
Retamabüsche starrten mit ihrem ginsterartigen Gezweige in die
Luft, grosse Grasbüschel tauchten auf, an deren Blüthenrispen
schwarze, scharlachroth gebänderte Mylabriskäfer sassen, Euphorbienstauden
umwucherten den Boden, Gnaphalien und Disteln
zierten ihn mit ihren gelben und rothen Blüthenköpfen. Mitten
in diesem Dorado machten wir Halt und schlugen in einer Mulde
unser Zelt auf. Jeder von uns erhielt eine gleiche Portion Wasser,
die gierig herabgeschluckt wurde. Einen gradezu rührenden
Anblick gewährten die durstenden Maulthiere, welche das Wasser
in den Fässern witterten und mit weit geöffneten Nüstern-an dem
Spundloche darnach schnupperten. Ihr markerschütterndes Geschrei
stimmte uns mitleidsvoll, und es kam uns schwer und
hart an, die guten Thiere jedesmal von den Fässern zu verjagen.
Doch durften wir sie nicht tränken, wussten wir doch nicht einmal
mit Bestimmtheit, ob wir morgen an frisches Wasser kommen
würden und mussten daher, so schwer es uns auch wurde, die
grösste Oeconomie mit dem vorhandenen betreiben. Ohne meine
Erlaubniss durfte Keiner die Wasserfässer berühren, welche wir
wie unseren Augapfel hüten mussten. Die Haltung und das Benehmen
der Leute war in dieser schwierigen Lage eine musterhafte
gewesen, ein Jeder sah die Gefahr vor Augen, morgen ev.
verdursten zu müssen, und Alle ehrten meine Vorstellungen und
hielten die gegebenen Befehle ohne Tadel ein. Der Chambi und
Touareg suchten sich meine Gunst durch allerlei Aufmerksamkeiten
zu erwerben und kamen alle Augenblicke mit lebenden Varanen,
Eidechsen und Schlangen an. Zwei grosse Exemplare des Varanes
wollte ich lebend mitnehmen und band sie daher mit Bindfaden
aneinander, wobei ich die Wuth und Kraft dieser Thiere zu bewundern
Gelegenheit hatte. Ihre grösste Vertheidigungswaffe
liegt ausser- in dem mit Zähnen scharf bewaffneten Maule auch
in dem Schwänze, mit welchem sie furchtbar schlagen und peitschen
können. Die zum Glück ruhige und milde Nacht ermöglichte die
Arbeit draussen am Tische lange Zeit. Unsere Arbeitslampe wurde
von Insecten mannigfacher Art umschwärmt, und öfters erblickten
wir in schnurrendem Fluge die grossen Stücke der Wolfsmilchschwärmer.
Als wir uns zur Ruhe begeben wollten, rollte ich
die Wasserfässer in unser Zelt, auf die wir in der ganzen Nacht
ein ängstlich-wachsames Auge haben mussten.
D o n n e r s ta g , den 27. A p ril 1893. Mit Tagesgrauen stand
der Spahis vor unserem Zelte und bat um die Erlaubniss vorwegreiten
zu dürfen. Sein Pferdchen liefe Gefahr zu verdursten und
habe schon gestern Abend die Gerste zu fressen verweigert.
Obschon es mir nun keineswegs angenehm war, unter diesen Verhältnissen
den Spahis auf unserem heutigen Marsche zu missen,
gab ich doch seinen ernsten Vorstellungen nach und ertheilte ihm
die Erlaubniss. Er versicherte denn auch, dass wir heute bestimmt
an einen Brunnen kämen und ja so wie so am Abend in
el Alia eintreffen würden. Als wir uns erhoben hatten, betrieben
wir sofort den Abbruch des Zeltes und das Beladen der Kameele.
Der Chambi hatte indessen die Umgegend durchstreift und kam
mit allerhand Schönem und Gutem an. Ausser einer Menge von
Skinken hielt er in der linken Hand einen mächtigen Varan, in
der rechten eine für mich neue, hochinteressante Giftschlange, eine
Gerastes nämlich, ohne Hörnchen auf dem Kopfe, sonst mit gleicher
Schuppen- und Formbildung an Kopf und Leib, wie die gewöhnliche
Cerastes cornutus, nur mit kleinerem Auge und schwarzem
Schwanzende. Es war die Cerastes vipera, L. = Vipera atri-
cauda, D. & Bibr., die ich gleich erkannte. Ich hatte befürchtet,
dass das Beladen der Kameele ohne den Spahis heute lange Zeit
in Anspruch nehmen würde, allein das war keineswegs der Fall.
Die Leute drängten selbst zum Aufbruch und schneller denn je
wurde derselbe betrieben, so dass wir bereits um 8 Uhr im
Sattel sassen und abreiten konnten. Erst ging es eine Weile
in demselben Wüstengelände fort, das mit den characteristischen
Pflanzen auch die typischen Vogelgestalten zeigte, wie Galerita
isabellina, Bp. und die reizende Stoparola deserti, Loche. Unser
Touareg hatte wieder eine Springmaus gegraben und zwar dieselbe
A r t w i e gestern. Allmählich verlor sich die reiche
Vegetation, und wir kamen an nackte, hohe Sanddünen, die zu
überwinden gerade keine Kleinigkeit für uns war. Die Sonne
stand verschleiert unter dunstigen Wolken, welche unstät im
Luftmeere hin- und herzogen. Aber auch unten auf der Erde
strich ein heisser Wind, gluthhauchend und dörrend. Bald trat
denn auch wieder das Verlangen nach Wasser an uns heran,
mächtiger denn je zuvor, alles Andere verdrängend und nicht
achtend. Wasser, Wasser, war das einzige Wort, welches uns
vorschwebte, welches unzählige Male von Jedem von uns gesprochen
und wiederholt wurde, ja, welches jede Faser unseres
i) Dipus deserti, Loche.