
liegenden Oasen noch stärker gewüthet haben, und ist jetzt
glücklicher Weise nicht mehr so häufig, — sie verläuft nach
jahrelanger Peinigung mit furchtbarer Entstellung des Gesichtes,
in welchem die Nase bis auf den Grund abfault und vernarbt.
Auch am Vormittage hatten wir noch keine Zeit gefunden,
Touggourt uns anzusehen. Die beiden gestern erlegten Würger
mussten abgebalgt, das Tagebuch geführt werden, und so verrann
die Zeit bis zum Frühstück. Dann gönnten wir uns wieder einige
Ruhe, und zogen erst gegen 4 ü h r aus. Wir bewunderten den
grossen, marktartigen Platz von Touggourt, dessen eine Seite das
schöne französische Gebäude „Bureau arabe“ flankirte, während
die andere kleine Häuser hatte, die allerhand Kauf- und Trödelbuden
besassen und durch niedrige arkadenartige Gänge
umgeben waren. Diese Gänge waren offenbar gegen die in
Touggourt furchtbar werdende Hitze aufgebaut worden, sodass
die Einwohner tagsüber dort im Schatten sein konnten. Wir
umgingen das Bureau arabe und schlugen unsern Weg in die
Oase ein. Nach längerem, erfolglosen Suchen daselbst schlug ich
vor, auf die entgegengesetzte Seite zu gehen und zwischen den
viel versprechenden Sandhügeln zu sammeln. Das thaten wir
denn auch und bereuten es keineswegs. Eine grosse schwärzliche
mit eigenthümlichen Granulationen auf den Flügeldecken versehene
Pimelie,1) wie wir sie bisher noch nicht angetroffen hatten,
erfreute uns durch ihr massenhaftes Auftreten, die Sandhügel
schlossen einen langgeschwänzten, schmächtig gebauten Seorpion2)
ein, sowie eine Unmenge bald grösser, bald kleiner Ameisen in
wunderbaren Formen. Von Vögeln sah ich nur die Saxicola
oenanthe auf dem Zuge, sowie mehrere Cursotius und einige
Agrodroma campestris. Ich sah auch fleissig nach Reptilien aus,
doch wollte mir der Zufall ausser dem bereits schon vielfach
erwähnten Acanthodactylus scutellatus in der Varietät exigua,
nichts Bemerkenswerthes in die Hände spielen. Da kam einer
der Herren triumphierend mit einer schönen Beute heran, einem
prachtvollen, von mir noch nie gesehenen Gecko. Es war der
seltene, tagsüber im Sande verborgen liegende Stenodactylus
guttatus, der meinen ganzen Neid erweckte. Nun wurde jeder
grössere Sandhaufen eingehend durchmustert und umgeworfen,
x) Fimelia confusa, Sönac und Fimelia retrospinosa, Lucas.
2) Nach gütiger Bestimmung des Herrn Professor Dr. Kra e p e l i n -
Hamburg Audroctonus australis, L. — A. funestus, Hempr. u; Ehrbg.
aber der sehnlichst herbeigewünschte Stenodactylus nicht gefunden.
Wir konnten uns sobald von der Wüste und ihrem
eigenartigen Wesen nicht trennen, und schon begann der Mond
hell zu leuchten, als wir unseren Rückweg antraten. Die effectvolle
Beleuchtung, wie man sie nur in der so eigenartigen Wüste
sehen kann, machte uns sprachlos vor Erstaunen. Die untergehende
Sonne warf ihren Purpurschein auf die'weissen Minarets
und Marabuts, auf die weissgetünchten grösseren Häuser des
vor uns liegenden Touggourt, sowie auf die ungebrannten Ziegel
der Oasenhäuser. Der Horizont wetteiferte heute in buhlerischer
Pracht um die Hervorbringung der rothen und leuchtendgelben
Farbentöne und zeigte gleich dem Regenbogen alle Nuancen,
welche zwischen ihnen lagen. Nun ergoss der Mond sein Licht
über die Ebene, und die Nacht setzte ein. Fahl lag die Landschaft
um uns herum, nicht deutlich erkennbar mehr und doch
nicht minder reizvoll und anziehend. Knisterndes Feuer brannte
in den Beduinenzelten, malerische Gestalten huschten vor ihnen
auf und ab und umwoben das Ganze mit eigener Anmuth. So
etwa schritten wir Touggourt zu, und suchten noch lange das
Bild festzuhalten, welches uns der heutige Abend vorgezaubert
hatte.
D o n n e r s ta g , d e n 30. März 1893. Zu unserer Freude
waren gestern die Lastkameele von Biscra richtig angekommen
und hatten unser Gepäck schadlos nach Touggourt gebracht.
Nun hiess es neue Kameele dingen und einen Ueberblick über
die zu transportirenden Gepäckstücke gewinnen. Vorerst aber
machte ich mich zum Commandanten von Touggourt auf, um mich
ihm persönlich vorzustellen und ihn um die Mitgabe eines Spahis
zu ersuchen. Der Commandant wohnte mit seinen Offizieren im
Bureau arabe und kam zum Essen in das Hotel, wo wir ihn also
jedesmal sahen und ihn bereits kannten. Er war ein grösser,
breitschulteriger Mensch mit dem Abzeichen seiner Würde, in
einen ihn vollständig bedeckenden Purpurmantel gehüllt, und
schien sehr geachtet und ausserordentlich gefürchtet zu sein. Er
war also Chef des Bureau arabe und hatte als französischer
Oberstlieutenant den Oberbefehl über die dort stationirten Turcos
und Spahis, welch* letztere der Hauptsache nach das Militair
daselbst ausmachen, und in der Anzahl von 50 bis 100 Mann
und darüber vorhanden sind. Sie werden hauptsächlich als
Gensdarmerie gebraucht, aber auch zur Begleitung von Generälen,