
nächsten Augenblicke weit wegzufliegen. Hält man dann den
betreffenden Strauch, in den es eingeflogen ist, nicht ganz fest
im Auge, so wird man es in der Regel nicht wieder finden, es
sei denn ein anderes Vögelchen dieser Art, auf welches man
zufällig von Neuem stösst, denn gewöhnlich unternimmt der
Wüstenhuschsänger, wie ich den Vogel deutsch nennen möchte,
einen weiten Flug, zumal wenn er aus einem Strauche aufgejagt
wurde, oft so weit, dass das Auge nicht mehr zu folgen vermag
und er in der Regel dem Beobachter verloren geht. Wenn man
seiner habhaft werden will, thut man daher gut, ihn beim Abfliegen
zu schiessen, wiewohl ein guter und sicherer Schütze
dazu gehört, das flink daherfliegende und in der Luft sehr
schwankende Vögelchen zu treffen. Ich erlegte so die meisten
Buschsänger, während es mir nur selten gelang, das kleine
Dingelchen im dichten Buschwerk zu erkennen und es daselbst
zu schiessen.
Ungleich häufiger als im ersten Jahre beobachtete ich den
Wüstenhuschsänger auf unserer Wüstenreise^ 1893. Auf dem
steinigen Hochplateau, welches sich von Bordj-Saada bis nach
Kef el Dohr zieht, gewahrten wir das kleine behende Vögelchen
ziemlich häufig, vermissten es ebenso wenig in der ausgesprochenen
Sandwüste und trafen es auch — obwohl vereinzelter — in den
Hügel- und Dünengegenden, wenn dieselben mit den vorbenannten
Wüstensträuchern bedeckt waren. Nirgends aber war es häufiger
als in den Sebkhaniederungen, welche sich um einen Chott
ausbreiteten und den charakteristischen Thonboden zeigten.1)
Setzte dann nicht weit davon die wahre Sandwüste ein, aus
deren Mitte der feinstäubige Sand vom Sämüm auch über das
Tiefgelände gefegt wurde, so hatten wir in dieser Stätte die
rechte und echte Heimat unseres Vögelchens vor uns. Dort
ballen sich die Wüstenslräucher in halbkugelförmiger Büschform
in gemessenen Zwischenräumen an einander und bedecken die
Gegend weit über den Gesichtskreis hinaus. Einförmig und öde,
starr und trostlos dehnt sich die gewaltige Strecke und erweckt
jedem Reisenden den Eindruck nackter, schauerlicher Wildniss,
furchtbarer Leblosigkeit. Denn nicht lebendig erscheinen die
*) Eine solche Stelle ist die Gegend unweit El Hadjira an der
Quelle Ain Baghdahd in der auch Tristram das Vögelchen antraf, wie
aus seiner Beschreibung erhellt. Der Verfasser.
trocken und dürr dastehenden Büsche, verbrannt und verdorrt
winden sie ihre trockenen Aeste und Stengel über den Boden.
Und doch athmen und leben sie, grünen und blühen zu ihrer
Zeit und tragen in ihrem Wurzelnetze tagsüber ein thierisches
Leben wunderbarer Pracht träumend und schlafend, während die
Nacht zu regerem Leben und Wehen die Schlummernden entfacht.
— Ein Heer geflügelter und ungeflügelter Kerfe liegt in den
Sandhaufen versteckt, bunte Asseln und vielgestaltige Ameisen,
Käfer von eigenthümlicher Form und Färbung, auch Erdspinnen,
Larven und Maden. In der Gluthhitze suchen sie Schutz im
Dunkeln und erwachen zu regerem Leben in stiller Nacht.
Sie — die Nacht — lockt auch den fast durchsichtigen Sandgecko
Stenodactylus guttatus aus seinem Versteck hervor, der eifrig
Jagd auf das kriechende Gewürm und die fliegenden Kerfe macht.
Kleinere und grössere Säugethiere kommen herangeschlichen,
Springmaus und Wüstenfuchs, Schakal, Genettkatze, Hyäne. Kurz,
reges Leben herrscht in stiller, mondumflossener Nacht dort, wo
tagsüber alles erstorben, alles verödet und vernichtet zu sein
schien. Diese trostlose Stätte hat sich unser Vögelchen zum
Aufenthaltsort erkoren. Hier passt es auch zum Buschwerk,
zum Boden, zur ganzen Umgebung wie nirgendwo besser. In
seinem unscheinbaren Federkleide, hüllt es das Grau seines
Geländes in das Grau seines Colorits. Nicht gleich so ist es in
seinen innern Eigenschaften. Das Aeusäere mag die Harmonie
des Ganzen wahren, das Innere — wenigstens nach menschlichem
Fühlen und Denken — gewiss nicht; denn das kleine Ding ist
immer munter, lebhaft und erregt: — das zeigt es deutlich durch
sein Verhalten im Busch, am Boden und in der Luft. Gleich
unserem Zaunkönig im Schnee kennt es anscheinend keinen Verdruss,
keine Missstimmung, kein Unbehagen. Mit dem Loose
zufrieden, fügt es sich nicht nur mit Gleichmuth in sein Schicksal,
trägt dasselbe vielmehr mit Freude und Dankbarkeit. Sieht man
es doch stets munter und geschäftig das Pflanzengewirr durchschlüpfen
oder mit keck nach oben gestelztem Schwänze am
Erdboden hüpfen, huschen, laufen und springen. Ruhe scheint
dem kleinen Vögelchen überhaupt nicht eigen zu sein, alles an ihm
ist Leben und Erregung, Eifer, Spannung und Bewegung. —
In Vorstehendem habe ich das Vögelchen nach seinen
inneren Eigenschaften mit unserem Zaunkönig verglichen. Es
scheint aber mehr als in einer Beziehung Berührungspunkte mit