
beendigen. Den Tag über ist eine längere Siesta unumgänglich. Am Abend wirkt ein Spaziergang
sehr erfrischend.
Artesische Brunnen in den verschiedenen Stadtvierteln bilden ein Gegengewicht gegen das
miasmatische Wasser der Flussniederungen. Gegenwärtig ist die Gefahr, infolge gesundheitswidriger
Zustände zu erkranken, auf der Insel thatsächlich geringer als in Europa und Amerika.
Die Eingeborenen kennen eine ziemliche Anzahl von Heilmitteln gegen die Malaria.
In der langen Reihe holländischer Generalgouverneure von Java nimmt den ersten Rang
ein der General Daendels, der zu Anfang dieses Jahrhunderts regiert hat Er entfaltete eine
so grosse Energie, die Insel wenigstens äusserlich mit der abendländischen Civilisation in engem
Contact zu bringen, und trat gegen die Eingeborenen zugleich so imponirend als der unbeugsame
Vollstrecker der einmal gefassten Beschlüsse auf, dass er bei der Bevölkerung noch heutzutage,
nach achtzig Jahren, als sagenhafte Persönlichkeit fortlebt und schon die Erzählungen über ihn den
naiven Zuhörern Schrecken einjagen. Es geht von ihm sogar die Sage, es habe für ihn nichts
Unmögliches gegeben. Ein starrsinniger Sultan, der sich gezwungen fühlte, mit der niederländischen
Regierung einen Vertrag abzuschliessen, suchte die Ausführung unter allerlei Vorwänden zu verzögern.
Er umgab sich mit einer Schar getreuer Leibwächter, warf sich in sein festes Schloss
und bildete sich ein, der Marschall sei nicht im Stande, sofort etwas gegen ihn zu unternehmen.
Daendels jedoch, der ausfindig gemacht hatte, dass ein geheimer Gang in die Burg führe, be-'
schloss, sich dieses zu Nutze zu machen, obschon die Eingeborenen in dichten Scharen die Residenz
ihres Gebieters umringten. Der Marschall begab sich geradeswegs mit wenigen Soldaten
unter die Volksmenge, die bestürzt vor ihm auseinanderwich, drang alsdann in die unterirdischen
Gänge und erschien plötzlich im Thronsaal des Sultans, der schon angefangen hatte zu frohlocken,
dass der mächtige Generalgouverneur ihn nicht erreichen werde. Da niemand sich dieses Auftretens
und der urplötzlichen Erscheinung des Marschalls in der Festung versehen hatte, wurden alle von
jähem Schrecken erfasst. Daendels aber zwang den Fürsten, sich mit ihm sofort ins holländische
Lager zu begeben. Des Fürsten Musikanten mussten unter klingendem Spiel vorausmarschiren,
unmittelbar dahinter schritt der Marschall mit seinem Gefangenen. Eine Hand voll Weisser schlug mit
ihrem moralischen Uebergewicljt jede Hoffnung auf den Erfolg irgendwelchen Widerstandes nieder!
Daendels, dem Java einen beträchtlichen Theil seiner vortrefflichen Strassen verdankt, hat
auch besonders viel für Batavia gethan. Vor. allem verlegte er dessen wichtigste Punkte vom
Meere weg landeinwärts, trüg die überflüssigen Festungswälle ab, lichtete das zwischen den einzelnen
Stadttheilen üppig wuchernde Dschungel, in welchem wilde Thiere und Räuber hausten. Die
ersten Batavier hatten ein Holland en miniature schaffen wollen, mit mehrstöckigen Häusern und
einem Kanalnetz wie in der Metropole; sie hatten ihre Heimat auf exotischen Boden verpflanzen
wollen. Diese hatte sich aber in den Rahmen dieses Tropenlebens nicht einflechten lassen,
wiewol vielev sich dort lange mit der Illusion trösteten, jenseits des Aequators ein zweites Vaterland
zu besitzen. Als Ludwig XIV. die Unabhängigkeit der Niederlande bedrohte, träumten etliche
muthige Bürger sogar davon, mit dem ganzen Volk nach Java überzusiedeln, nur um nicht dem
König von Frankreich sich unterwerfen zu müssen.
Das prachtvolle Weltevreden mit seinen Landhauspalästen ist hauptsächlich über die „Königswiese“
hin vertheilt, eine Ebene, die gegen vier Quadratkilometer Flächeninhalt hat Sie ist mit
Tamarindenbäumen besetzt und mit Gras bewachsen, nicht schön, aber zweckmässig bei der
gesundheitsgefährlichen Nähe des Eingeborenenviertels. Die einzigen interessanten Gebäude, die an
diese grosse Fläche grenzen, sind die Residenz des Gouverneurs und ein Stadtmuseum mit einem
dem in Singapur ähnlichen Standbild eines Elefanten, der auf einem Piedestal steht und zu Ehren
des Besuches errichtet wurde, den der junge Beherrscher von Siam 18 7 1 Java abgestattet hat.
Zur Abendzeit wimmelt es hier von Equipagen, die Corso fahren, sowie von Spaziergängern
aus der höhern Gesellschaft Batavias.
Batavia besitzt noch die
„Waterloo-Plein“ mit dem majestätischen
Rathhaus und der Statue des
im 17. Jahrh. berühmten Generalgouverneurs
Koen. Höchst seltsam
nehmen sich unsere malaiischen
Kutscher in ihren Livreen und tressenverzierten
Cylindern aus, unter
denen die purpurrothen Zipfel der
volksthümlichen Kopf bin de her-
vörgucken.
Nach dem Galadiner bei General
Pynacker Hordyk besuchen
die erlauchten Reisenden das Theater,
wo die Operette „Dornröschen^]
gegeben wird. Das Stück wird englisch
gespielt. Hier muss bemerkt
werden, dass in den indisch-niederländischen
Colonien die Regierung
selbst grössere Sprachkenntnisse
begünstigt. Beamte ufid Offiziere
sprechen deutsch und französisch.
Allerdings ist auch die Zahl der
Fremden, die im königlichen Dienst
Verwendung finden, gross. Aus
Deutschland wird eine Masse Solfej
daten angeworben, man lässt sie
aber nicht avanciren.
Die Miethsoldaten bekommen
scheinbar einen ziemlich hohen
Sold. Ein gemeiner Soldat bezieht
ungefähr zwei Mark täglich. Da
übrigens alles, was eingeführt wird und oft unumgänglich nöthig ist, theuer ist, so erlaubt diese Löhnung
selten, Ersparnisse zu machen. ______________
Den ganzen heutigen Tag, der so überreich an Wahrnehmungen und Eindrücken war,
beschäftigte mich mehrmals die Frage, warum man hier auf Schritt und Tritt der Avantgarde des
Himmlischen Reiches begegnet, und was man von dieser friedlichen Invasion zu erwarten hat.
In den indisch - niederländischen Colonien zählen gegenwärtig die Chinesen eine halbe
Million. Jahrhunderte hindurch haben sie sich auf Java so acclimatisirt, dass sie die Insel als
Orientreise. II. 3^