
weckte. Auch sie beklagten sich bitter über die Kälte. Wie
kalt es gewesen war, merkten wir erst, als wir aus dem Zelte
hervorkamen und unsere wie Eis anzufühlenden Sachen betasteten.
Es hatte thatsächlich gefroren! Man erwäge den Temperaturunterschied
von ca. 48° Celsius bei Tage und 2 — 3° unter 0 hei
Nachtl Dennoch wurde uns der Temperaturwechsel, selbst
wenn er so gewaltig wie heute vorlag, bedeutend angenehmer und
erträglicher, als die gleichmässig warm bleibenden Nächte, welche
mit Ausgang April einsetzten und ganz unsagbar erschlaffend,
ja hochgradig gefährlich auf das Nervensystem wirkten.
Um 8 Uhr sassen wir im Sattel und zogen weiter des
Weges, der uns nach Gardä'ia bringen sollte. Er war sichtbar
neu angelegt und trug im richtigen Abstand die Kilometermarksteine,
über deren Vorhandensein nach der angenehmen und
unangenehmen Seite grosse Meinungsverschiedenheiten herrschten.
Die Gegend wurde auch noch viel eintöniger, als sie gestern
Abend schon zu werden versprach, der kümmerliche Pflanzenbestand
immer dünner und weitschichtiger bis er auf ein ganz Geringes
zurückgedrängt wurde. Dagegen schien die Fauna nicht in demselben
Grade dürftig. Gazellen kamen auch heute wieder häufig
in Sicht, oft zu ganzen Heerden vereinigt. Ein prächtiger Bock
mit rückwärts gebogenem Gehörn stand kaum 50 Schritte weit
vor uns auf und suchte mit federnden Sprüngen das Weite.
Dieser gehörte bestimmt der Antilope dorcas an, was ich auch
von den übrigen Gazellen glaube, die mir während unserer Reise
aufgestossen sind. Die hochbeinige, in der Decke viel heller gefärbte
Antilope corinna kommt zwar zweifellos in diesen Gegenden
auch vor, doch ist sie mir wissentlich nicht vorgekommen. Sie
wird von den Arabern zum Unterschiede und im Gegensätze zur
echten Gazelle {Antilope dorcas), welche hier Ghazelle-Rhezalle
heisst, Riem genannt. Ich glaube, dass diese letztere in der
ausgesprochenen Sandwüste auf dem weisslichen Sandgrunde
heimisch ist, während dorcas vorzüglich die Hochplateaus bewohnt
und selbstredend auch in die Berge und in die dazwischen auftretenden
Sandgebiete einwechselt. Es sind 2 ganz verschiedene,
weit von einander getrennte Arten, was man schon an der Gehörnbildung
sofort erkennen kann. Während A. dorcas im cj liehen
Geschlecht gerippte, leierförmig gebildete, rückwärts gekrümmte
Hörner trägt, sind bei der A. corinna beim ¿-liehen Geschlechte
die ebenfalls gerippten Hörner grade und hoch aufgerichtet, in
durchaus verschiedener Anlage und Form wie bei dorcas. Neuerdings
hörte ich die Ansicht aussprechen, dass man noch keineswegs
genau über die Arten der in Nordwestafrika vorkommenden
Gazellengruppe unterrichtet wäre, ja, es sei sogar wahrscheinlich,
dass statt der oft genannten und erkannten 2 Arten {Antil. dorcas
und corinna) 4 Arten vorkämen, nämlich die der Antil. dorcas
nahestehende isabellina mit schwarzer Nase und die A. Cuvieri1)
mit grade aufgerichtetem, hochstehendem Gehörne, also offenbar
eine der A. corinna sich anlehnende Form*). In wie weit diese
beiden Arten mit den vorher erwähnten zusammenfallen, oder
sich als gute Species erweisen, bleibt als schwierige Lösung
weiteren Forschungen Vorbehalten. Ich will nur beiläufig erwähnen,
dass ich jetzt bereits im 9. Jahre ein Gazellenweibchen
lebend in Gefangenschaft besitze, welches ich von meiner im
Jahre 1887 unternommenen Tour nach der Ostküste von Tunis
(Susa, Sphax, Gabes und Tripolis) nach Bonn mitbrachte und das
freilich dadurch auffällt, dass es einen grossen und breiten
schwarzen Flecken auf der Nase trägt, den ich bei anderen in
Gefangenschaft gehaltenen und vielfach beobachteten Gazellen
nicht gesehen habe, — auch erscheint mir immer die Färbung
seiner Decke noch eine viel intensivere, röthlich leuchtendere zu
sein als bei den anderen dorazs-Antilopen, genau dem stark roth-
gefärbten Sandboden der näheren Umgebung von Tripolis entsprechend,
wo es als junges Thier gefangen wurde3). Ausser
diesen der Sippe der Gazellen angehörigen und wie gesagt noch
zweifelhaften Formen kommt im äussersten Süden von Algerien
auch die grosse Mendes-Antilope {Addax nasomaculata) vor. Sie
muss bei Ouärgla schon nicht selten sein, da sie fast wöchentlich
1) A. Cuvieri wird erwähnt von Whi take r als im südlichen Tunis
bei Kasrin angetroffen, Ibis 1894, pag. 80.
2) Im Jahre 1894 ist ausserdem noch eine neue Gazellenart aus
dem Souf bekannt gemacht worden, nämlich Gazella Loderi, Thomas,
v. 0. Thomas, on some Gazelles brought by Sir Edmund Loder from
Algeria — by Oldfield Thomas — in „Proceedings of the Zoological
Society of London“ 1894 — pag. 467 und ff.
3) Ob vielleicht Gazella rufina, sp. n., Thomas a. a. 0.? Nach
Thomas sind von Loder 4 Gazellenarten in Algerien gesammelt worden,
nämlich Gazella dorcas, L., Gazella Cuvieri, Og., Gazella rufina,
sp. n. und Gazella Loderi. v. auch den nachfolgenden Artikel von
Edmund Giles Loder. On the „Reem“ Antelope of Algeria, Proc, of
the ZqoI. Soc. 1894, pag. 473.