
uns nun einzurichten, so gut es in der Dunkelheit anging, tasteten
nach dem Feldbette und zogen das Zelttuch über einige Kisten
deckend über uns. Es lastete doch so schwer auf uns und sperrte
ausserdem die Luft so sehr ab, dass uns die Sinne schwanden
und meine Frau einen krampfartigen Erstickungsanfall bekam.
Nun sprang ich heraus und richtete noch einmal das Zelttuch,
eine grosse Oeffnung zum Eindringen der Luft freilassend.
Draussen herrschte trotz der Windsbraut eine furchtbare Gluth-
hitze, ein Gewitter schien im Anzuge, vereinzelte Regentropfen
fielen, während das Firmament alle Augenblicke durch Blitze und
electrisches Leuchten erhellt wurde, und in der Ferne unheimliches
Dqnnergeröll grollte. Wir kümmerten uns nicht darum, da uns
der Wind bereits das Schlimmste zugefügt hatte, und ühermannt
von den Strapazen des Tages und den Aufregungen der Nacht
sehnten wir uns nach Schlaf, der auch wirklich trotz aller Hindernisse
über uns kam, bis wir mit dem Hellen des Tages an die
Wiederaufnahme unserer Pflichten erinnert wurden.
D ie n s ta g , den 4. A p ril 1893. Wie alles im Leben seinen
Anfang nimmt, den Höhepunkt erreicht und dann sein Ende
findet, so war es auch hier: Der Sämüm, der sich 2 Tage vorher
angekündigt hatte, dessen Wuth und Stärke wir heute Nacht so
furchtbar erfahren und aushalten mussten, — der Sämüm war
vorüber! Hell stand die Sonne am Himmel, der tiefblau zu dem
weisslichen Düneusande um uns herum wunderbar schön contra-
stirte. Wir reichten uns die Hände und beglückwünschten uns
gegenseitig, die furchtbare Nacht überwunden zu haben. Ueber-
gewaltig waren ihre Schrecknisse, unter deren Eindruck wir noch
lange standen, und uns nicht davon frei machen konnten. „Mon
Dieu, Mon Dieu, quelle nuit!“ begrüsste uns Abdallah und hatte
nicht Worte genug des Erstaunens und der Bewunderung für uns,
in Sonderheit für Madame, deren Muth er bewunderte und es
unglaublich fand, dass sie beim Verwehen des Zeltes nicht in
Klagen und Thränen ausgebrochen sei. —
Welch’ schauerliches, grauenerregendes Bild um uns herum!
Die. Kisten und Wasserfässer ragten nur mit ihrem Rücken aus dem
Sande, da lagen Kleidungsstücke, Stiefel, der Kochherd und die
schönen Gewehre im Sande vergraben und ganz von ihm verschüttet.
Hier fehlte ein Messer, dort die Patronen, und einem Zerrbilde
gleich lag unser stolzes Zelt am Boden, nicht wie sonst, wenn es
schön gefaltet zusammengerollt wurde, sondern unkenntlich und
verschüttet, unter sich die Trümmer seines Gerüstes bergend. Mit
Wehmuth sahen wir darauf, auch nicht ohne Gefühl ängstlicher
Sorge, da wir damit des Schutzes für die Nacht beraubt waren
und vor der Hand keinen Ersatz hatten, ja keinen Ausweg wussten,
wie der Schaden auszubessern sei. Da brachte uns Shada die
beruhigende Nachricht, dass wir heute Abend kein Zelt nöthig
hätten, weil wir in N’gou^a Quartier beim Kaid nehmen würden,
in Ouärgla aber Gelegenheit fänden, vom Militair das Zelt wieder
in Stand setzen zu lassen. Das hob unsere Stimmung wie mit
einem Schlage, und muthig legten wir die Hände an’s Werk, um
den Abmarsch zu beschleunigen. Zwar dauerte die Herstellung
der Ordnung heute länger als sonst, da die verlorenen und im
Sande vergrabenen Gegenstände erst gesucht und hervorgelangt
werden mussten, aber es fand sich zu unserer Freude Alles, was
wir suchten, wenn auch oft in beklagenswerthem Zustande. Am
meisten hatten unsere Gewehre gelitten, die Schlösser waren
durch und durch versandet und die Hähne knirschten, wenn man
sie spannte und absetzte. Auch unsere Taschenuhren waren ganz
versandet, überhaupt Alles mit Sand durchsetzt. Nicht am geringsten
waren wir selbst dadurch mitgenommen worden. Kein
Quadratcentimeter auf unserem Körper schien vor dem Sandstaub
bewahrt geblieben zu sein, am Schlimmsten waren die Ohren
dran, welche einen Hauptsammelplatz für den Sand abgegeben
hatten. Der Gehörsinn war in seiner Function ebenfalls beeinträchtigt
worden, nicht minder waren Nase, Mund und Zähne
unbewahrt geblieben, und lange noch am Tage hatten wir das
Gefühl von überall abgelagertem Sande an und in unserem Körper,
von den Bekleidungsstücken gar nicht zu reden, welche davon
durchdrungen waren und stellenweise ganze Haufen von Sand
bargen. —
Diese Stätte des Schreckens und Entsetzens, welche wir
„Samumlager“ benannten, wollten wir der Erinnerung bleibend
einverleiben. Meine Frau machte daher eine photographische
Aufnahme von dem Chaos und fixirte die Bilder, so wie alles
lag und stand. Dann schlürften wir mit Behagen unsere Tasse
Mokka, richteten alles zum Aufbruch, sassen auf und verliessen
den unglückseligen Sandhügel von Arefidji. Die Gegend nahm
reicheren Vegetationscharakter an und in den umfangreichen
Büschen eines eigenartigen Gewächses fand ich mehrere Nester
des „Lanius dealbalus.“ Eine kurze Zeit hatte Shada die Richtung