
SINGAPUR.
t j Montag, 2. März.
- £ j - eisser Morgen. Es giesst in Strömen. Salutschüsse verhallen in der von grauem
Nebel verhüllten Ferne: der erste Grass, den unser dem Grossfürsten-Thronfolger entgegen-
gekommenes Geschwader des Stillen Oceans an seiner Schwelle bringt
■ I U D B sind verflössen, seit wir die Sonnigen Ufer C e y lo k verlassen haben.
Wieder ist das Festland nahe Von neuem nimmt uns mit. seinem Zauber gefangen
Die „Pamjat Asowa“ und der „Wladimir Monomach“ passiren Vorgebirge und Inseln eine
tormenschöner^ die andere. Nun fahren sie durch c|e endlose, schmale Meerenge von Malakka.
Hinter der alles überwuchernden Vegetation werden von Zeit zu Zeit in bläulichem Umrissen die
Hohen der Halbinsel Malakka sichtbar, und eine ganz eigenartige Welt, Sumatra, .erö&et sich,
deren Hochplateaus in gelbem Schimmer erglänzen, Hs sind Spitzen irgendeiner vulkanischen’
nselgruppe wahrend tief unten die Korallen über den Abgründen des Meeres ihrer geheimmssvoUen
Bauarbeit leben. ! -i
V Ci Fussl?reit Landes hat hier vor nicht sehr langer Zeit den malaiischen Seeräubern als
rr i - i ge ’ Luatenbanden, die alle unvorsichtigen oder ängstlichen Seefahrer1 ä s tribufe
pflichtig betrachteten. Die verwegensten Söhne der einheimischen Fürsten stellten sich häufig des
Ruhmes wegen, an die Spitze der Banden, wenn es galt, Feldzüge zu unternehmen oder Kauffahrteischiffe
zu kapern. Die waghalsigen Wikinger der Tropen verstanden sich erst dann dazu
wenigstens theflweise Frieden zu halten, als die Europäer hier häufiger auftauchten,Ä diese im
Seeherrschaft vollends an sich rissen. Die Dampfechiffährt nahm den. räuberischen
Ruderflottillen die Möglichkeit, sich in benachbarte Buchten zu flüchten oder auf das4 *>he
Meer hinauszuwagen. Wenn die Seeräuber den Kampf mit der Civilisätion trotzdem fb r t s Ä n
H S B selnen darin> dass Kaufleute von Singapur an die Flusspiraten nur allzugern
ihr Pulver und ihre Waffen los wurden.
tv r ' Dll Hindus und Javaner kannten diese Gegend zweifellos schon seit alten Zeiten.
le Geschichte hat Sich jedoch erst ziemlich spät mit ihr beschäftigt Erst gegen Ende unsers
Mittelalters gelang es den halbwilden Malaien, die Ureinwohner zu verdrängen; es waren Menschen-
iresser der niedrigsten Stufe, Negritos der melanesischen Rasse.
Si n g a p u r : TOf
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Die Meerenge, durch die wir uns der Stadt nähern, gleicht einem sehr breiten Strome;
von Orkanen wird sie nicht heimgesucht. Die vortrefflichen Häfen, die auch für die Riesen der
Kriegsmarine geeignete Ankerplätze haben, machen dem Scharfblick der Engländer und ihrer sorgfältigen
Auswahl alle Ehre, besonders dass sie gerade hier, in miasmenerfüllten Dschungeln, am
Kreuzungspunkte des Seeverkehrs def verschiedenartigsten Völker ein Centrum angelegt haben.
Zwar hatten sich hier schon früher Fürstentümer gebildet, die nicht ohne politische Bedeutung waren,
sie vermochten sich aber nie lange zu behaupten.. Erst der Abendländer mit dem weiten Horizont
und der vernünftig geleiteten, bewunderungswürdigen Energie konnte hier dauerhaft Boden fassen.
Die Pioniere der Ostindischen Compagnie, die eine lbesondere Vorliebe für den äquatorialen
Orient hatte, wussten lange nicht recht, was am Südende der Halbinsel Malakka entstehen konnte.
England suchte damals dort nur einen Stützpunkt und war keineswegs entschlossen, sich hier mit
seiner Macht unwiderruflich festzusetzen. Erst der Verlust Javas zu Anfang unsers Jahrhunderts
war die Ursache, dass die Briten den verödeten Platz mit Trümmern der mittelalterlichen indo-javanischen
Stadt Singapur zur Basis neuer Colonisationsthätigkeit erkoren. Nach gewohnterWeise
hatte Albion plötzlich in den Zeiten Napoleons I. dem schwachen Feinde die grosse schöne Insel
Java entrissen, war aber durch die ändern Mächte veranlasst worden, sie der holländischen Regierung
zurückzugeben.
Die Anhöhen der auftauchenden Inseln bilden links und rechts " und fern im Hintergründe
eine ununterbrochene Linie.
Senkrecht schiesst die Sonne ihre Strahlen herab. Der Himmel glüht Der smaragdene
Saum des uns freundlich entgegenschimmernden Ufers scheint aus Bäumen zu bestehen, die sich
Von Kalkfelsen zur Meeresflut hinabneigen. Diese wird nach der Aufwallung spiegelglatt und' verliert
ihren bleiblassen Schimmer; hier und da erglänzt ’sie wie Silber. Da und dort ragen aus dem
Laube spitze Pfahlbauten der Eingeborenen hervor.
Weiche, zarte Lichter umschmeicheln uns. Die Tagesleuchte schaut nur zuweilen unver-’
mittelt auf die Wasserfläche hernieder: dann glüht und blitzt es darin auf, und Gold sprüht über
den durchsichtigen Abgrund. Die Erde glänzt zu jeder Jahreszeit in einem Prachtgewand. Und
doch- Rollen uns nach dem, was man uns erzählt, auf Java und in Siam noch viel üppigere Landschaften
erwarten!
In Singapur befindet sich der siamesische Kreuzer „Mongkut -Radschkumar“ , der beauftragt
ist, den Thronfolger zu begrüssen. Als wir noch in Ceylon waren, empfing Fürst Bar-
jatinskij von unserm hiesigen Consul die Nachricht, es circulirten unter den Engländern Gerüchte,
in Siam herrsche die Cholera und es sei vgefährlich, sich dorthin zu begeben. Die Reise des
Grossfürsten sollte daraufhin abgeändert werden. Es traf aber noch zur rechten Zeit durch die
siamesische Gesandtschaft in Berlin die Nachricht ein, dass die Epidemie einfach erlogen sei, um
Seine Kaiserliche Hoheit von Bangkok fernzuhalten.
König Tschulalongkorn beauftragte einen seiner Brüder, die Ankunft der „Pamjat Asowa“
in Singapur abzuwarten und dem erlauchten Reisenden das in englischer Sprache abgefasste Einladungsschreiben
zu übergeben, das folgendermaassen lautete:
Grösser Palast, Bangkok, 18. Februar 1891.
Ew. Kaiserliche Hoheit!
Bei der Ankunft Ew. Kaiserlichen Hoheit in Singapur werden Hochdieselben von Meinem
geliebten Bruder Krom-Mun-Damrong-Radschanuphab empfangen werden, den ich auf Meinem
Orientreise. II. '