
weg. Erst arbeitete er am oberen Kamme und löste ihre Oberschicht
in feinem Sandregen auf; — immer stärker und stärker
setzte er ein, schob und drängte die Form in eine andere, bohrte
tiefe Löcher im Wirbelsturme und gab dem Ganzen eine andere
Gestalt, ein anderes Aussehen. Wir sahen die Dünen wandern
vor unseren Augen! In der Ferne erblickten wir eine Sandhose
kerzengrade gen Himmel emporsteigen und wurden mit Schrecken
gewahr, dass sie sich grade auf uns weiter fortbewegte. Plötzlich
erfolgte ein heftiger Windstoss, und wir waren mitten im
Cyclon. In düstere Sandwolken gehüllt konnten wir hintereinander
reitend uns selbst nicht mehr sehen, geschweige denn die
etwa 10 Schritte vor uns her marschierenden Kameele. Nur mit
grösster Mühe vermochten wir uns im Sattel zu halten und befürchteten
alle Augenblicke ein Umfallen der Thiere, da die Wind-
stösse seitlich einsetzten. Ein Schmerzgefühl wie von tausend
Nadelstichen peinigte Gesicht und Hände, und oft schrieen wir
laut auf, vermeinend es nicht mehr aushalten zu können. Zu
unserem Glück dauerte dieser Wuthausbruch nur einige Minuten,
wäre er nur ,/4 Stunde über uns gegangen, so wären wir nicht
mehr heil aus ihm heraus gekommen. Schon hatte sein Gluthauch
sich verderblich auf unseren Körper geworfen, schon Ise-
gannen die Sinne zu schwinden, beklommen schon die Brust
schwer zu keuchen, da wurde es wieder hell um uns. Schaudernd
sahen wir dem Ungestümen nach, wie er über den Sandboden
dahinfegte und verderbenbringend sich weiter wälzte. Dem
Hauptstosse folgten noch zwar einige andere nach, doch nicht
von dieser Bedeutung, nicht mit dieser Wirkung. Ein „Ham-
d’Ullah“ entrang sich unseren Lippen, als es wieder stiller um uns
wurde. Doch hatte die Gewalt des entfesselten Naturelementes
Spuren der Angst und Sorge in uns zui’ück gelassen, es möchte
noch einmal über uns kommen, ehe el Alia erreicht wäre.
Stürmischer und eindringlicher erfolgten unsere Fragen nach dem
Orte, bis uns der verschmitzte Touareg mit Miene und Gesten,
zuletzt auch mit Worten zu verstehen gab, es läge hinter den
grossen Sanddünen, welche sich vor uns aufthürmten. Als wir
nun auch diese erreicht hatten, die Oase aber immer noch nicht
sichtbar wurde, erfasste mich die Ungeduld, und abermals stellte
ich den Wüstensohn zur Rede. Da gab er trocken und naiv zur
Antwort: el Alia läge dort, wo es gebaut wäre, auf seinen Schultern
könnte er die Stadt nicht gut hertragen. Lautes Lachen erdröhnte
aus der Reihe unserer Araber, und ich musste mir die
unverschämte Antwort schon gefallen lassen und gute Miene zum
bösen Spiel machen. Es war ein Erzhalunke, unser Touareg,
doch gewann er gerade durch seine Urwüchsigkeit meine ganze
Zuneigung.
Endlich tauchte el Alia wirklich vor uns auf, zunächst die
Palmenoase und dann auch die kümmerlichen Häuser der Stadt.
Als wir näher kamen, wähnten wir die Stadt vom Sande halb
verschüttet. Wie furchtbar muss hier der Samum gehaust haben!
Die Strassenmauern sahen nur zum Theil noch aus dem Flugsande
hervor, die Wege waren nur angedeutet, ganze Häuser
waren vergraben. Der Spahis hatte beim Kaid Quartier für uns
gemacht, der uns ehrerbietig empfing und unsere Wünsche
entgegennahm. Er öffnete uns ein grosses Magazin. Aber in
dem wahrscheinlich lange verschlossenen Raume herrschte eine
stickige Luft vor, und eine ganz unglaubliche Hitze strömte uns
daraus entgegen. Das Erste, was wir verlangten, war Wasser,
zu dem wir uns geleiten liessen. In einem Brunnen war dasselbe
leidlich gut, und mit Wonne kühlten wir uns Magen, Haupt und
Glieder mit dem erquickenden Nass. So gewaltig die Strapazen
des heutigen Tages auch gewesen waren, so liessen wir uns
dennoch nicht von denselben übermannen. Einer der Herrn
freilich war völlig zusammengebrochen und hatte es nicht vermocht,
den Willen über den Körper zu erheben.
Kaum hatten wir begonnen, den Raum unsern Wünschen
anzupassen, als uns der Besuch eines hochbetagten Marabuts gemeldet
wurde. Der ehrwürdige, 97 jährige auf beiden Augen erblindete
Greis wurde die Stufen zu unserem Hause herauf geleitet
und nahm auf einer unserer Kisten Platz. Wir mussten Alle der
Reihe nach vor ihn treten, wo er unsere Hände und unser Haupt
umfasste Und einen Koranspruch dabei hersagte. Lautlose Stille
herrschte unter uns und allen Arabern, die, sobald der Greis
sprach, die Hände umdrehten und neben einander hielten, und
die Finger nach oben richteten, zum Zeichen des Gebets und der
hohen Achtung vor dem ehrwürdigen Priester. Der Marabut liess
sich von Abdallah unsere Herkunft und Nationalität melden, sowie
den Zweck und die Route unserer Wüstenreise. Als er Alles
vernommen, segnete er uns und verhiess uns Allen das Himmelreich.
Darauf verliess uns der alte, ehrwürdige Greis und mit
ihm der Schwarm Araber, Eine grosse Schale Kuskussu mit vielen