
Kraterrand hinweg; unter sich spürt man überall gelbes, zerplatztes Gestein, einen stinkenden,
noch unabgekühlten Bodensatz von den letzten Ausbrüchen her. Es kocht und gärt im Innern
des Vulkans wie in einem Dampfkessel Man versteht den Aberglauben der Eingeborenen, die
sich dieses Wogen und Dröhnen durch das Zittern der armen Seelen erklären, die dort unten zu
ewiger Qual verdammt sind. Kein Wunder, wenn deshalb im indo-malaiischen Archipel das Volk
von jeher zum Herrn des Kraters als zu einem Geiste gebetet hat und auch heute noch betet.
Es wirft Blumen in den Schlund hinunter, und im Donnergekrach der unterirdischen Schläge erblickt
es Weissagungen der übernatürlichen Mächte Die kindliche Naturanschauung der Volksmasse
entzieht sich der Schilderung. Erst kürzlich noch ereignete es sich, dass jemand die Menge
glauben machte, auf dem Gipfel eines Vulkans hause ein unsichtbares göttliches Wesen. Tausende
von Arbeitern rotteten sich zusammen und hieben durch das Dickicht Fusswege bis zum Krater,
um dem Vulkanbewohner den Abstieg in die Thäler zu erleichtern: sonst könnte der gewaltige
Geist herniedersteigen, umleuchtet von Blitzen und unter dem Gebrüll eines unbändigen Orkans,
die Dörfer mit Lava überschwemmend, die Weiden mit Asche überschüttend! . . . Wieviel Poesie
schlummert doch in der Seele des Javaners in inniger Verbindung mit der Personification der
elementaren Naturmächte!
Der Papandayan zeichnete sich früher durch imposantere Grössenverhältnisse aus, im
August 1772 jedoch stieg aus demselben plötzlich eine strahlende Säule empor und die Hälfte des
Bergmassivs stürzte in sich zusammen.
Wir steigen wieder ab. Der Regen lässt etwas nach. Die dunkelgrünen Wiesen scheinen
wie von Gas beleuchtet, so unnatürlich ist ihre Färbung. Regenbogenstreifen blicken durch das
Dickicht des Gehölzes.
Im Dorfe, wo die Equipagen warten, s.uchen die Eingeborenen den Gästen die Zeit mit
einem Widderkampf zu vertreiben. Ausserdem umschweben uns auch hier unaufhörlich die Klänge
des Gamelang. Dieses ist gleichsam allgegenwärtig, als ob es sich hinter jedem Strauche heimlich
niedergelassen hätte, als ob die Hämmer eines einheimischen Orchesters an jeder Wegbiegung
ihre Melodien erschallen Hessen. Das Ohr gewöhnt sich an die unbestimmten Klangfarben dieser
Musik, in welcher sozusagen silberne Glöckchen der Harfe, Flöte und Geige secundiren, die Tamtams
aber die exotischen Weisen zur VöUendung bringen. Man träumt mit offenen Augen........
Mittwoch', 11 . März.
Ihre Hoheiten kehrten gestern nachmittags vom Papandayan zurück.
Der heutige Tag ist zur Jagd in den Umgebungen der Stadt bestimmt Anfänglich war
Hoffnung, zwei Tiger aufzutreiben; es wurde aber nichts daraus., Es gelang nur, einige graue
Eber, die hier hausen, zu erlegen. Die Javaner selbst jagen sie nicht, da sie'diese für die Muhammedaner
unreinen Thiere verabscheuen.
Donnerstag, 12. März.
Die Hauptstadt der Provinz, Bandong, hat sich zum festlichen Empfang der erlauchten
Reisenden gerüstet.
Die Equipagen biegen um den kolossalen Rennplatz, der hinter dem sich im Laubwerk
verbergenden Stadttheil der Eingeborenen liegt, und fahren an der neuen Moschee vorbei, auf
deren teppichbedeckten Stufen zu malerischen Gruppen vereinigt die "aus Mekka zurückgekehrten
Pilgrime (Hadschis) mit ihren weissen Turbanen stehen.
In Java üben diese Pilger einen grossen Einfluss auf das Volk aus. Bisher hat man im
Abendlande und besonders bei uns viel zu wenig Aufmerksamkeit auf das Studium der religiösen
Bande verwendet, die die Muhammedaner der ganzen modernen Welt mit dem schwer zugänglichen
Arabien verknüpfen. Dieses Land erweitert fortwährend die Sphäre seiner reHgiös-politischen
Wirksamkeit auf die Korangläubigen und die von diesen zu ihrem Glauben bekehrten
heidnischen Asiaten und Afrikaner. Die Frage ist so ernst, dass es sich wohl verlohnt, einiges
über die Rolle zu bemerken, die der Islam in den niederländisch-indischen Besitzungen spielt
Nach dem Vaterlande Muhammeds waüfahrten jährlich aus dem Ungeheuern Ländergebiet
vom Sudan bis China mindestens 100000 Seelen. Die Araber üben an den Ankömmlingen alle
möglichen Künste der Ausbeutung und Verführung. Manche Pilger siedeln sieh unter den Bewohnern
von Mekka an und bilden ganze Colonien. NatürHch strömen ihnen immer mehr
Landsleute zu. Rechtgläubige, die zu Hause jeder für sich ohne gegenseitigen, innern Zusammenhang
leben, treffen hier auf günstigem Boden zusammen, erhalten ihre Parole und vereinigen
sich in der Idee der Einheit der Völker, die der Fahne des Propheten folgen. Die Grundsätze
des ausgeprägtesten Islam entflammen die blinde Masse. Das rohfanatische Mekka, nicht
weniger Medina,’ locken und vereinigen die mit den Zuständen in den Ländern, wo Christen gebieten,
Unzufriedenen. Diese beiden Herde schicken überallhin Agenten, deren Aufgabe es ist,
Propaganda für den Islam zu machen und naive, Pilgrime in die heiligen Städte der muhamme-
danischen Geschichte zu locken. Die von hier Zurückkehrenden üben öfters einen sehr unerwünschten
Einflüss aus. Infolge der an jenen Stätten ausgeübten Thätigkeit von sechsundzwanzig
exaltiften Derwischorden unterliegen Tausende und Abertausende von Hadschis bei
dem Besuche von Arabien dem unabwendbaren Einflüsse dieser Mystiker, ihrer Lehrer, und
kehren in die Heimat als mit diesen durch unzerreissbare Bande vereinigte Mitglieder zurück.