
Yu-Hua“ . Dieser Titel prägt sich indessen dem Gedächtniss rascher ein, wenn man sich vor
Augen hält, dass die Wörter nichts anderes repräsentiren als ein Summärium der hergebrachten
Titel des Königs. So z. B. bedeutet „tschau“ Fürst, „somdetsch“ mächtig, hochmögend, „para-
mindr“ hervorragend, preiswürdig, „tschulalongkorn“ kleines Diadem, im Gegensatz zu dem verstorbenen
König, dem Vater des jetzt regierenden, der die Ehrenbenennung trug „Maha. Mongkut“
grosse Krone u. s. w. Der siamesische Titel „pra“ oder „phra“ , Gottheit oder hoher Herr, stammt
vom altindischen „prabhu“ (Herrscher) und entspricht dem ägyptischen Worte „Pharaon“ . Zuweilen
wendet man diesen Ausdruck in der Anrede an buddhistische Priester an, wie man auch im
mongolisch-tibetanischen Norden diese hergebrachtermaassen mit Lama titulirt. Der Brauch, der
im ganzen mystisch angehauchten Orient gilt, den Landesherrn nur durch eine Menge von
Beiwörtern rühmend zu erheben, ohne seinen Namen der Oeffentlichkeit zu enthüllen, theils da
der letztere zu hoch und heilig ist, um in den Sprachgebrauch des grossen Haufens überzugehen,
theils aber auch, weil er damit zum Object feindlicher Zaubereien, zum Gegenstand arglistiger
Nachstellungen werden könnte, dieser Brauch herrscht auch am Menam.
Der König ist ein Vierziger, mittlern Wuchses, wohlgestaltet und stattlich. Seihe äussere
Erscheinung zeigt nichts derb Turanisches, er hat augenscheinlich physisch nichts gemein mit dem
Mongolo-Malaienthum, sondern gemahnt im Gegentheil eher an den Typus eines echten Südeuropäers
mit einer ausserordentlich wohlklingenden Stimme und leuchtenden Blicken.
Seine Majestät begrüsst hocherfreut den ersehnten kaiserlichen Gast und macht :die •
erlauchten Reisenden mit seiner zahlreichen Familie bekannt. Der König hat entschieden eine
entfernte Aebnlichkeit mit dem unglücklichen König Ludwig II. von Bayern.
Der Weg vom Strome bis zum Centralpalast „Tschakra-Kri“ ist mit hellen Matten von
den Philippinen belegt Er zieht sich mit seinen zur Hälfte in ein Zeltdach verwandelten Gässchen
zwischen Palastanlagen und Tempelmauern hin, in welchen stramme. 'Soldaten Aufstellung
genommen haben. An den Helmen der Infanterie glänzt Vergoldung. Das Schuhwerk fehlt aber
den meisten. Die Uniformirung ist weiss mit blau.
Dem Zuge voran schreiten die Ceremonienmeister mit Stäben. Ueber dem Landesherrn
und Ihren Hoheiten wird nach uralter Landessitte ein Sonnenschirm von imponirenden Dimensionen
getragen. Schon in Indien hatten wir mehrfach Gelegenheit, von diesen geschichtlichen
Symbolen der Macht zu hören, aber recht eigentlich zu Gesicht kamen uns dieselben erst auf Java,,
nunmehr aber auch hier in dem uns eine Fülle eigenartiger Lebensformen enthüllenden, uns mit
seinem Zauberreiz in tiefster Seele bestrickenden Siam. Soweit ich übrigens nach der Reise-j.
literatur zu urtheilen vermag, spielte der Sonnenschirm überall und auch in den nördlichen Provinzen
von Indochina eine Rolle. Als z. B. im Jahre 1819 eine amerikanische Expedition an der
Küste von Cochinchina landete und die Erlaubniss zur Weiterfahrt nach Saigon abwartete, kamen
die armseligen halbwilden Strandbewohner mehr als einmal angefahren, um die Bekanntschaft der
Ausländer, zu machen. Bei dieser Gelegenheit that ihr Vorsteher, der sich seinen Untergebenen
gegenüber einfach als guter Kamerad benahm, nichtsdestoweniger auf dem fremden Schiffe keinen
Schritt ohne seinen Ehrenschirm. . Sogar in die Kajüte musste dies wichtige Symbol der Würde
mit hinuntersteigen. Nur religiöse Ehrfurcht vor dem Orte lässt seiner entbehren. So z. B. würde
in Birma selbst der höchste Staatswürdenträger, um sein Gebet zu verrichten, keinen Tempel
ausser mit dem von der Etikette erforderten Sonnenschirm über seinem Haupte umwandeln. Derselbe
erscheint bisweilen in symbolischer Beziehung dermaassen unentbehrlich, dass es einem Abendländer
seiner Weltauffassung gemäss im Anfang sogar schwierig ist, sich die innere Bedeutung eines
solchen Brauches zu vergegenwärtigen, der sich in manchen Fällen sogar auf einen unbeseelten"
Gegenstand beziehen kann. Zur Zeit des Empfangs der Gesandtschaft Ludwigs XIV. legten die
siamesischen Hofchargen die Briefe des Papstes und des Königs von Frankreich an den Monarchen
am Menam in -goldene Körbe, stellten (liefe auf kostbare. Bahren und trugen sie unter einem
KÖNIGLICHER PALAST IN BANGKOK.
mächtigen Ehrenschirm nach dem Palaste, während
das Militär Spalier bildete und die Musik spielte.
Anders, konnten die Vertreter einer Cu'.tur, die auf
Erden vor der Macht geistlicher un"d weltlicher Gewalthaber
den weitaus höchsten Sesgect hat, natürlich’
nicht handeln.
Vor uns liegt ein breiter, gut gepflasterter-Hof
mit riesigen Laternen, hässlich beschnittenen Bäumen
in Kübeln und mit dem prächtigen Giebel des Hauptpalastes,
nach welchem sich unser Zug bewegt. Der
Palast ist erst vor kurzem erbaut worden und hat unglaubliche
Summen gekostet, Mit seinem rothgrünen
Dache erinnert er an einen Tempel, mit seinen Marmormosaiktreppen
und den goldblinkenden Säulenreihen
der Façade weist er weit über Siam hinausiH- in die AUS DEM p a r k e d e s Königs.
Sphäre des voll pulsirenden abendländischen Lebens,
des occidentalen Geschmacks und der Fin de siécle-Architektur. Letzten Winter haben wir viel,
vielleicht sogar zu viel gesehen und recht vieles bewundert, aber ein so merkwürdiges^und doch
zugleich in seinen Umrissen so harmonisches Gebäude gesehen zu haben vermöchte ich mich
nicht zu erinnern. Die Verbindung leuchtender Steine und exotischer Farben, die mächtigen
/b-Orientreise, . II. - 46