
Diese aber vermeinen die Stimme ihres Herrn zu hören und setzen
ihren Gang in beschleunigterem Tempo weiter fort.“ —
Den trauten, lieblichen Vogelgestalten der Wüste gesellten sich
hochinteressante Kriechthiere bei. Unter grösseren Steinen, welche
wir oft plötzlich angestaut in reicher Anzahl vorfanden, und die
wahrscheinlich von einem unter ihnen eingescharrten menschlichen
Leichnam zeugten, fanden wir die Wüstenform des mauritanischen
Gecko in den verschiedensten Stadien vor. Wir wälzten eifrig jeden
uns zu Gesicht kommenden und im Wege liegenden Stein um und
erbeuteten so in kurzer Zeit ganze Tuben voll dieser Geckos,
oft in riesenhaft grossen Exemplaren, die so fest mit ihren
Haftfingern an dem Gesteine hingen, dass wir sie nur mit Kraftanstrengung
von demselben lösen und abreissen konnten. Eine