
heben, da sie jüngst wieder einen Schlaganfall gehabt hatte und vollständig
paralysirt auf einer Seite war. Als ich mich ihr vorgestellt
hatte und meinen Aufenthaltsort — Bonn — nannte, winkte sie
mir verständnissvoll zu und mag wohl mancherlei dabei gedacht
haben. Als ich ihr aber meine Verehrung für ihren verstorbenen
Gemahl kund that, und in wenigen, doch empfundenen Worten
meiner Bewunderung über seine unermüdliche Schaffenslust und
seine ausserordentliche Leistungsfähigkeit Ausdruck verlieh: da
rollten ein paar grosse Thränen über ihre gebleichten Wangen,
die mir ins Herz schnitten. „Er ist schon über 20 Jahre todt“,
hauchte sie, „mein herrlicher Mann, den ich nie vergessen kann,
und mit dem ich bald wieder vereinigt sein werde.“ Nun drängte
es mich zur Frage, wo die Sammlungen ihres Gemahls geblieben
seien, da ich wusste, dass sie als langjährige Vorsteherin und
Leiterin der Exposition permanente d’Alger mir die beste Auskunft
darüber zu geben vermochte. Aber die Antwort klang hart und
unbestimmt : „ah, je ne sais pas — c’est tout vendu — tout vendu“.
Dann versuchte ich ihre Gedanken auf die Erinnerung an bedeutende
Männer zu lenken, die Zeitgenossen und Mitberufene des Capitaine
Loche waren: ich nannte ihr den Engländer Canon Tristram,
Alexander von Homeyer und andere. Deutlich merkte ich, dass
sie bei den Namen verweilte, gleich als müsste ihr der Klang
derselben die Erinnerung an deren Träger wecken, — allein,
der Geist vermochte nicht mehr zu folgen und selbst nicht die
Umrisse einer an sie gestellten Frage zu erfassen. Gewaltigen
Eindruck hatte auf mich in diesem Momente die Vergänglichkeit
des Menschen gemacht, ernst gestimmt und bewegt in meinem
Innern reichteich dem Mütterchen meineRechte mitdem Bewusstsein,
dieser jetzt verwelkten Hülle, — einer einst gewiss ansehnlichen
und bedeutenden Dame, — zum ersten und letzten Male in’s Auge
geschaut zu haben. Dennoch kehrte ich voll befriedigt ins Hôtel
zurück : Hatte ich doch die letzte lebende Zeugin einer vergangenen
Zeit sprechen gehört, welche durch Loche’s Wirken Algerien zum
Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung und Thätigkeit machte,
und der die ganze gebildete Welt Achtung und Ehrerbietung zollen
wird, so lange sie athmet und pulsirt, Leben und Wärme hat.1)
*) Eine sehr hQbsche Schilderung über den gewonnenen Eindruck
der damals noch vorhandenen Sammlung der „Exposition permanente des
produits de l’Algérie“ gibt Kob e l t in seinem mustergültigen Werk:
Beiseerinnerungen aus Algerien und Tunis, Frankfurt a./M. 1885,