
hielt ich es für geboten, nunmehr auch das Nachbarland Algerien
zu bereisen, um dessen Avifauna eingehend zu untersuchen und
zu bearbeiten. Ich wählte zunächst Biscra zum Ausgangspunkt
meiner Studien. Sofort nach den ersten Ausflügen in die Umgegend
Biscras nahm ich wahr, dass Algerien ein von Tunis
ganz verschiedenes Land sei, sowohl was Land und Leute, was
Grund und Boden anbelangt, als auch naturgemäss, was deren
Pflanzen und Thiere anbetrifft. Ebenso stellte sich mir Batna,
am Fusse der Auresberge gelegen, als vollständig neu und unbekannt
dar. Der dreimonatliche Aufenthalt an diesen Orten
reichte indessen für die gründliche Kenntniss der Avifauna
keinesfalls aus, weshalb ich mich entschloss, im nächsten Jahre
dieselben Städte wiederholt aufzusuchen, um einmal die Forschungen
an den bereits bekannten Plätzen fortzusetzen, sowie
andererseits eine grössere Wüstenreise in die seit 1858 wissenschaftlich
nahezu unberücksichtigt gelassenen Gebiete von Toug-
gourt, Onärgla und -der M’zab-Gegend zu unternehmen. — Diese
zweijährigen Forschungen, welche gerade zur Frühjahrszeit an
den betr. Orten angestellt wurden, bringen in vorliegender Abhandlung
eine annähernde Abrundung der Avifauna vom südlichen
Algerien, — und es bleiben daher hauptsächlich der Norden,
(also das Teilgebiet mit den Höhenzügen des Atlas) sowie die
Provinzen Oran und Algier im Besonderen zur gründlichen
Revision der vorangegangenen, verdienstvollen Arbeiten von
Malherbe, Loche, Tristram und Salvin übrig. Es ist somit nicht
zu verkennen, dass unsere Kenntniss der Fauna und Flora
im ganzen Atlasgebiete stetig im Wachsen und Zunehmen begriffen
ist. Als das am wenigsten gekannte Gebiet der Berberei
muss Marocco gelten, welches voraussichtlich seiner politischen
Unruhen und inneren Umtriebe wegen dem Naturforscher noch
lange verschlossen bleiben wird. Indessen beansprucht auch
Algerien noch intensivere Forschung und längere Arbeitszeit,
da es scheinen will, dass nicht nur die drei Länder Marocco,
Algerien und Tunis gewaltig von einander abweichen, sondern
dass sogar die einzelnen Gebiete derselben grosse Unterschiede
und auffallende Verschiedenheiten aufweisen. Obschon ich mich
nun in den letzten Jahren aus leicht begreiflichen Gründen ganz
besonders der Ornis Algeriens zugewandt habe, ist dennoch
Tunis keineswegs vernachlässigt worden. Die schönen Resultate,
welche wir den wiederholten Reisen des Herrn Paul W. H.
Spatz1) und den gewissenhaft betriebenen Forschungen des
Herrn Whitaker2) zu verdanken haben, sind von mir — zum
grösseren Theil unter Erwerbung des dort gesammelten Materials
sorgfältig verzeichnet worden. Tunis geniesst somit das Vorrecht,
in seiner Avifauna demnächst als nahezu erforscht und
abgeschlossen gelten zu können, während man dies noch keineswegs
von Algerien sagen kann.
Obgleich ich den ersten Abschnitt dieses Werkes als einen
integrirenden Theil der ornithologischen Arbeit betrachte, bin
ich doch nicht in der Lage, denselben gewissermassen als Vorwort
dieses Theiles zu behandeln, da jener eine grosse Menge
persönlicher Beziehungen enthält, die ausserhalb der ornithologischen
Interessensphäre liegen und demnach für sich abgehandelt
werden mussten. Es ist aber auch einleuchtend, dass mit Ausschluss
dieses Theiles eine Fülle ornithologischer Momente unerwähnt
bleiben musste, die als Beifügung dem Ganzen erwünscht
gekommen wäre, beim Wegfalle dagegen als das Ganze beeinträchtigend
erscheinen könnte. Nun habe ich mich freilich
bemüht, im „Vierten Kapitel“ bei Abhandlung der einzelnen
Vogelarten möglichst alle Einzelheiten zu berücksichtigen, sehe
aber nach Fertigstellung der Arbeit, dass mir dieses doch nur
zum Theil gelungen ist. Manches ist unerwähnt geblieben, was
in der Reisebeschreibung in breiterem Rahmen ausführlich abgehandelt
werden konnte, Manches liess sich überhaupt nicht
mehr nachholen, der Thatsache entsprechend, dass die sofortige
Wiedergabe des frisch-gewonnenen Eindrucks über jede noch
so fleissige, spätere Ausarbeitung erhaben ist. —
Um nun den Leser dieser Schrift einigermassen mit der Loea-
lität vertraut zu machen, wo die ornithologischen Forschungen betrieben
wurden, habe ich die beiden Orte Batna und Biscra in je
einem besonderen Kapitel abgehandelt, und ebenso dem algerischen
Wüstengelände, der Sahara, ein solches gewidmet. Der Kern der
Arbeit liegt dem vierten Kapitel zu Grunde, welches die eingehende
Abhandlung der zur Beobachtung gekommenen Vögel bringt.
Das Schlusskapitel endlich giebt eine kurze Uebersicht und Zusammenstellung
der Vögel nach dem System, sowie eine ein1)
Mehrfach veröffentlicht in den Sitzungsberichten der Deutsch.
Ornith. Gesellschaft in Berlin (Journ. f. Orn.) sowie in den Ornith.
Monatsberichten.
2) v. Ibis 1894, pag. 78— 100 und Ibis 1895, pag. 85—106.
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