
haben vermochte. Der mittelalterliche Wayang, begleitet von zarten Gamelang-Melodie.n, entzückt
noch wie einst die treuherzigen Eingeborenen. Einst verfügten die Fürsten über kolossale Mittel
und einen ganzen Stab von Schauspielern. Da war es noch möglich, grosse, schwer aufzuführende
Stücke zu geben. Heutzutage aber hat sich mehr und mehr der Brauch eingebürgert, die Schauspieler
durch Marionetten von höchst seltsamer, fratzenhafter Figur zu ersetzen. Sie werden von
einem hinter ihnen stehenden Impresario, dem sogenannten „Dalang“ , bewegt Die Leiter eines
solchen fast. kindischen Theaters und Personals, richtiger eines, solchen einzigen Personals, sind
im Stande, die enthusiasmirte Menge stundenlang zu fesseln, da das Volk gern ganze Nächte
hindurch dasitzt, sich den Reizen des Gamelang hingibt und der Betrachtung des phantastischen
Puppendramas widmet. Nur an wenigen Orten haben sich noch wirkliche lebendige Schauspieler
erhalten, die zeitweise, über die Festtage, vor den Zuschauern mit dem altüberlieferten Schritt auf-
treten, in den Costümen der alten Zeit und wundersamen Masken von archaistischem Typus. Ihre
Gesichtszüge sollen den Beweis führen, dass die Schauspieler nach ihrem ganzen Auftreten nicht
Eingeborene, sondern eher Einwanderer (wahrscheinlich Hindus) darstellen sollen....
Kein Wort kommt über ihre Lippen. Der hinter dem Orchester (gleichsam hinter den
Coulissen) sitzende Dalang spricht die Rolle der. auf der Bühne auftretenden Schauspieler, setzt
den Anwesenden umständlich den Grund ihres Auftretens und ihre Handlung auseinander. Inzwischen
gibt die Musik die Begleitung dazu und zerfliesst in süsse Wehmuth. Vor dem geistigen
Auge des Javaners schweben in solchen Augenblicken reiche Gemälde der Vergangenheit vorüber,
die glanzvolle Sagenwelt ersteht vor der Einbildungskraft der Zuhörer.
In dem prächtigen Saale des Buitenzorger Palastes^ ist eine auserlesene europäische Gesellschaft
versammelt. Das Eingeborenen-Orchester hockt wenige Schritte entfernt von den erlauchten
Reisenden auf dem Boden. Es besteht aus Trommeln, Tamburinen, Gongs und Geigen, ferner
aus einer genial ausgedachten Combination von Bambusstäben und Tellern verschiedener Grösse, die
mit Hämmern geschlagen werden. Durch die offene Thür huschen jeden Augenblick seltsame Gestalten:
bald grosse, bald kleine, wahre Zwerge, die einen greulich, die ändern lieblich anzuschauen. Sie
alle schreiten gemessenen Schritts, unter Geberdenspiel, an den Musikanten vorüber und nehmen eine
Reihe von Sitzplätzen uns gegenüber ein. Ein Theil der Schauspieler und Schauspielerinnen lässt
sich einfach auf den Boden nieder, zu Füssen der handelnden Hauptpersonen. Die Libretti, die man uns
reicht — nette, eigens für den heutigen Abend gedruckte Büchlein —, geben oder, was der Wahrheit
entsprechender ist, sollten uns wol den Schlüssel zu all dem geben, was vor unsern Augen vorgeht
Die Fabel ist einfältig. Der ziemlich eintönige Gamelang sowie die Leichenhaftigkeit der
Masken, die ihre Rolle stumm spielen (nicht umsonst bezeichnet „wayang“ Eigentlich Schatten,
Silhouetten), machen anfänglich einen befremdenden Eindruck; erst nach und nach verliert er
sich und lässt eine günstigere Meinung auf kommen. Vor allem fällt die Verunstaltung indischer
Wörter und Namen auf, sodann die Abwesenheit jeder Schürzung. und Lösung des Knotens
irgendeiner wahrnehmbaren Handlung. Die Ideenlosigkeit geht so weit, dass ich fast geneigt bin,
sie der Unbekanntschaft; der das Schauspiel deuten wollenden Europäer mit dem Geiste der nur
nebelhaft vör unsern Augen verkörperten Epoche zuzuschreiben.
Es ist die Rede von der bevorstehenden Hochzeit eines Fürsten mit der Fürstentochter Dewi
Siti Sundari. Die Neider und Feinde sinnen darauf, ihn zu tödten, und bringen ihr Vorhaben zur
Ausführung. Allein der Affenkönig Anneman (der Hanuman des drawidisch-arischen Epos) erweckt
den Umgebrachten auf wunderbare Weise vom Tode. Die Schuldigen werden entdeckt und zum
Tode verurtheilt; dies geschieht der Sitte gemäss unter dem Baume „Waringin“ , der sogar in den
Saal gebracht wird. Ein Vater ist als Maharadscha genöthigt, das Todesurtheil an seinem eigenen
Sohne als dem Mörder zu völlstrecken. VULKAN PAPANDAYAN.