
Der Abschied von Java heute Abend war reich an Effecten. Als das Geschwader die
Anker lichtete, erhob sich ein Gewitten Blendende Blitze durchzuckten die Dunkelheit, sodass
alles in der Runde wie in magischer Beleuchtung zu zittern begann. Die träumerische, unerträglich
heisse Luft begann zu erwachen. Vom Ocean her weht eine. belebende Kühle. Die gastfreundliche
Insel der Königin der Niederlande leuchtete zum letzten male vor uns in märchenhaften,
azurblauen Umrissen auf. Mächtig wogte die „Pamjat Asowa“ aufs hohe Meer hinaus.
BANGKOK.
"\/Vieder einmal einige Tage der Ruhe- und Erholung auf der Fregatte. Versuche, sich in
dem Geschauten und Durchlebten zurechtzufinden. Die Phantasie lockt mit ihrer Zauberkraft unwillkürlich
nach Siam, in jenes exotische Land, wo König Tschulalongkorn den russischen Thronerben
erwartet
Was ist Siam? -Märchenhafte Vorstellungen tauchen vor unserer Einbildung auf, wenn wir
an das halb unbekannte,./bis auf die letzte Zeit wenig erforschte Königreich denken, das, in
gewisserVjHinsicht noch ganz von alter Art, Selbständigkeit genug besitzt,, um mit der hereinbrechenden
fremden Cultur immer innigere Beziehungen anzuknüpfen. Dort liegt ein anheimelndes
Stück Asien, das, wenn es auch die Aufklärung aus dem Abendlande nicht verschmäht, gleichwol
den Kampf für das Recht seines Daseins kämpft. Auf dem Boden des verhältnissmässig beträchtlichen
Königreichs mit seinen 12-— 20 Millionen ausserordentlich gemischter Bevölkerung reiben
sich seit den ältesten Zeiten die Cultureinflüsse Indiens und Chinas aneinander. Aber vor und
neben diesen Einwirkungen aus der Fremde hat hier von Uranfang an die räthselhafte Civilisation
der Chmer geherrscht. Es ist bisjetzt unbekannt, auf welchen Wegen 'sie hier eingedru.ngen ist.
Dass sie dem Geiste der Arier entstammt, dafür zeugen Riesen denkmäler religiös-epischen Charakters,
die sich hier und im angrenzenden, einst mächtigen Kambodscha erhalten haben. Allerdings
ist deren geschichtliche und künstlerische Bedeutung noch mehr oder weniger unfassbar.
Strahlen des Ramayana und buddhistischer Legenden haben sich hier gegenseitig durchflochten
und geben uns im Stein noch einen Abglanz von der Geschichte eines hochsinnigen Kriegervolks.
Als eine Mischung mongolisch-tibetanischen und malaiischen Blutes, ein vollständiges Pendant zu
den sibirischen Lamaisten und den Japanern, sind diese meist kleingewachsenen, beweglichen
Indochinesen offenbar die seltsamen Nachkommen der räthselhaften Chmer. Sie erweisen sich als
das Endprodukt mannichfaltiger ethnographischer Uebereinanderlagerungen in einem Lande, wo
ein geschichtliches. Bewusstsein über die Vergangenheit und die Gegenwart kaum, existirt, eine
Zukunft aber sich erst auf den Trümmern der‘ jetzigen materiellen Welt aufbauen kann und erst
dann aufbauen wird, wenn die Asiaten aus ihrer Passivität heraustreten, sich entweder endgültig
die Oberherrschaft des Abendlandes gefallen lassen oder sich den aus ihrem Schlafe aufgerüttelten
Chinesen anschliessen. Das Beispiel vollzieht sich vor unsern Augen, angesichts des neuesten