
Die Holländer grübeln nicht viel darüber, ob man Schwarz Weiss nennen soll. Sie sind
nicht zu dem Zwecke hergekommen, den Wohlthäter zu spielen, sondern sich zu bereichern:
vorsichtig, maassvoll und nicht mit der Absicht, noch so nebenbei Culturpolitik zu treiben. Die
Weissen sind hier consequent in allem, was sie unternehmen. Die Ureinwohner, die sich unter
einer väterlich verständigen Vormundschaft befinden und niemals drückende materielle Noth leiden,
werden, alter Sitte gemäss, in eiserner Disciplin erzogen. Die Achtung vor den Herren des Landes
— von den untersten Beamten an — ist hier zu einer Art von Cultus erhoben. In den Städten
macht sich dieses Verhältniss nicht so bemerkbar, tritt aber, wie man uns erzählte, sehr schroff
hervor, sobald man nur ein wenig von dem europäisirten Batavia landeinwärts fährt.
Als die holländische Regierung die Ausbeutung der südäquatorialen Colonien aus den
Händen ihrer Ostindischen Compagnie übernahm, war das erste, was den Administratoren auffiel,
die grosse Apathie der Eingeborenen. Das glückliche Klima, der Ueberfluss an Bodenproducten
haben den Menschen gleichsam der Nothwendigkeit enthoben, selbst thätig zu sein, während die
Arbeit ihm doch gerade hier den grössten Gewinn brächte. Angesichts der leichten Lenkbarkeit des
Volkes, das blindlings die Befehle jeder Obrigkeit erfüllt, die eine Verkörperung der Macht und
Gewalt zu sein scheint, nahm der im Jahre 1830 zum Generalgouverneur ernannte Van den Bosch
energisch die Ausführung seiner Ideen in die Hand. Er wollte aus dem Lande, das in Glück
und Segen schwimmt, aber noch keine grossen Erträge gebracht hatte, wie man sfe mit Recht
hätte erwarten dürfen, den grössten Nutzen ziehen. Zu diesem Zwecke beschloss die Behörde,
Privatleute zur Anlage von Plantagen anzuregen.'MUm die Zuckerpröduction zu heben, stattete
man die Pflanzer zunächst mit Betriebskapital aus und sicherte ihnen gleichzeitig für den Anfang
eine sorgenfreie Existenz. Dazu versah man sie mit bessern Maschinen aus Europa, versprach
ihnen javanische Arbeiter, die ohne Entschädigung zu arbeiten hatten, ferner das Recht, die Wälder
und Kronländereien umsonst zu benutzen. Es sollte auf die einheimische Bevölkerung als Anreiz
wirken, auch ihrerseits Zuckerrohr anzubauen.
Beamte berechneten die' Grösse des Landantheils, dessen jedes Dorf zum Reisbau bedurfte,
auf dem übrigen Lande mussten Plantagen angelegt werden. Die Javaner begriffen sehr bald, dass
sich auf diesem Wege ihre Arbeit in der That weitaus besser lohne, zumal die Regierung bereit
war, manche Producte in grossen Mengen anzukaufen. Bald hatten es die Holländer dahin gebracht,
allein vom Zucker riesigen Gewinn zu erzielen. Natürlich verlegten sie sich alsbald auch
auf den Anbau von Indigo, Pfeffer, Taback, Kaffee, Zimmt, Vanille, Cacao und der Chinarinde.
Die Anpflanzungen der Bauern überwacht ein besonderes Inspectorat. Die Ernte wird den Behörden
in eigene Packhäuser abgeliefert.
Alles ginge ausgezeichnet, wenn es keine Concurrenz gäbe. Die riichtholländischen
Colonien drücken aber nicht selten auf die Preise, was natürlich die indisch-niederländischen
Finanzen empfindlich beeinflusst
Die Einnahmen Javas belaufen sich auf über 200 Millionen Mark, die Ausgaben übersteigen^
jedoch diese Summe. Die neuen Schienenwege, besonders aber der unfruchtbare Krieg mit Atschin
verschlingen viel zu viel Geld; während eines einzigen Jahrzehnts (1874—84) kam der Krieg
auf eine halbe Milliarde zu stehen. In Europa hat niemand eine Ahnung, welche Opfer dem
kleinen Königreich der halbnominelle Besitz von Sumatra bisher auferlegt hat
England hat im Jahre 1872 durch Vertrag seinem verhassten Rivalen Holland den indo-
malaiischeri Archipel abgetreten, unter der Bedingung, dass jenes ihm auf der Halbinsel Malakka
freie Hand lasse. Denn dort ist den Gründern Singapurs jede Nachbarschaft unangenehm. So
fiel der niederländischen Regierung die Aufgabe zu, sich mit der Pacification derjenigen Provinzen
zu befassen, deren tapfere Bevölkerung nicht geneigt war, das Protectorat der Weissen anzuerkennen.
Letzteres ist noch bis zur Stunde besonders im Sultanat Atschin der Fall, dessen kampfbegierige
fanatische Bewohner viel arabisches Blut- haben. Die Engländer verschärfen nach ihrer Art den nicht
gleichen, aber sehr hartnäckigen Kampf der Eingeborenen mit den Holländern, versehen die Meuterer
trotz der Blokade der Küste mit ausgezeichneten Feuerwaffen und blicken mit Wohlgefallen auf
die resultatlose Erschöpfung riesiger Mittel seitens der niederländisch-indischen Regierung.
Angesichts der Unmöglichkeit, den Widerstand der Eingeborenen auf die Dauer zu brechen,
haben die Holländer es stets vermieden, dieselben rücksichtslos niederzuwerfen. Unter anderm
begnügten sie sich, solange sie über Ceylon herrschten, mit der Occupation wichtiger Küstenpunkte
und Hessen sich ' sogar nie dazu verlocken, Kandi endgültig zu bezwingen. Gerade
deshalb sind auch Schlachten mit den Atschinesen nicht nach dem Sinne der Colonisatoren von
Java, und wenn ihnen nicht die Sorge um die Aufrechterhaltung ihres Prestige den bittern Zwang
zu energischem Auftreten auferlegte, würden sie sicherlich schon längst die Feindseligkeiten gegen
den nördüchen Theil von Sumatra eingestellt haben, trotzdem mehrere angesehene Generale (z. B.
Van der Heyden, von, Geburt ein Mestize) auf der völligen, erbarmungslosen Vernichtung der
Feinde bestehen.
Auch schon an und für sich verdient Sumatra von Seite der Europäer alle Beachtung
als eine Quelle unermesshcher Reichthümer. Das Land besitzt viel Gold, Kupfer, Eisen, Naphtha,
Schwefel und Steinkohle. Die Holländer exportiren von hier massenhaft schwarzen Pfeffer,
Mais, Sago, Kaffee, Kampher, Baumwolle, Taback, Kokosnüsse und Früchte aller Art Wenn
einmal der Archipel vollständig pacificirt und eine vernünftige Ausbeutung und Nutzbarmachung
seiner Hülfsquellen angebahnt, sein wird, lässt sich gar nicht Voraussagen, welchen Gewinn er
der niederländischen Regierung bringen wird. Nach Maassgabe des Verständnisses, das die Administratoren
im einträchtigen Verkehr mit den Eingeborenen entfalten, werden sie1 — falls nur
keine politische Gefahr vom Westen her droht | | j noch lange im Stande sein, sich als die Herren
ihrer blühenden Colonien zu behaupten. * Der Nordländer kann sich ruhig auf das eingeborene Volk
verlassen. Der ritterUche Geist geht entschieden dem Charakter der aufbrausenden und rachsüchtigen,
aber im Grunde hochherzigen malaiischen Rasse nicht ab. An Beispielen dafür mangelt es nicht
Als die Holländer Kolombo verloren, verhielt sich beinahe die ganze, aus europäischen Söldnern
bestehende Armee den Erfolgen der Engländer gegenüber ziemhch passiv. Nur die Soldaten
javanischer Abkunft leisteten hartnäckigen Widerstand. Im Dienste Grossbritanniens geriethen später
mit ihnen rassenverwandte Sipahis von der Halbinsel Malakka und von den Inseln des benachbarten
Archipels in die Gefangenschaft des Königs von Kandi, an dessen Hofe viele Stammesbrüder
als Leibwache in hohem Solde standen. Als man den Gefangenen denselben Lohn anbot, wenn
sie einem neuen Gebieter den Eid der Treue leisten würden, lehnten sie es ab, wiewol sie
wussten, dass auf der Ablehnung die Todesstrafe stand. Der aufgebrachte Monarch gab den
Malaien zwei Monate Bedenkzeit und ertheilte alsdann Befehl, sie hinzurichten. Und doch wussten
sie, die den Weissen die Treue bewahren wollten, dass sogar die Beerdigung ihrer Leichname
verboten werden würde!
Die Hülfsquellen der indisch-niederländischen Regierung sind kolossal. Sie hat noch nicht
an den tausendsten Theil alles dessen Hand gelegt, was im 20. Jahrhundert ■ in Bearbeitung genommen
werden kann. Allein schon der Boden birgt unberechenbare Schätze in seinem noch
unerschlossenen Innern. Man klagt bei uns häufig über die langsame Ausnutzung des Bodenreichthums
Sibiriens. Hier indessen, wo doch die abendländische Technik den Beamten zu jeder
Zeit zur Verfügung steht, lässt sich ein noch weit geringeres Maass von Hast und Routine beobachten
als z. B. in manchem unserer von der CiviUsation fast völHg abgeschnittenen und dennoch
Orientreise. II. -37