
mir ebenfalls unbekannt war. Leider hatte er das zarte Thierchen
mit der Pincette angefasst und ihm den Schwanz abgebrochen.
Es war der für die südliche Sandgegend charakteristische, immerhin
wohl nicht häufige Seps sepoides. Befriedigt von dem Resultate
unserer Suche kehrten wir in’s Hotel zurück. Nach dem Abendessen
ergingen wir uns in der vom magischen Mondlichte um-
gossenen Stadt Touggourt und Hessen die wunderbaren Eindrücke
der palmenumrauschten Wüstenstadt mächtig auf uns einwirken.
F r e i t a g , den 31. März 1893. Da die Kameele auf 5 Uhr
bestellt waren, standen wir gleich nach 4 Uhr auf, um zeitig
alle Vorkehrungen zum Aufbruche zu treffen. Aber so sehr ich
es gestern auch eingeschärft hatte, dass die Kameele pünktlich
zur Stelle sein sollten, so musste ich mich doch wieder einmal
in’s Unvermeidliche fügen: weder die Kameele noch die Treiber
waren um die festgesetzte Stunde da. Keiner wusste auch, wo
Mensch und Vieh weilte, und so blieb uns nichts anderes übrig,
als uns gelassen darein zu finden und abzuwarten, bis es den
Arabern zu kommen passte. Längst schon hatten wir Kaffee getrunken,
und längst schon standen unsere Reitthiere gesattelt, als
der Spahis angeritten kam und mit ihm die Treiber auf ihren
Kameelen. Natürlich begrüsste ich sie mit einem kräftigen
Donnerwetter und machte ihnen durch Miene und Gesticulation
verständlich, dass ich nichts weniger als erbaut sei. Einigermassen
ausgesöhnt war ich, als mein Blick auf die Kameele fiel.
Denn solch’ kräftig gebaute und hohe Thiere hatte ich bisher
noch nicht gesehen; sie waren gut um 1/3 grösser und stärker
als die, welche wir bisher gesehen hatten, und stammten alle aus
der Gegend von Ouärgla, wo eine besondere Züchtung dieser
starken Dromedare stattfinden soll. Der Treiber, der zugleich
Besitzer dieser Kameele war, stammte ebenfalls aus dieser Gegend
und gehörte dem Chamba-Volksstamme an, der noch verwandt
mit den gefürchteten Touaregs sein soll, übrigens als listig, verschlagen,
betrügerisch von den nördlich wohnenden Arabern angesehen
wird. Es war ein kurzer, gedrungener Kerl mit wahrer
Galgenphysiognomie, nicht gerade dunkel von Farbe, eher hell
zu nennen mit dickem Kopfe und plumpen Händen. Sein Haar
war bis auf einen am Hinterkopf stehen gebliebenen Zopfwirbel
abrasirt, den man übrigens nur selten zu sehen bekam,
da er zumeist den ganzen Kopf bis auf Nase und Augen und
den sie umgebenden Gesichtstheilen mit einem weissen Tuch
verschleiert hielt. Seine starke Nase war adlerförmig gebogen
und erinnerte an den morgenländischen Typus, seine Augen klein
und geschlitzt.
Wir sollten bald genug erfahren, dass ihn alle obengenannten
Eigenschaften in hervorragendem Maasse zierten. Ausser seinen
Kameelen hatte er nichts mitgebracht, als seine eigene dürftig
bekleidete Persönlichkeit, nicht einmal die für das Aufladen der
Kisten so nothwendigen Stricke. Das wäre hier zu Lande nicht
Sitte, gab er uns kurz zur Antwort, und ich müsste mich selbst
darnach umsehen. Es war ein reines Glück, dass uns die Wirthin
damit aushelfen konnte. Obschon Alles soweit vorgerichtet, auch
die Wasserfässer gestern Abend gefüllt waren, ging das Bepacken
der Kameele dennoch nicht rascher von Statten wie sonst. Bis
die Kisten und Kästen aus dem Hofraume vor die Kameele
geschleppt waren, bis sich die Leute entschlossen hatten, welche
Lasten sie diesem und jenem Thiere zuertheilen sollten, bis sie
die Stricke ineinandergefügt und das Gepäck damit umbunden
hatten: das Alles erforderte einmal wieder eine unsagbar lange
Zeit und viel Geduld. Endlich war Alles fertig, wir schwangen
uns in die Sättel, und fort ging’s aus Touggourt, — doch war es
leider schon 8 Uhr vorbei als unser Abmarsch erfolgte. Unsere
Kawalkade nahm sich ganz stattlich aus: voran gravitätisch die
Kameele mit ihrer Bürde, dann folgte der im rothen Burnus
paradirende Spahis auf seinem prächtigen Vollblutaraber, —
einem Goldfuchs, wie ich ihn schöner noch nie gesehen habe, —
dann ich mit meiner Frau, worauf sich die Herren und unsere
3 Leute anschlossen. Natürlich machte unser Abritt viel Aufsehen,
zumal heute Markttag in Touggourt war und der grosse
Platz mit Menschen und Thieren wie bedeckt erschien. Kaum
hatten wir die Stadt im Rücken, als sich uns die erste Fatalität
zeigte. Der Chambi blieb mit seinen Kameelen zurück, und
nun erst gewahrte ich, dass er allein ohne Hülfe bei den Kameelen
war. Er wäre es nicht anders gewöhnt und wollte die Thiere
schon allein regiren, lautete seine Antwort, als wir ihn dieses
Unfugs wegen zur Rede stellten. Wir erkannten in ihm natürlich
gleich den Gauner, der den Antheil seinem Mithelfer nicht gönnen
wollte. Aber dafür sollte er empfindlich bestraft werden. Als
ich ihm durch den Spahis „Shada“ befahl, einen Treiber auf dem
Wege zu miethen, nickte er nur verständnissvoll mit dem Kopfe,
liess aber fast alle zum Markte nach Touggourt hin trabenden