
Der nächste Tag, Sonntag der 6. März, war zur Abreise
nach Constantine festgesetzt. Schon frühzeitig rüsteten wir zum
Aufbruch, denn um 6 Uhr 35 Min. ging unser Zug ah. Zunächst
immer dicht am Meere bleibend, fuhren wir an den zahlreichen
Gemüsefeldern vorbei, aus denen sich namentlich der Blumenkohl
in üppiger Fülle hervorhob. Von der Morgensonne beleuchtet,
verlor sich Alger allmählig in duftiger Ferne. Wir passirten
Mustapha, sahen nochmals die herrliche Palmengruppe im Jardin
d’Essai und kamen dann über Agha, Hussein Dey nach Maison
Carree, am Oued Harrach gelegen, wo der Zug einige Minuten
Aufenthalt nahm. Gleich nachdem man den Bahnhof verlässt,
sieht man die abgehende Eisenbahnlinie nach Oran. Hier sind
wir in der weiten und grossen Metidja Ebene, die allenthalben
mit unabsehbaren Weizen- und Gerstenfeldern bestanden ist,
dazwischen aber auch viel Weincultur trägt. Der Weinstock,
welcher bis auf einen minimalen kurzen Stumpf zurückgeschnitten
ist, fängt gerade an zu treiben. Demgemäss wird auch der Boden
um ihn herum fleissig bearbeitet und von Unkraut gesäubert.
Er sticht daher überaus vortheilhaft von den übrigen Feldern
ab, die überwuchert sind von Asphodill und Chrysanthemum-
gewächsen. Schaaren von Feld- und Kalanderlerchen erheben
sich fortwährend und ziehen laut zwitschernd gemeinschaftlich
weiter; auch Wachteln sieht man ab und zu, sowie nicht selten
gravitätisch einherschreitend den weissen Storch.
Nach den Stationen Oued Smar, Maison Blanche und Rou'iba,
die umringt sind von zahlreichen Farmen, kommt man nach
Reghäia, in der Mitte der Ebene gelegen an dem Flüsschen gleichen
Namens. Hier fängt die Gegend an bewegter zu werden, und
man durchschneidet e i n e n anscheinend zusammenhängenden mit
Pistacien als Unterholz gebildeten Olivenwald, der den Eindruck
ursprünglicher Wildheit macht. Man gewahrt Lanius algeriensis,
Lesson in sehr dunkelem Golorit und kleiner Form, wie mir
scheinen wollte, echt und typisch. Ueberall sitzt* auch der dick-
schnäblige Gerstenammer und lässt " sein langweiliges Gezwitscher
bis zum Ueberdruss vernehmen, oder streicht mit herabhängenden
Ständern flatternd ab. Besonders achtete ich. auf den begehrten
Picus numidicus, Malh., für den die Stätte hier wie geschaffen
zu sein schien, j— leider ohne eine Spur von ihm wahrzunehmen.
Von Menerville ab fängt die Gegend an pittoresken
Charakter anzunehmen und erreicht ihren Glanz- und Höhepunkt
auf der Route zwischen Beni-Amram und Palestro. Zahlreiche
Tunnels passirt die Bahn, welche sich oft hart an den Gründen
und Schlünden des Oued Isser einherschlängelt und immer von
Neuem die überraschendsten Ausblicke gewährt. Diese Stelle
ist unstreitig die schönste auf der ganzen Route von Alger
nach Constantine und könnte nur einen passenden Gegenvergleich
in den Bergschluchten von El Käntara finden. Während die
Bahn linksseitig ihren Weg nimmt, hat man die fahrbare Chaussee
rechtsseitig von der Schlucht angelegt, und im Allgemeinen verlaufen
auch beide in der angegebenen Richtung, wenngleich sie
sich oft genug kreuzen und überbrücken. Mit dem anderen
Landschaftsbilde umgibt uns auch eine andere Omis. Mit
schnellem Flügelschlage durchmisst die blaue Felsentaube den
Luftweg von einer steilen Felsenwand zur ändern, während an
den Bergkänten grössere Raubvögel hängen: Adler, Edelfalken,
Thurmfalken, vereinzelt auch ein Aasgeier, oder paarweise ziehend
die schlauen Kolkraben.
Gegen 7,1 Uhr machen wir Mittagsstation in Bou'ira oder
Bordj - Bou'ira, einem anmuthig gelegenen Flecken in der imposanten
Gebirgslandschaft. Wir sind mitten im Gebiete des gewaltigen
Djürdjura, dessen einzelne Felsengrate und Bergkegel
bis an 2300 Meter emporsteigen und schneebedeckt zu uns
herüberleuchten. Hier fand ich noch die meisten Anklänge an
das tunesische Bergland. Denn gleichartig zerrissen und zerklüftet
thaten sich die mannigfachen Schluchten auf, welche mit
den halbkugelförmigen Büschen der Pistacia lentiscus überzogen
waren. An den verfallenen Brunnenlöchern stand der vielverzweigte
Feigenbaum in seiner malerischen Stellung und Form,
während die auch hier nicht fehlende Karube (Johannisbrodbaum)
vereinzelt eingesprengt erschien und daher um som eh r den Blick
des Menschen auf sich lenkte. Der Boden ist lehmartig mit
rothem Farbenton überflogen, jetzt in der trockenen Luft erhärtet
und gleichsam zum Fussparquet umgewandelt, in regnerischen,
feuchten Tagen dagegen kaum passirbar, glitschig und durchweicht
in der ganzen oberen Schicht. Das ist das Gebiet des
schmackhaften Steinhuhnes, das uns denn auch im Bahnhofsrestaurant
zum Mittagsessen gleich vorgesetzt ward, obschon es
seit dem 1. Februar auf der Liste des zu schonenden Wildes
steht. Aber das Gesetz wirft in diesem entlegenen Gelände ein
loses Netz über die Betroffenen und sieht ihrem Entkommen