
muss daher das anspruchslose, dreisilbige Liebesliedchen einer
Lerche auffallen, die hier ihre Heimathsstätte hat. „Krieüe,
Krleüe, Kriöüe“ klingt es zu uns herab, und aufschauend gewahren
wir über uns die Erzeugerin der Töne: die Sand- oder
Wüstenlerche (Ammomanes algeriensis, Sharpe), die mit ihrem
isabellfarbenen Federkleide ebenso vortrefflich in die verlassene
Gegend hineinpasst, wie mit ihrem anspruchslosen
Liedchen, mit ihrem ganzen Sein und Wesen. „Bächliula“
nennt sie der dort ansässige Araber und besitzt ein
bezeichnendes Klangwort für unsere Lerche. Ein anderer,
für diese Gegend sehr charakteristischer Vogel ist der
Wüstengimpel (Erythrospiza githaginea), dessen Lied wie ein
vibrirendes Trompeterstimmchen zu uns herüber klingt. Auch
dieses Vögelchen passt mit seinem Kleide und mit seiner ganzen
Gestalt vortrefflich in das steinige, glutübergossene Hügelgelände.
Weniger passend nach ihrem Colorit erscheint für diese Gegend
eine andere, häufig vorkommende Art: Der Trauersteinschmätzer
(.Dromolaea leucura, Gmel.). Der kohlschwarze Vogel sticht
wahrlich ab von dem rothleuchtenden Gestein seiner Umgebung.
Dazu gebärdet er sich wie toll, springt, fliegt und tanzt auf den
Felsenkämmen und lässt gerne vom Gipfel herab sein weit vernehmbares
Liedchen ertönen. Und wenn erst gar ein Nebenbuhler
oder deren zwei und mehr auf der Bildfläche erscheinen, kehrt
er sein Wesen in einen scheinbar geradezu grellen Widerspruch
zu der ernsten, ruhigen Natur, in der er lebt. Aber
mit dem eingehenden Betrachten seiner Gestalt, mit dem vor-
urtheilsfreien Beobachten seines Wesens fällt der Gegensatz
nichtig zusammen und lehrt uns, dass die weise Hand der Natur
unergründlich ist in ihrem Schaffen, erhaben über jede menschliche
Kritik und ihre einseitige Anschauung. Der schwarze Vogel
passt im Gegentheil als Kobold vortrefflich in die dunkeln Klippen,
auf den schwarzen Rand der nackten Riesenblöcke, besser noch
in die Klüfte und Fugen derselben, in deren unterirdischem
Dunkel er mit seltener Meisterschaft sich bewegt, dort auch die
geeignete Stätte für die Wiege seiner Kinder sucht und findet.
Kein Wunder daher, dass ihm Mutter Natur ein schwarzes Federkleid
verliehen hat, und ihn so als den unterirdischen Gesellen,
als den geflügelten Geist der dunkeln Klüfte und Gänge gezeichnet
hat. Dieser Vogel erregt das weitgehendste Interesse beim
Studium seiner biologischen Seiten, die ich eingehend im speciellen
Theil besprechen und hier nur soviel sagen will,-dass der Vogel
selbst in einem wunderbaren Wechselverhältniss zu den seine
Brut gefährdenden Mammalien und Reptilien steht. Dasselbe
finden wir bei einem anderen Steinschmätzer, der gerade in der
Umgegend Biscras eine verhältnissmässig häufige Erscheinung ist,
bei der Saxícola lugens, Licht. Dieser Vogel leitet uns in die salzhaltigen
Berge Biscras, von denen in Sonderheit der in der. Ebene
von El Outaia sich erhebende Djebel Gharribou — kurz Djebel
Mélah d. h. Salzberg genannt — Erwähnung verdient. Ausser
der Felsentaube (Columba livia), welche gerne in den Kavernen
und Höhlen der salzhaltigen Erdschollen nistet, wüsste ich keinen
anderen Vogel zu nennen, der so charakteristisch für diese Berge
wäre, wie der obengenannte Steinschmätzer. Ab und zu fliegen
Thurmfalken von ihren Horsten; kreisend über sich gewahrt man
den hier ebenfalls brütenden Wüstenbussard (Buteo desertorum,
Daud.) oder hört ein. krächzendes Kolkrabenpaar in den . Lüften.
Reicher wird das Vogelleben in der Ebene, am Flussbette,
wo sich Gersten- und Weizenfelder breiten. In den Säribbüschen
sitzt das geschwätzige Volk der Spatzen (Passer hispaniolensis),
allenthalben gewahrt man Gerstenammern (Emberiza miliaria) und
ab und zu der schon von Weitem auffallende Grauwürger (L.
dealbatus, Defil.). Auf den kahleren Flächen läuft der Triel
(Oedicnemus crepitans) oder sitzt brütend auf den zwei, dem Boden
wunderbar angepassten Eiern. Am Eisenbahndamm halten sich
zu Schaaren vereinigt Flachsfinken (Linaria cannabina) auf, welche
von der dort in Menge wachsenden, schön violett blühenden
Cruciferenpflanze (Xenophyton deserti, Coss. u. Dur.) die reifenden
Saamenkörnchen lesen. Ihre Flüge sind stets mit Distelfinken
und .Wüstengimpeln untermischt.. Ueber den Saaten gleiten
Milane und Weihen, derer man im Frühjahr in allen Altersstufen,
in. allen Farbenkleidern ansichtig wird.
Wie zu erwarten, stellt, auch die Oase ihre besonderen
Vogelarten. Zunächst finde ich es erwähnenswerth, dass in dem
neuen Stadttheile Biscras unser gewöhnlicher Haussperling (Passer
domesticus, L.) sich breit'gemacht hat. Wie er den Typus seiner
Art in Nord-Afrika — dazu noch so weit im Süden und gerade
in Biscra — aufrecht ei'halten hat, bleibt unbegreiflich, da ich ihn
sonst nirgends typisch angetroffen habe, ihn vielmehr in den
übrigen Städten durch den rothköpfigen Sperling (Passer italiaé)
modificirt, in: den Feldern* .Hainen und. Oasen aber durch den
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