
In alten Zeiten hatten diese Processionen ausser dem unmittelbaren religiösen Zweck auch
noch den, durch ihre Prachtentfaltung den Fürsten zu erfreuen und ihm, dem Vergötterten, Verehrung
zu erweisen. Die Unterthanen verziehen demselben bei dieser Gelegenheit jede Ungerechtigkeit,
ja sie beteten und fasteten
für schwere Sünden desselben.
Die Verbindung der Anhänger
Schakya-Muni’s auf Ceylon mit den
Glaubensgenossen im Osten hatte
sich seit der ältesten Zeit erhalten.
Der Verkehr fand nicht nur über das
Meer, sondern auch auf dem Festlande
statt. Viele Ceylonesen pil—
gerten nach China über den Himalaja
und brachten den „Söhnen des
Himmels“ die seltensten Amethyste,
Saphire und Rubine und die prächtigsten
Bildnisse, des „Gott-Lehrers“ .
Zuweilen brauchte man zehn Jahre
dorthin.
. Das Mittelalter kräftigte dieses
Bewusstsein der innern Zusammengehörigkeit
zwischen den politisch
einander fremden Ländern, in denen
die Verehrung Buddhä’s blühte.
Sonnabend, 14. Februar.
Der See von Kandi, erst im
19. Jahrhundert von dem letzten
Herrscher ins Dasein gerufen, schimmert
in den von den grünen Wogen
widergespiegelten Strählen des Morgens.
Ihre Hoheiten begeben sich
zu dem weitberühmten Tempel am
Ufer, um den wunderbaren, für
gewöhnliche Sterbliche unsichtbaren
Zahn Schakya-Muni’s zu besichtigen.
Architektonisch ist der diesen Zahn
beherbergende Tempel wenig interessant;
erbaut ist er mit Hülfe gefangener
Portugiesen und charakte-
s in g h a l e s in . ristisch sind nur die die Qualen der
Hölle darstellenden Wandgemälde.
Wohlgerüche erfüllen die Luft des Heiligthums, Statuen des weisen Fürstensohnes erheben sich über
den in Blumen versinkenden Altären, ergraute Mönche nehmen andächtig aus mehrern ineinandergesteckten
kostbaren Kästchen das Palladium Ceylons: einen in eine goldene Lotosblume eingesetzten
Zahn, der nie einem Menschen ängehören konnte. Die die Reliquie umschliessenden Kästchen sind
ebenfalls aus Gold und mit Juwelenschnüren behängen. Sie haben Glockenform und erinnern an
jene vom sibirischen Norden bis
nach Java vorkommenden Denk-
- mäler des Buddhismus, an die
mongolischen. „Suburgane“ , die „Stupas“
des alten Indiens und die „Dagobas,“ der
ceylonesischen Glaubenseiferer, Bauwerke aus
dem verschiedensten Material und der verschiedensten'
Grösse (von miniaturartigen,
nur für häusliche Opferaltäre bestimmten,
bis zu gigantischen mit erdrückender Orna-
mentenpracht). Ein Engländer hat ausgerechnet,
dass man 'aus. den Steinen einer
d e r s e e v o n k a n d i. einzigen ceylonesischen Dagoba eine Mauer
von 3 Meter Höhe von Edinburgh bis London
herstellen könnte!
Welcher Tourist hat nicht über den
fast ewig unsichtbaren religiösen Beschützer von Kandi gelächelt, jenen seltsamen „Zahn“ (Dalada),
der aus dem fernen Orissa nach Ceylon gebracht worden, dann von den Brahmanisten unter
Kämpfen wieder nach dem Festlande zurückgeholt worden und der von neuem siegreich zurück-
Orientreise. II. : R