
Leute ohne Anrede an sich vorüberziehen, diejenigen aber, welche
er zur Mithülfe aufforderte, lehnten es ab, wie es der Schlaumeier
von vornherein wusste. Zunächst mussten wir es uns freilich ein
über’s andere Mal gefallen lassen, den Weiterritt zu hemmen und
auf den Halunken zu warten, da bald dies, bald jenes Kameel
zurückblieb oder seitwärts trabte, sein schlecht gebundenes Gepäck
verlor u. s. w. u. s. w. Wir liessen uns einstweilen nichts merken,
hiessen den „Biedern“ immer vor uns bleiben und behielten ihn
scharf im Auge. An einigen unbedeutenden Oasen vorbeireitend,
kamen wir in die ausgesprochene Wüstengegend mit Dünen- und
Sandcharakter. Hier fielen mir die vielen vom Wüstenfuchs
(Canis zerdo), dem Fennek der Araber, herrührenden Spuren im
Boden auf, von denen es in der Nacht geradezu gewimmelt haben
musste, denn die Gänge führten kreuz und quer. Um die
Mittagszeit waren wir in der mit vielen Heiligengräbern (Marabuts)
und Gebethäusern (Moscheen) geschmückten Oase Tdmacin,
13 Kilometer von Touggourt entfernt, einem beliebten Ausflugsorte
der Reisenden, welche sich zur Wüstenstadt Touggourt aufgeschwungen
haben, und um nicht zu sagen, dass ihre Reise mit
Touggourt selbst ihren Abschluss gefunden, in der Regel auch
die allerdings sehr interessante nahe gelegene Oasenstadt Temacin
aufsuchen. Selbige ist reich an artesischen Brunnen, von denen
einige 12 Liter pro Sekunde zu Tage fördern und deren Wasser
für nicht zu verwöhnte Gaumen leidlich trinkbar ist. Mitten in
der Oase liegt ein See, in dessen Spiegel die umstehenden Palmen
herrliche Bilder werfen. Ein leichtes Lüftchen strich gerade über
die Oberfläche und kräuselte das Wasser. Totanus ochropus flog
laut schreiend vom Ufer auf, als wir uns näherten und zwischen
den Palmen hindurch sah man überall die reizende Turtur sene-
galensis pärchenweise, an den Häusern aber wimmelte es geradezu
von den im Uebermaass vorhandenen Sperlingen (Passer hispa-
niolensis).
Wir durchritten die grosse Oase, kamen dann an der mit
einem breiten Wassergraben umgebenen Stadt vorbei, wo uns
die schwarzen Männer beim Anblick unseres Spahis ehrfurchtsvoll
grüssten und vor uns auswichen, die Frauen ihre Schleier enger
vor’s Gesicht zogen, die Kinder aber unter ängstlichem Geschrei
in die Häuser flüchteten, uns mit dem Worte „Rumi, Rumi“ d. h.
Christen, Christen ihren Geschwistern und Gespielen verkündigend.
Kennzeichnend und auffallend war mir der Wassergraben um die
Häuser, die alle gleichsam in einem Conglomerate auf einer Höhe
lagen und die Oase zu ihren Füssen hatten. Das Wasser war
unglaublich verunreinigt, wie Abdallah sagte, durch die blauen
und rothen Farbstoffe, womit die Einwohner ihre Haiks und
Burnusse färben, deren Fertigstellung hier einen Industriezweig
bildet. Immerhin scheint die Umzingelung der Häuser mit Wasser
eine Eigenart der südlicheren Oasendörfer zu sein und ihnen
charakteristisch zu werden, da ich dies von nun ab durchgehends
sah. Ausserdem ist Temacin noch von einer hohen Mauer umringt
und ist nächst Touggourt die einflussreichste Oase des Oued
R’ir. Sie muss viele Wasseradern unter sich haben, da sich uns
die Dattelpalmen von ausgesuchter Grösse und Schönheit prä-
sentirten und man daraufhin nie fehl geht, die Oase auf besonderen
Wasserreichthum zu schätzen. Nach dem Ausspruche der
Araber ist die Fruchtbarkeit der Oase bekanntlich dadurch bedingt,
dass die Palme das Haupt im Feuer, den Fuss im Wasser
haben soll. Wir kamen au einer Stelle vorbei, wo wir Männer
bei der Anlage eines artesischen Brunnens beschäftigt fanden,
hielten einen Augenblick still und liessen uns den Hergang der
Arbeit erzählen. Kaum hatten wir Temacin hinter uns, als sich
eine andere Oase vor uns aufthat, Zoauia de Tamelhat, welche
wie uns berichtet wurde die Residenz des Chefs des einflussreichen
Ordens „Tidjani“ ist. Als wir auch diese durchritten hatten,
machten wir Halt und genossen den Rückblick auf die malerisch
gelegenen Kubbahs, das mit Mauern umzingelte Dorf und die
immer von Neuem zur Bewunderung hinreissenden Palmenbestände.
Ich suchte den Wassergräben entlang nach Reptilien, — aber es
zeigte sich nichts, bis auf die bekannten Wasserfrösche und die
eine und andere Wassernatter. Als die wieder zurückgebliebenen
Kameele zur Stelle waren, sassen wir auf und ritten weiter. Ein
grösser Chott nahm uns nun auf, in dem stellenweise noch
Wasser stand und auf dessen theilweise sehr glitschigem Boden
das Fortkommen ausserordentlich erschwert wurde. Am gefährlichsten
aber war dies für die Kameele und unser Gepäck.
Zwei Dromedare nämlich, nicht genügend beaufsichtigt, wichen
von dem betretenen Wege ab und geriethen seitwärts in den
Sumpf. Kaum hatten wir das bemerkt und unseren Chambi darauf
aufmerksam gemacht, als er den Thieren wie besessen nachlief,
um sie vor dem Sturze zu hüten. Aber es war zu spät. Die
ohnehin verdutzten und erschreckten Kameele geriethen durch