
Trümmer seiner Statuen, manche unzerstörbar erhalten gebliebene Bilder des. „weisen
Fürstensohnes“ und der brahmaniscben Göttergestalten, verödete Klosterstädte mit architektonisch
wunderbaren Tempeln und Basreliefs von seltener Schönheit, — dies alles ist z. B. von der Oberfläche
Javas noch nicht verschwunden. Abseits der grössern Verkehrstrassen gelegen redet es in seiner
Erhabenheit eine überzeugende Sprache von dem ehemaligen Zauberglanze Hindostans und von'
dem . es einst beseelenden typischen Drang nach Osten. Aus ihm erklärt sich, dass sich im
Gebiete des französischen Indochina bis heute grossartige Ruinen von Götterpalästen und ein in
den Steinen verewigtes Pantheon erhalten haben.
Die Heroen des Epos, die phantastischen Ausgeburten des Volksglaubens, die abstracten Symbole
der Priesterschaft, jede Eigenthümlichkeit dieser vom Ganges stammenden Kunstblüte der Vorzeit
liegt dort, im verblühten Kambodscha, jetzt noch in vollem Gepräge vor, ausgeführt von der schöpferischen
Hand unbekannter Bildhauer und Baukünstler, deren Rathschlägen hochsinnige einheimische
Fürsten freigebig entgegenkamen. Die Bilder Buddhas wurden als wunderthätig aus dem Südwesten
in das Himmlische Reich eingeführt. Religion und Wissenschaft gelangten als glänzende,
die Brüderlichkeit der Völker befestigende Bindeglieder ebenfalls aus Indien dorthin. Nach allem
von mir schon Gesagten dürfte die mir von meinem Standpunkte aus erwünschte Aufhellung der
Südwestküsten des Stillen Oceans unter den milden Strahlen der indischen Vergangenheit geeignet
erscheinen, um diesen Markländern Ostasiens eine dem russischen Herzen noch sympathischere
Färbung zu verleihen. Vom Momente an, wo wir den Nachbarcontinent (Asien) als etwas uns Verwandtes
lieben und anerkennen, weil er uns geistig nahe steht und eine organische Einheit mit
uns bildet, muss sich unser Interesse eigentlich in gleichem Maasse auf den kleinsten Winkel
Asiens übertragen, wo ein religiös gesinnter Orientale in Arbeit und Busse die Antwort des
Herzens findet auf die für den Menschen brennendsten Fragen: weshalb leben wir, und wie entgehen
wir schliesslich dem Leiden?
Ausser Java und dem exotischen Siam heimeln uns die auf unserm Wege liegenden Länder
theilweise wie alte Bekannte an und machen auf uns keineswegs den Eindruck der Fremde. Von
Jugend auf sind wir gewohnt, auf China und Japan (und Saigon ist ja schliesslich nur ein Theil
des Reiches der Bogdychane) als auf etwas mit uns eng Verbundenes zu blicken. Obwol die
Gefühle, die uns zu jenen Ländern hinziehen, sich nicht besonders deutlich zu erkennen geben,
treten sie doch als etwas Selbstredendes auf, als der instinctive Zug des Herzens nach einer dauerhaften,
wechselseitig fruchtbaren Freundschaft und Liebesverbindung mit dem fernen Osten.
Können' wir z. B. vergessen, dass zur Zeit der Aufstände des chinesischen Pöbels gegen die
Europäer dieser mit vollem Bewusstsein die Russen stets verschonte und sie von den „überseeischen
Teufeln“ ausnahm?' Es ist Wol auch den Japanern erinnerlich, wessen Reiches Flotte niemals
das Feuer gegen ihre Küsten eröflnet, es stets unter seiner Würde gehalten, für heimtückische,
angeblich politische- Morde Rache zu nehmen, und welches stets die Sitte heilig gehalten hat, in
Freundschaft zu leben mit „dem Lande des Sonnenaufgangs“ ? Die Thatsache allein, dass der
russische Thronerbe 'dieses äusserste Reich Ostasiens besuchen soll, Ö diesen Staat, der den
Versuch gemacht hat, seine Existenz ganz auf den Principien der allermodernsten Civilisation zu
gründen, sozusagen auf den Ruinen seiner altehrwürdigen, patriarchalischen Lebensordnung — um
dort russischerseits vor der ganzen Welt die Aufrichtigkeit des Wohlwollens zu bezeugen, das wir
für den Monarchen und sein Volk hegen, ist an sich schon beredt genug."
Die Ausländer, die sich in Japan auf unzuverlässigem Boden einzunisten trachten, säen dort
schon längst Argwohn und Feindseligkeit gegen Russland. Die auf ausländischem Fuss und auf
Universitäten fremdländischer Cultur erzogenen japanischen Radicalen durchsättigen sich mit den
Vorurtheilen des Abendländers gegen den nordischen Koloss und sind nur allzu geneigt, in der
Presse und in der Literatur uns oberflächlich und feindlich zu beurtheilen.
Der geplante Verkehr des erlauchten Reisenden mit den bedeutendsten Staatsmännern
Nippons, mit dessen ältesten Städten und Denkmälern, mit den Grundformen von Japans urwüchsiger
Eigencultur und glänzender Vergangenheit kann gewiss nur zu guten Resultaten und zu
vertieftem gegenseitigem Verständniss führen.
. Pie verständigsten Japaner geben zu, dass es gefährlich ist, sich allzu bedingungslos der
Ausländerei hinzugeben und, ihr fröhnend, die Jahrtausende alten ererbten Formen der vaterländischen
Staats Weisheit und Religion zu verleugnen. Eine radicale Umkehr in nationalem Sinn ist höchst
wahrscheinlich; sie ist nur eine Frage der nächsten Zukunft. Die Selbständigkeit Asiens und der
800—900 Millionen seiner arbeitenden, denkenden, begabten Bevölkerung muss, im Namen der
Gerechtigkeit und eines richtig aufgefassten Fortschritts, mit verdoppelter Kraft betont werden.
Die hohe Stufe, welche die Japaner im Kunsthandwerk, aber auch auf manchen ändern Gebieten
des socialen Culturlebens erstiegen haben, ist eine der Hauptbürgschaften für die Möglichkeit
und Wünschbarkeit solcher materiellen Autonomie.
Das Abendland steht auf bestimmten Gebieten der menschlichen Thätigkeit gross und unübertroffen
da ^solange es den Ueberfluss seiner Energie nicht auf die Selbstzerstörung richtet. Den
Orient durch eine Neuerziehung umzubilden, Ihn so weit zu bringen, dass er in sich und durch
sich selbst in vollem Maasse die christlichen Principien verkörpere, dazu ist Europa gegenwärtig
ausser Stande; die ungeheuere Widerstandskraft Asiens aus überseeischen Quellen zu beugen ist
eine physische Unmöglichkeit. . Es bleibt also nichts anderes übrig, als auf' den gewaltigsten
der Erdtheile einen neuen humanen Gesichtspunkt anzuwenden. Der künstlichen Aufpfropfung
einer Blüte, der jeder Boden mangelt, bedarf Asien nicht; der Anstoss aber zu einer freiem Entwickelung
seiner vom Westen bevormundeten Küsten ist längst gegeben un,d erfordert eigentlich
keine Wiederholung.