
meines ersten Zusammentreffens mit dem kostbaren Passer simplex.
Das war ein grenzenloses Pech und ein maassloser Aerger griff
ob desselben in mir Platz. Um 8 Uhr sassen wir auf und ver-
liessen die Stätte, — unser Sandheim — mit sehr gemischten
Gefühlen. Die Krone aller Erwartungen war mir geraubt, und
ich fragte mich, ob mich wohl je wieder der Zufall dem Wüstensperlinge
entgegenführen würde. Dass dies der Fall war und
zwar unter glücklicheren Umständen werden die nachfolgenden
Zeilen bezeugen. —
Heute feierte man in Europa das Osterfest, was uns erst
zum Bewusstsein kam, als wir beim Weitermarsche unsere Gedanken
heimwärts schweifen Hessen. Es ging nun durch endlose
Sanddünen auf und ab, doch verlor sich allmählig die üppigere
Vegetation, welche wir gerade auf diesem rothleuchtenden Sandboden,
der eigentlichen Sandwüste — so reich an Gräsern und
vielen Retamen sowie Retamaartigen Gewächsen —gefunden hatten,
und machte der bereits von Touggourt her bekannten Platz.
Mit ihr schwanden auch die hübschen, echten Wüstenformen: die
Stoparola deserti und Galerita isdbellina. Gerade diese beiden
sind so recht Charaktervögel der rothen Sandwüste, getreue
Ebenbilder ihrer Umgebung. Lange schon ritten wir dahin unter
dem Drucke einer entsetzlichen Schwüle, welche einen bevorstehenden
Sämüm verkündete. Ein Araber mit etlichen Kameelen
hatte sich uns zugesellt und schien höchst erstaunt, uns Europäer
hier in der echten Wüste zu treffen. Gegen Mittag waren wir
in Bagdad, wo eine Quelle aus dem Boden sprudelte. Aber das
Wasser war so reich an Bittersalzen, dabei von solcher Wärme, dass
wir es nicht gemessen konnten. Seitwärts davon stand ein verfallenes
Haus, welches ich aufsuchte, um dessen Wände und Luken nach
Nestern und Reptilien zu untersuchen. Die Umgegend batte anderen
Charakter angenommen, sie war steinig und mit vielem dorn-
artigen Gestrüpp bestellt, wo ich die Drymoeca zahlreich sah und
selbstverständlich auch den Lanius dealbatus. Ich hatte mich
ziemlich weit von der Karawane entfernt, welche nun meinetwegen
halten und auf mich warten musste. Unser Weg führte uns
steigend einer Anhöhe zu, auf deren Spitze wir das Haus eines
optischen Telegraphen sahen. So nah dasselbe aber auch vor uns
zu liegen schien: wir kamen und kamen nicht heran, obschon wir
wacker ausschritten und das Ziel fest im Auge behielten. Plötzlich
verloren wir das Gebäude wieder, und nun lag es seitwärts von
uns auf einem isolirten Bergkegel, während wir unbewusst eine
andere Höhe erklommen hatten. Auf dem hellen, steinigen Boden
fingen wir grosse und kleine Stücke einer Agama, von denen einige
durch den prachtvoll ultramarinblauen, zart weiss gestreiften
Kehlsack in hervorragendem Maasse geziert wurden, sodass ich
schon an eine andere Species dachte. Es waren aber nur die in
Folge hochgradiger geschlechtlicher Erregung schön gefärbten
Männchen der Agama inermis, Reuss, während uns die gestern
ein gesammelten Stücke der Ag. Tournevillei heute nicht mehr
begegneten, denn diese gehören der rothleuchtenden Sandwüste
an und bilden als Reptilien ein sprechendes Gegenstück zu der
reizenden Sylvia und der isabellfarbenen Galerita. — Mag mich
die Aufregung heute morgen so arg mitgenommen haben, mag
es die enorme, drückende Schwüle, oder mag es ein anderer Beweggrund
gewesen sein: ich war überanstrengt und fühlte mich
schwach und angegriffen. Von der Höhe aus sahen wir in
sandigen Tiefebenen gemauerte Brunnen, und da der Marsch nach
der Oase Hadjira, welche vor uns sichtbar wurde, noch sehr lang
war, gaben wir das heute in’s Auge gefasste Ziel auf und ritten
bergab zu den Brunnen. Zunächst hiess es, die getrockneten
Gaumen anfrischen und das Wasser aus dem Brunnen versuchen.
Es kam eine unbeschreibliche Wollust über uns, wie der Blecheimer
emporgezogen wurde, und wir das kühlende Nass in
vollen Zügen schlürfen und uns damit netzen konnten. Wir beschlossen
daher, hier Halt zu machen und unsere Zelte aufzuschlagen.
So freudig uns aber dieser Entschluss gestimmt
hatte, so verdriesslich schien unser Abdallah darüber zu sein,
da, wie er hörte, die Route morgen an Hadjira vorbeiführen,
die Oase selbst dagegen nicht streifen sollte, von der er sich
anscheinend Manches versprochen hatte. Auf eine an ihn gestellte
Frage antwortete er in unziemender Weise und wurde
daher tüchtig gemaassregelt. Das fruchtete, denn er zeigte sich
gleich darauf ordentlich und willfährig. Noch waren wir mit der
Tränke unserer vor Durst schreienden und ganz erschöpften
Thiere beschäftigt, als die ganze Mannschaft vom Poste télégraphe
optique herabkam, uns begrüsste und uns mit allerhand schönen
Reden aufforderte, nach oben zu kommen, um eine Tasse Kaffee
mit ihnen zu trinken. Sie wären überglücklich in dieser trostlosen
Einöde Compatrioten zu sehen und möchten uns gar zu
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