
nicht gerade besonders viel daran gelegen, möglichst rasch, d. h.
also in 4 Tagen die Strecke von Biscra nach Touggourt zurückzulegen,
so hätten wir sicherlich das Reiten dem Fahren vorgezogen.
Es kann aber jedem Reisenden nicht eindringlich genug
vorgestellt und empfohlen werden, streng bei dem einmal gemachten
Plane zu bleiben und der Forderung eines jeden Tages
gerecht zu werden, wenn ihm an der thatsächlichen Ausführung
der geplanten Reise wirklich etwas gelegen ist. Denn schon ein
einmaliges Nachgeben und Absfehen von dem Tagesprogramm
kann die Folge nach sich ziehen, dass man den Anschluss an das
gesteckte Ziel versäumt, wodurch man — was noch viel schlimmer
ist — nachgiebiger und energieloser wird'. Eine Inconseqüenz
zieht eben unweigerlich rächend die andere nach sich, — und so erreicht
man schliesslich nur das Viertel oder höchstens das Drittel
von der ganzen sich gestellten Aufgabe. —
Wir verhandelten nun rasch mit der Wirthin und wurden, da
sie durchaus gerecht und bescheiden in ihren Ansprüchen blieb,
bald einig. Die Zimmer, welche sie uns anwies, waren sehr klein
und niedrig, einfenstrig nach dem Hofraume zu auslaufend. Aber sie
waren nebst dem Mobiliar neu, die Betten reinlich, und so nahmen
wir keinen Anstand, uns dort einzuquartiren. Es ging nun zunächst
an ein Aussuchen und Unterbringen der mitgebrachten Gegenstände,
wodurch unsere Zeit so sehr in Anspruch genommen wurde, dass die
wenigen Stunden bis zum Abendessen rasch vergingen, und wir bis
dahin keine Gelegenheit hatten, uns in Touggourt ein wenig umzusehen.
Eine unendliche Wohlthat war der Kleider- und Wäschewechsel.
Man hatte überhaupt nach der viertägigen, heissen und
strapaziösen Reise in erster Linie das Bedürfniss nach totaler
Waschung und Ruhe, welche wir uns denn auch hier gönnen konnten,
da 2 Tage für Touggourt von vornherein festgesetzt waren. —
Um 7 Uhr morgens sassen wir im Arkadengange vor dem Hotel
und tranken unsern Kaffee. Trotz der zahllosen Fliegen, die jeden
unserer Bissen umlagerten, uns schaaren weise im Gesicht sassen
und uns fortwährend umsummten, Hessen wir es uns leidlich gut
schmecken, bis wir vor dem Anblick eines schrecklich entstellten Gesichtes
zurückprallten. Der Sohn der Wirthin hatte nämlich einen
furchtbaren Clou auf der Nase, dem ja viele Bewohner in Biscra
ausgesetzt sind, und den man medicinisch wohl als eine Art Lupus
aufzufassen hat. Woher dieser Clou kommt, ist immer noch nicht
festgestellt worden. Manche suchen den Grund der Entstehung
dieser furchtbaren Krankheit im Genüsse des schlechten WTassers,
was aber — zumal die Eingeborenen gänzlich läugnen. Ich habe
die Beobachtung gemacht, dass die eigentlichen Oasenbewohner,
die ja ausschliesslich das Wasser aus dem Oued Biscra trinken, nur
selten von diesem gefürchteten Clou befallen werden, wohl aber
die zugezogenen Europäer, das Militair und in Sonderheit Mädchen
und Frauen. Vielleicht ist diese fürchterliche Krankheit eine
Folge des lockeren und liederlichen Lebenswandels, dem die Bewohner
Biscra’s in ausgedehntem Maasse huldigen. Thatsächlich
hat der Tourist nichts von ihr zu befüichten, und ich will zum
Trost aller nach Biscra Reisenden sagen, dass ich — wenn das
Uebel dem Genüsse des Wassers zuzuschreiben wäre — sicherlich
den entsetzlichen Clou de Biscra davon getragen hätte, da ich
nicht nur alle Augenblicke das Wasser aus dem Flusse getrunken,
sondern mich auch häufig darin gebadet, niemals aber auch nur den
geringsten Nachtheil davon verspürt habe. Andere, wie Petermann1)
der den Bouton d’Alep aus eigener Erfahrung kennen lernte, möchte
die Ursache nicht im Wasser, sondern in dem schlechten unreinen
Erdsalz suchen. Uns wurde vielfach auf unser Befragen, woher das
entsetzliche Uebel käme, geantwortet, dass die im Sommer häufigen
giftigen Fliegenstiche die Ursache davon seien. Man könnte sich
dann des Kratzens auf der gestochenen Stelle nicht enthalten,
und so entständen zunächst, und zwar mit tückischer Bosheit
vorzüglich auf dem Erker des Gesichtes furchtbare Beulen, die
dann in bösartige, langwierige Geschwüre ausarteten und schliesslich
mit Narben endigten. Viele dieser Befragten, unter Anderen auch
unser Kutscher Joseph zeigten uns auch am übrigen Körper noch
die Narben als Reste der geschilderten Krankheit. Ob wir hierbei
nun an den Stich eines giftigen Insectes selbst glauben oder
an die Uebertragung eines Infectionsstoffes durch den Stich
denken sollen, ist noch keineswegs festgestellt und harrt der
interessanten Aufklärung. Der von dem Clou befallene Junge
schien sich aber dabei ganz wohl zu befinden, zeigte sich un-
genirt und katzbalgte sich mit den hinzugelaufenen Araberbengeln
herum. Seine Nase hatte die Form einer dicken Kartoffel,
durchsetzt auf der Oberfläche mit eitrigen Knospen und Beulen,
aus denen die grauenerregende Flüssigkeit zeitweise herabtröpfelte.
Die entsetzliche Krankheit soll früher in Biscra und den umx)
Reise in den Orient, Vol. II, pag. 8.