
Der Unterschied in der socialen Lage tritt auf Java auffällig zu Tage. Die Eingeborenen
bilden eine selbstbestimmungslose, dem äussern Ansehen nach bis zum Sklaventhum erniedrigte
Masse, die Europäer dagegen erscheinen nach
der ihnen dargebrachten, fast abergläubischen
Verehrung“ wie Halbgötter. Die
indisch - niederländischen Behörden
vertheidigen diese Auffassung und
betrachten dieselbe als ein Unterpfand
für erfolgreiche Regierungs-
thätigkeit auf der Insel. Kennt
man erst' diese Maxime, so begreift
man auch andere mit ihr
verbundene Eigenthümlichkeiten.
Trotzdem der Haupttheil der
Bevölkerung einer und derselben
Rasse angehört, herrscht doch der
künstlich aufrecht erhalteng Brauch,
sich zweier Sprachen zu bedienen. Bei
dem dem asiatischem Charakter eigenthüm-
lichen kriechenden Wesen, sowie bei der patriarchalischen
Verwaltungsmethode wagte von jeher das gemeine
Volk mit den Adelsfamilien und den Vorgesetzten
nicht anders als in einer besondern Mundart zu reden, die
die untern Klassen nur im Verkehr mit den obern gebrauchen
dürfen und die die aristokratischen Kreise auch
unter sich selbst zu sprechen pflegen. Diese wieder bedienen
sich der Sprache der Masse im Verkehr mit ihren
Untergebenen. Die West-Javaner haben den Einfluss der
altindischen Cultur und des
Sanskrit viel später erfahren,
dagegen unterlagen
^sie viel früher als ihre östlichen
Stammesgenossen
der Einwirkung des Islam
und der denselben lehrenden
Araber. Die West-
Javaner unterscheiden sich
daher beträchtlich von den
Ost-Javanern, die ethnographisch
viel interessanter
sind, die wir aber nicht
besuchen werden.
Um ein Band zu beÄUFST1EG
'ZUM PAPANDAYAN. ' . . . . sitzen, das • sie mit den
Eingeborenen vereinigt,' haben die Holländer die malaiische Sprache eingeführt, die sehr harmonisch
klingt und leicht zu erlernen ist. Wer mit- den Europäern zu thun hat, ein eingeborener
adeliger Regent oder nur ein Diener, muss malaiisch verstehen. Holländisch zu können braucht
fast kein Eingeborener, ja die Weissen sehen es nicht einmal gern, wenn Eingeborene fähig sind,
die Gespräche der Herren des Landes zu verstehen. Der Gegensatz zwischefi dem Streben der
Engländer, den Asiaten mit allen möglichen Maassregeln Civilisation beizubringen, und dem holländischen
Widerwillen dagegen ist sehr interessant
Vom Dorfe Tjisouronpan aus begann die Besteigung des Berges.
Da ziehen sich noch die letzten Hütten der Eingeborenen hin: Bambuswände sind es
mit einem Dach aus fest zusammengewundenen Gräsern.
Schakalartige Hunde kläffen uns nach. Zahme Affen gucken' aus Ställen hervor, wo man
sie hält, damit sie das gefrässige Hausgeflügel verscheuchen. Allerlei Singvögel, für die die
malaiische Rasse überhaupt eine grosse Leidenschaft hat, trillern aus ihren Käfigen über den Eingängen
armseliger Wohnungen.
Der Weg wird steiler, er verwandelt sich in einen Saumpfad. Ab und zu biegt er in das
Dickicht des Hochwaldes ab und verliert sich im finstern Urwald.
Fürstenmild, versenkt in seine Träume,
Giesst der Wald den Schatten weit umher,
Und die goldumsäumten Riesenbäume
Halten Wacht am dunkeln Abgrundsmeer.
In dem uns umfangenden heissen Waldesdickicht scheint alles erstorben, verstummt, in
räthselvolle Geheimnisse zurückgezogen. Die Baumriesen, die sich in Lianen verstrickt, die U n g e heuern
Baumstümpfe, die sich in einen Schmuck von wundervollen Moosen geworfen haben, die
im Zickzackfluge umherhuschenden herrlichen Falter, die in einem Gemisch von Metallblau, Purpur,
Atlasgelb und Schwarz prangen, die goldbefiederten Vögel, die wie Feuerfunken unter dem
mächtigen Laubdach hin- und herschwirren, die kaum hörbar girrenden Tauben hoch über unserji
Häuptern: welch eine Verbindung von paradiesischer Wonne aus den ersten Tagen der Weltschöpfung
mit morschem Alter und Abgelebtheit! Die Tropennatur ist zugleich verlockend und abschreckend.
Je steiler unser Pfad hinansteigt, um so mächtiger ist der Eindruck. Zu beiden Seiten des
Weges zum Krater des Papandayan steht Buschwerk,, das den Abgrund verdeckt, in welchem tief
unten das Wasser rauscht; Sturzbäche rollen brausend zu Thal. In der Nähe des Gipfels verändert
die Vegetation ihren Charakter, erinnert immer mehr an die Flora des Nordens und verliert allmählich
ihre Buntheit
Das Walddickicht lichtet sich allmählich und wird immer spärlicher, als ob es in die ärmliche
Vegetation einer sibirischen Tundra ausarte. Das inzwischen eingetretene Regenwetter gibt
den unfruchtbaren, blumenlosen Abstürzen noch die entsprechende Färbung. Unter strömendem
Regen gelangen wir endlich auf den in graue Dampfwolken gehüllten Gipfel. In einer grossen
improvisirten Laube, die dem Sturm und Unwetter theilweise offen steht, wird ein Frühstück servirt
und wir trinken auf unsers Kaisers Gesundheit.
Bald darauf schreiten Ihre Hoheiten zu einer flüchtigen Ueberschau des Kraterumfangs.
Minutenlang spürt man nicht allein convulsivische'Schwankungen des. Bodens, sondern auch
den Zorn des im Innern eingeschlossenen Feuers, den Athem des Höllenpfühls. Wolken übelriechender,
heisser Dämpfe stehen trichterförmig über der Oeffnung des Papandayan, als ob sie
nur darauf warteten, dass ein erfrischender Luftstrom sie in wogende Bewegung versetze. Ge-
rathen erst die Ballen des erstickenden beissenden Rauches in Wallung, dann legt sich der
Schwefelgeruch mit unerträglicher Wucht auf die Lungen. Mit thränenden Augen tritt man vom
- Orientreise. II. 4°