
S o n n a b e n d , d en 8. A p ril 1893. Wir hatten gestern
Abend beschlossen, Sonntag, den 9. April unsere Reise nach
Garda'ia anzutreten, da es nicht rathsam erschien, unsere Leute
noch länger in Ouärgla, das uns so wie so kein sehr freundliches
Gesicht zeigte, brach liegen zu lassen. Jeder Reisende weiss ja
aus eigener Erfahrung, dass nichts verderbenbringender auf die
Leute einer Karawane wirkt, als ein längeres Verweilen in einer
grösseren Oasenstadt. Denn unvernünftig wie die Thiere hängen
sie dort ihren Leidenschaften und Begierden nach, erschlaffen
und verweichlichen, werden anspruchsvoll und unbescheiden und
damit mürrisch und unzufrieden. Diese Anzeichen begannen bereits
bei unseren Leuten deutlich Gestalt zu gewinnen, und damit
verbot sich ein längerer Aufenthalt in Ouärgla von selbst.
Am liebsten wären wir heute schon aufgebrochen, aber das war
unmöglich, da die gestern erlegten Vögel noch abgebalgt und
präparirt werden mussten, ausserdem das Sortiren und Packen
nach einem längeren Aufenthalte meistens immer einen Tag erfordert.
Ich hatte mir vorgenommen, den Djebel Klima noch
einmal aufzusuchen, was ich nun freilich der vielen Arbeit wegen,
unterlassen musste. Dagegen machte sich Herr W. mit unseren
beiden Arabern dorthin auf und war um yÄ6 Uhr bereits abgeritten,
als wir unseren Morgenkaffee beim Mr. Long einnahmen.
Ich ging nun sofort an die Erledigung meiner Arbeiten, während
meine Frau das Packen der Kisten besorgte und auch einige
Briefe nach der Heimath von unserem südlichsten Reisepunkte
aus abfertigte. Die Stunden vergingen im Umsehen, so dass ich
kaum mit dem Nothwendigsten fertig geworden war, als ich
draussen die Stimme meines Schwagers vernahm. Polternd kam
er die Treppe herauf gestürzt und hielt mir beim Eintreten ein
ganzes Tuch voll schöner Sachen entgegen. Ich entfaltete aus
den sorgfältig gewickelten Papierdüten eine Dromolaea leucopyga
sowie zwei prächtige Brom. leucocephala, die er mir mit grossem
Stolze vorzeigte. Aber er war noch nicht zu Ende damit —
sein verkniffener Mund deutete auf eine besondere Ueberraschung.
Mit eiliger Hantirung knitterte er am Papier herum und prä-
sentirte mir 4 Vögel zugleich, vor deren Anblick ich schier
zurückprallte. Mit der Frage: „Ist er es nun, oder ist er es
nicht?“ begleitete er den fröhlichen Ausdruck seines Gesichtes.
Dankbar schüttelte ich ihm die Rechte, denn er hatte wirklich
2 Pärchen des herrlichen, von mir so sehr ersehnten Wüstensperlings
(Passer simplex, Licht.) erbeutet. Nun erzählte er mir,
dass er die Vögel zuerst oben auf dem Berge in der Nähe des
Brunnens angetroffen und diese sofort nach meiner Beschreibung
als Wüstensperlinge erkannt hätte. Es wären mehrere Pärchen
zusammen gewesen, von denen er 2 bekommen hätte, während er
noch einiger anderer Exemplare verlustig gegangen wäre, da sie
entweder auf unzugänglicher Felsenkante liegen geblieben oder
geflügelt in die Ritzen und Fugen gekrochen wären, woraus er
sie nicht hätte hervorlangen können. Das war ein schöner Erfolg,
und ich freute mich, dass ich ihm den Lorbeer für die erste
Einlieferung dieser Vögel zusprechen musste. Besonders günstig
sprach sich Herr W. über den Achmed aus, der nicht geruht
noch gerastet hätte, bis er zum gestern entdeckten Horste des
Buteo desertorum vorgedrungen wäre. Diesem hätte er 2 Junge
enthoben, welche mein Schwager zappelnd im Tuche mitbrachte.
Es waren ein paar allerliebste Dingerchen, das eine sichtlich
grösser und demnach auch ein paar Tage älter als das kleinere
nachstehende Junge. Gleich als wir sie auf den Tisch setzten,
verriethen sie grossen Appetit und zischelten und schrieen in der
eigenartigen, für alle jungen Raubvögel charakteristischen Art
Und Weise. Ich schloss eine Aufziehung dieser Vögel von vornherein
aus, da mich die Erfahrung belehrt hat, dass das Auffüttern
in diesem Stadium — zumal auf der Reise — mit den grössten
Schwierigkeiten verknüpft ist, und die meisten Thiere in der Regel
nach einigen Wochen aus noch unerklärten Gründen kümmern
und eingehen. Meine Frau, der diese hülflosen Kleinen sehr
gefielen, bat jedoch so sehr, dass ich schliesslich meine Einwilligung
zum Versuche des Auffütterus geben musste; mit welchem Erfolge
letzteres geschah, werden die nachfolgenden Zeilen bekunden.
Sehr bedauerte ich, dass mein Schwager die beiden alten Vögel
nicht bekommen hatte, welche ihm regelrecht zu Schüsse gekommen
seien, wahrscheinlich aber geflügelt, so unglücklich auf
die Bergeskante oder in die Schluchten gefallen wären, dass er
sie nicht auffinden konnte. Die gestern an den gesehenen
Vögeln angestellte Beobachtung, dass das <5 von der Unterseite
betrachtet ganz hell ausgesehen, das $ dagegen einen bräunlicheren
Farbenton gezeigt hätte, bestätigte er mir auch heute
wieder vollkommen. An der oberen Bergeskante hätte er in den
Erdspalten auch fleissig nach Nestern gesucht und brachte mir
ganze Bündel Grashalme mit, welche ich nach der für diese