
Landes verfügte im Mittelalter über unverhältnissmässig mehr Kunst und Energie in der Erbauung
z. B. der majestätischen «Tempelstadt» (Borobudur) im Innern der Insel als die Aegypter in der
Errichtung der Pyramiden.“
Als in der Folgezeit der Islam seinerseits unter der malaiischen Rasse Wurzel fasste
und das Heidenthum mehr und mehr verdrängte, vergriff sich doch niemand an den Denkmälern
eines dahingegangenen Götterdienstes. Das Volk war von abergläubischer Furcht und heiligem
Grauen vor ihnen befangen und fuhr noch eine Zeit lang fort, den der Zerstörung anheimgegebenen
Tempelbildern, als wären es übernatürliche Wesen, fast göttliche Verehrung darzubringen.
Es sind bisher nirgends Baudenkmäler aufgefunden worden, die an überwältigender
Grösse des architektonischen Gedankens sowie an Vollendung seiner Ausführung diesen Baukolossen
gleichkämen. Die Holländer haben schon im vergangenen Jahrhundert zufälligerweise
eine Anzahl solcher merkwürdiger Ruinen freigelegt, doch diese allzu realistisch gestimmten Coloni-
satoren hatten für die Wichtigkeit des Studiums solcher Denkmäler keinen Sinn. Ein Archäologe
hätte stets da sein sollen, um den in Vergessenheit gerathenen, erhabenen Steinwerken einer fremden
Civilisätion, einer verschollenen Culturwelt den Zauberreiz, der ihnen nicht abgestritten werden
kann, zurückzugeben. Der englische Gouverneur Raffles, der nur kurze Zelt Java verwaltete, ist
sozusagen der erste gewesen, der sich mit der Erforschung der Reste des Hinduthums in diesen
Gegenden methodisch beschäftigt hat. Die niederländische Regierung rüstete erst 1845 Ä i
Expedition aus, um die grandiosen Ruinen von Borobudur in ihrer ganzen Ausdehnung
aufzunehmen und künstlerisch zu beschreiben. Seit dieser Zeit nimmt die'' wissenschaftliche
Aufhellung und Erklärung dieser Denkmäler ununterbrochen ihren Fortgang und lässt den
Occident erkennen, wie gross der Orient in Religionsschöpfungen dasteht. Die Götterbilder und
besonders die Basreliefs von buddhistischem Typus setzen durch nichts mehr in Erstaunen als
dadurch, dass die Götter und Symbole jener dahingeschwundenen Periode Javas öfters vollständig
mit denen übereinstimmen, die noch heute im Himalaja und im Norden desselben, bei den
Lamaisten Tibets, der Mongolei und in den Grenzmarken Russlands verehrt werden........
Ich selbst empfand die höchste Verwunderung, als ich eines Tages das Museum für Völkerkunde
in Berlin besuchte und einen javanischen Buddha erblickte, der Pünkt für Punkt einem
glich, den ich bei den Burjaten in Transbaikalien immer traf. Das die beiden Culturcentren verbindende
Mittelglied ist verloren gegangen. Die Formen der Buddhareligion im Norden Javas und
südlich von den tibetanischen Klöstern sind sichtlich nur eine allmähliche Vereinfachung des Cultus
verglichen mit den traditionellen Tempelheiligthümern und dem höchst verwickelten nordbuddhistischen
Ritual Einstweilen bleibt es ein historisches Räthsel, wie es kommt, dass der menschliche
Glaube in den Hochgebirgen Nepals und in Borobudur identische Gegenstände der Verehrung schuf.
Offenbar waren Hinduprediger, die zugleich als Lehrer und Künstler wirkten, sowol hier als in
Hochasien von ein und denselben Vorstellungen im Geiste der Principien einer sozusagen vorhistorischen
Buddhareligion erfüllt
Die Verwandtschaft zwischen beiden erscheint mir nur auf Grund einer Hypothese
einigermaassen verständlich, die wol vielen mehr originell als stichhaltig Vorkommen mag. Das
Thierreich auf Java weist grössere Analogien mit der Fauna des Festlandes (Siam, Birma,
Indien, Himalaja) als mit der der umliegenden Inselwelt auf. Allerdings sind die Naturforscher
überzeugt, dass Java sich viel früher von Asien abgetrennt hat als z. B. Sumatra und Borneo.
Die noch heute in Tibet und der Mongolei lebendigen Formen des Buddhismus sind nach meinem
Dafürhalten weitaus ursprünglicher als die auf Ceylon, in. Hinterindien, China und Japan. Ihr
Ursprung verliert sich ins graueste Alterthum. Sie wanderten von einem Lande zum ändern. Später
vereinfachte sich die Religion Schakya-Muni’s in manchen Ländern sehr bezüglich ihrer äussern
Form. Ihre kanonische Reinheit vermochte sich vielleicht an den Cultusobjecten auf Java noch
ungebrochen zu erhalten, da man hier auf deren Uebereinstimmung mit denen Hochasiens absichtlich
Gewicht legte.
Heutzutage ist die Religion des weisen Fürstensohnes auf der .Smaragdinsel fast nur noch
unter den Chinesen verbreitet, die Javaner selbst bekennen sich zum Islam. Dieser flösst dem
Volke grössere Widerstandsfähigkeit und Antipathie wider die Andersgläubigen ein. Herrschte noch
wie einst die heidnische Weltanschauung, so wäre mit den Javanern bedeutend leichter auszukommen.
Doch die Stadt, an der wir entlang fahren, ist schon längst ruhig, und es ist nicht zu
befürchten, dass sie in unserm Jahrhundert einen Nana-Sahib hervorbringe, einen Typus, an
welchem z. B. Indien auch heute noch reich ist.
Batavias Vergangenheit ist im vorigen Jahrhundert durch eine'Episode romantisch-dramatischen
Charakters ausgezeichnet. Die Eingeborenen konnten sich lange nicht mit dem Gedanken
befreunden, dass die Europäer die Herren des Landes sein sollten. Vor allem ein Mestize,
Peter Elberfeld, der Sohn eines deutschen Abenteurers und einer Javanerin, nährte aus irgendeinem
Grunde einen besonders starken Hass gegen die Europäer.
Fünf ältere Brüder theilten die Ansichten des Vaters, der jüngste aber, huldigte von
Jugend auf einem eigenartigen Patriotismus. In dieser Stimmung verbrachte er viele Jahre seines
Lebens. Endlich erschien es diesem Vertreter einer Mischrasse an der Zeit, das verhasste Joch
abzuwerfen. Er zettelte eine weitverzweigte Verschwörung an, in die gegen dreissigtausend Eingeborene
verwickelt wurden, darunter auch einige javanische Fürsten. In grösst-er Verschwiegenheit
wurden alle Vorbereitungen zum Sturze der Fremdherrschaft getroffen. - Allen Weissen drohte der Tod.
Die Ausführung des Mordplanes misslang jedoch, dank einem Romeo und einer Julia
von Batavia.
Elberfeld hatte eine schöne Nichte Namens‘ Mida, die nach einheimischer Weise erzogen
war. Sie verliebte sich in einen holländischen Offizier, und die jungen Leute beschlossen, sich
zu heirathen. Da das Mädchen jedoch die unversöhnlichen Gefühle ihres Onkels gegen jeden Ausländer
kannte, wartete Mida eine Gelegenheit ab, sich ihm anzuvertrauen. Eines Tages kamen ihr
die nächtlichen Zusammenkünfte in ihrem Hause verdächtig vor. Sie verrieth ihrem Bräutigam
das Geheimniss des greisen Vormunds. Man ergriff die Rädelsführer und verurtheilte sie zum
Tode. Den schuldigen eingeborenen Fürsten hieb man zuerst die rechte Hand und dann den
Kopf ab. Elberfeld wurde an die Schweife von vier Pferden gebunden und in Stücke zerrissen.
Das Mädchen aber, dem man doch die Errettung verdankte, galt von da an den Europäern‘für
ein verworfenes Wesen, und man erlaubte dem Offizier nicht, es zu -heirathen.
Elberfeld wurde im Jahre 1722 hingerichtet. Noch heutzutage haben die Batavier dieses
Schreckensgericht nicht vergessen, und die Stätte, wo es vollzogen wurde, gilt jetzt noch für verflucht
. . . Die rauhe Unterdrückung des geplanten Aufstandes hat bei der Stadtbevölkerung wol
auf lange Zeit die Neigung zur Meuterei gegen die thatsächlichen Herren des Landes niedergeschlagen.
Ein Uhr nachmittags. Station „Weltevreden“ („Wohlzufrieden“ );,,, das aristokratischeste
Viertel Batavias.
Ganz Batavia hat sich in den Strassen versammelt, durch die der Zug sich bewegen soll
und wo die Garnison Spalier bildet.
Die Entfernung vom Bahnhof zum Palast des Residenten von Batavia ist nicht gross.
Glücklicherweise, denn die Hitze wird unerträglich. Und hier gilt dieser Monat noch für ver-
hältnissmässig kühl!