
Endlich will ich noch bemerken, dass man nach der Aufzählung
der besuchten Plätze ja keine falschen Schlüsse auf
die Ausforschung des Landes und die Bearbeitung der Fauna
ziehen möchte. Wie mir offenbar die persönliche Anschauung
noch so mancher Oase, so mancher Höhenzüge und Wüstenstrecken
um Biscra herum fremd gehlieben ist, dürfte mir auch
ohne Zweifel so manche Thierform aus der reichenJKlasse der
Vögel entgangen sein. Nur ein annäherndes Charakterbild von
der Ornis Biscras wollte ich entwerfen und hoffe, dass mir dieses
auch gelungen ist. — _________
D r itte s K a p ite l.
Die Algerische Sahara.
Es ist ein kühnes Unterfangen die Wüste zu beschreiben,
ihr Wesen und ihre Eigenart zu schildern mit Worten, die sich
dem empfänglichen Geist und Gemüth des sie geschaut habenden
Menschen entlehnen und diesen beiden Ausdruck zu verleihen
suchen. Ist sie doch gar zu erhaben in ihrer Natur, gar zu
gewaltig in ihrem Sein und Wesen, um sie in ihrer Grösse nur
zu ahnen, ihre Weise zu verstehen und wiederzugeben — die
Wüste! Wenn ich es dennoch wage, dem Beispiele so mancher
Vorgänger zu folgen, so geschieht das nur um die Thierwelt zu
verdolmetschen, in Sonderheit die Vögel und Kriechthiere dem
Leser vorzuführen, die sie birgt und ernährt, die sie hervorbringt,
bildet und erhält.
Der aus den engen Grenzen seines Vaterlandes nicht herausgekommene
Europäer stellt sich unter der afrikanischen Sahara gewöhnlich
ein Gelände vor, welches haar jederVegetation nur mit Sand
und abermals Sand erfüllt ist. Aber diese Vorstellung ist falsch.
Denn so verschieden die Erde auf ihrer Oberfläche überhaupt,
so verschieden das Meer auf seinem Grunde ist und die mannigfaltigsten
Nivellierungen und Bodenverhältnisse zeigt, d. h. also
bald hoch und steil, bald flach und niedrig, felsig, kiesig, sandig,
mit Schlamm und Schlick bedeckt, bald wiederum kahl, oder mit
bezaubernd schöner Tangenflora überzogen-ist: so verschieden ist
auch die Wüste und ihr Gepräge.
Wir können 3 Hauptphasen der algerischen Wüste unterscheiden.
1. Die H o c h p la te a u s , welche sich annähernd in ruhiger,
gleicher Ebene, ohne sonderliche Höhenverschiebungen ausdehnen,
und meist steinigen (petraeischen) Bodencharakter haben. Es
sind grosse, weite Flächen, die keineswegs ohne Pflanzenwuchs
sind und verschiedene Abstufungen in ihrem Gepräge aufweisen.
Ihnen sind im M’zab-Gebiet die sogenannten Mamelons (Hügel
und Hügelketten) aus verwittertem, bröckligem Gesteine eigen.
Die Thierwelt ist stellenweise sehr reich, stellenweise arm, immer
iedoch ausgeprägt durch ihre eigenen, charakteristischen formen.
2. Die S e b k h a fo rm a tio n e n und die Gebiete der C h o tts,
welche in der Meeresdepression liegen mit meist thonartigem,
lettigem Boden. Der Grund bleibt feucht und schlüpfrig, und
steht offenbar mit dem unterirdischen Wasserbecken der Sahara
in Verbindung. Die Gegend ist für Passanten bei nicht genauer
Kenntniss derselben hochgradig gefährlich, da sie auf ihrem
trügerischen Boden die Karawanen leicht vom begangenen Ptade
ablenkt und sie als Opfer in ihre grundlosen Tiefen zieht.
Spiegelbilder (Mirages), welche auf und über dem erhitzten,
salzhaltigen Boden eine dankbare, fast täglich wiederkehrende
Ursprungsstätte haben, werden von allen Beisenden bemerkt.
Fauna und Flora sind beschränkt und gering.
3. Die S a n dw ü s te , auch S ähel genannt, welche aus losem,
feinkörnigem Sande besteht und die vom Winde gebildeten, dem
Wechsel unterworfenen Dünen (Erg oder el Areg) trägt. Auch
diese Wüste ist niemals absolut pflanzenleer, — wenn auch
stellenweise die Dünen selbst keine Vegetation tragen, — oft
dagegen mit reichem, überraschend schönem Pflanzenwuchse ausgestattet.
Auf und in ihr leben nur Wüstenthiere, alle mit eigenartigem
Gepräge und von überraschender Gleichheit und Zweckmässigkeit
in Farbe, Wesen und Function mit der sie umgebenden
Natur. Hochgradiges Anpassungsvermögen.
An der Hand dieser drei Gesichtspunkte will ich die Thierwelt
der Sahara, speciell die Ornis, besprechen, welche mich
während unserer Reise unablässig beschäftigt hat und deren
eingehenden Forschung ich mich unausgesetzt hingegeben habe.
Bemerken will ich noch, dass der für diesen Abschnitt sich
speciell interessirende Leser alle Einzelheiten, alle persönlichen
Erlebnisse und Beziehungen in dem ersten, allgemein gehaltenen
Theile1) dieses Werkes finden und nachlesen kann.
i) DieSer Theil erscheint mit der Separatausgabe der ornithologi-
schen Arbeit und ist durch den Buchhandel zu beziehen. Der Verfasser.