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farbene Bergwand, die sich zwar nicht hoch, aber doch in allen
Einzelheiten abhob. „Voyez le mirage, voyez le mirage“ sagte
ein über’s andere Mal unser Kutscher, mit der Peitsche auf das
Spiegelbild deutend, und als ich ihm bemerkte, dass ich ja deutlich
die gekräuselten Wasserwellen sähe und das Haus und die Palmen,
sowie die bergige Einfassung des Sees, — da verneinte der
Bosselenker, sein Haupt schüttelnd, die Existenz dieser Gebilde:
,C’est une pleine comme ici, il n’y a rien lä, absolument rien
war seine stetige Antwort - und Recht hatte er behalten. Nicht
die kleinste Pfütze Wasser befand sich in der ganzen weiten Ebene,
nur das Salz war abgelagert und blinzelte uns die Feuchte vor
im trügerischen Lichte; Erdhaufen mögen die Erhöhungen gewesen
sein, die wir als Insel deuteten, ein Phantasiegebilde war
das Haus und nicht vorhanden die bergige Hohe. Wie oft haben
wir später derartige Trugbilder gesehen, wie oft beinahe darauf
gewettet, dass Wasser auf dem Boden stände. Die Fata morgana
ist in den Niederungen fast zu allen Tagesstunden sichtbar,
und soll auch im Mondschein die Spiegelkraft besitzen, Menschen
und Thiere zu bethören und zu berücken. Thatsächlich enthalt
der Chott Melrhir nur in der Winterszeit, wenn starke Niederschläge
vorausgegangen sind, Wasser, das aber bald ausdunstet
und schon im ersten Frühjahre nicht mehr vorhanden ist.
Ausser der Luftspiegelung barg der Chott nichts Interessantes
für uns, so dass wir froh waren, als wir ihn passirt hatten und
etwa gegen 2 Uhr die Oase Ourir vor uns auftauchen sahen, die,
je näher wir kamen, desto deutlicher an Gestalt gewann Die
über Gebühr angestrengten Pferde mussten ihre ganze Kraft e r setzen,
wollten sie den schweren Wagen durch den wieder sandig
werdenden Boden ziehen und mussten durch die tröstliche, halb
französische, halb arabische Anrede „tout de suite arouacheda
wir sind gleich angekommen - angefeuert werden. Endlich nahm
uns die Oase auf, welche sich durch einen breiten, schonen Fahrweg
und durch die wohlgepflegten Palmenbäume v o rteilh aft auszeichnete.
Hier fiel uns zunächst der Menschenschlag auf, der
bereits deutlich Negertypus zeigte und wahrscheinlich durch Vermischung
mit diesem Elemente und dem arabischen entstanden
ist. Die Hautfarbe war glänzend dunkelbraun mit einem Schatten
von Schwarz überflogen, die Haare kurz und gekrause , ie
Lippen wulstig und die grossen Augen geschlitzt. Diese Oa e
ist berühmt wegen ihrer Dattelausfuhr, welche Früchte hier von
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ganz besonderem Wohlgeschmack zur Reife gelangen und in die
ganze Welt versandt werden. Ursprünglich hiess das zwischen
dem Zab und Ouärgla gelegene Gebiet, das Land der Rir’a,
späterhin kurz Ouëd Rir. Der Araber nennt nämlich „Oued“
ursprünglich jedes Flussgebiet, welches sich als Flussthal kennzeichnet,
auch wenn es Jahre lang kein Wasser führt. Nun ist
aber das ganze grosse Gebiet bis nach Ouärgla hin von unterirdischen
Wasseradern durchzogen, welche die Araber in frühester
Zeit ausnutzten d. h. also durch Anlegung von artesischen
Brunnen das Gelände bewässerten und so der Fruchtbarkeit
— namentlich dem Gedeihen der Dattelpalmen — zugänglich
machten. Die Bohrungen wurden von Seiten dér
Franzosen in ausgedehnterem Maasse betrieben, und so entstand
eine Oase nach der anderen in dem sonst ariden und
unfruchtbaren Boden. Heute ist die Oase Ourir mit zahllosen
Bewässerungsgräben durchzogen, ein Segen für die cultivirte,
ihre Wurzel gerne im Nass badende Dattelpalme, ein Fluch aber
für die Reisenden: denn tausend und abertausend blutsaugende
Wampyre entsteigen denselben und quälen den Fremdling in kaum
zu nennender Weise. Ouâsch-Ouâscha nennt der Araber dieses
Gesindel, wir kennen sie ihrer Gestalt nach als winzige Mückchen
oder Mosquitos.
Stark schon neigte sich die Sonne, als wir durch das Dorf
M’raier fuhren, — M’raier bedeutet Spiegel, da der Flecken
besonders günstig für die Fata morgana (mirage) liegt — angegafft
und umlaufen von der grossen Kinderschaar, bis wir
durch die Thore in den Hof eines Gasthauses einfuhren, dessen
Wirth, ein Elsässer von Geburt, von unserer Ankunft bereits
durch die Fahrpost vor einigen Tagen unterrichtet, uns freundlich
empfing und uns eine anständige und saubere Aufnahme bereitete.
Kaum hatten wir uns von dem lästigen Staube gereinigt und unser
Gesicht mit kühlendem Wasser genetzt, als wir uns auch schon
gleich an die Präparation der heute erlegten Stücke machten.
Gerade hatte ich einem Vogel das Fell über die Ohren gezogen,
als unsere Herren staubbedeckt und mit schweisstriefenden Gesichtern
angeritten kamen. Der Tag hatte viel von uns allen
gefordert, denn die Zurücklegung von 64 Kilom. in der glühend
heissen Sonne mit allen Strapazen der Jagd war eine nennens-
werthe Leistung.