
Olcott, der Präsident der Theosophischen Gesellschaft, verfolgt energisch den Gedanken,
die Glieder der geistigen Kette aufzufinden, welche die Länder verknüpft, in denen Buddha als
Gott verehrt wird. Er bereiste Asien, machte sich mit den hervorragendsten eingeborenen Priestern
bekannt und verfasste dann für die Buddhisten der ganzen Welt eine Art Glaubensbekenntniss.
Alles Unwesentliche, .Gonyentionelle, eng Nationale und rein Zufällige wurde darin beseitigt. Nur
das Wesentliche der „Lehre“ sollte aufgenommen werden. So wird allmählich vieles aus den religiösen
Eigenthümlichkeiten Asiens erklärt werden können, die Glaubensformen der Hunderte von
Millionen werden sich anschaulicher darstellen, von der Seele der Epoche, in der sie begründet
wurden und ihre Verkündigung die Menschen entflammte, wird der Schleier gelüftet werden.
In Japan, Birma, Tschittagong und auf Ceylon hat das Programm Olcott’s mit den darin
enthaltenen 14 Grundbestimmungen bereits Billigung gefunden. Noch bleibt äbzuwarten, wie Olcott’s
Neuerungen in Bezug auf die Befestigung der geistigen Bande zwischen den buddhistischen
Völkern in Kambodscha, im Innern
Chinas, in Korea und Tibet wirken
werden. Was für Tibet gilt, gilt auch
für die Mongolei, bei unsern Burjaten
und Kalmücken; die Ideen des überzeugten
Mitarbeiters der verstorbenen
Frau Blawatskij werden
dort gewiss Sympathie und
Beachtung finden.
Die Hauptfrage
ist , ob die nachfolgenden
14 Sätze
wirklich die einzigen
von den Buddhisten
der ganzen
Welt anerkannten
Grund-
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. . .L. Man-.soll
allen Menschen-, wer sie auch seien, mit Duldung, Sanftmuth und brüderlicher Liebe begegnen;
ebenso soll man den Geschöpfen jeglicher Art mit Mitleid und Barmherzigkeit entgegenkommen.
II. Die Welt ist unerschaffen, selbstentstanden und entwickelt sich vermöge bekannter Gesetze.
III. Buddhas (erleuchtete Wesen) sind mehrmals auf Erden und zwar im Verlaufe mehrerer
Zeitabschnitte (sogenannter „Kalpas“ ) aufgetreten, um zu predigen.
IV. In der gegenwärtigen Periode wird als vierter Lehrer anerkannt Schakya-Muni -oder
Gotama Buddha, der vor etwa 2500 Jahren als Spross einer indischen Fürstenfamilie geboren
wurde. Man muss ihn als historische Persönlichkeit betrachten. Sein Name war Siddhartha Gotama.
V. Schakya-Muni lehrte, dass das Nichtwissen der Ursprung des Begehrens ist Das unerfüllte
Begehren bildet aber die Ursache neuen Geborenwerdens, — dieses aber ist die Quelle
des Leidens. Damit dieses letztere nicht eintrete, ist die Vermeidung der Wiedergeburt nothwendig —
dieser zu entgehen, ist hinwieder die Beruhigung des Begehrens erforderlich: aus der Bändigung
und Besänftigung des eigenen Geistes geht das Wissen der höchsten Ordnung hervor.
VI. Der Glaube an die Unvermeidlichkeit der Seelen Wanderung erklärt sich aus der Unzulänglichkeit
unsers geistigen Horizonts. Sobald sieh dieser erweitert, überzeugt sich der Mensch
dass es sich nicht wiederhole. Aus dem Nichtwissen gehen die trügerischen, unbegründeten Gedanken
hervor, nach dem Tode bestehe nichts oder es erwarte uns hach demselben die ewige Seligkeit
oder die ewige Verdammniss.
VII. Die Menschen hören
auf, im Irrthum befangen zu
sein, wenn sie die Werke der
Liebe gegen jedes lebende Wesen
üben, den Verstand entwickeln,
zur Weisheit empordringen und
in sich jedes Bedürfniss nach Befriedigung
niedriger selbstsüchtiger
Leidenschaften vernichten.'
VIII. Weil der Lebenstrieb
die Ursache der Wiedergeburt
ist, muss man ihn beruh
igen , dann hört auch die
Wiedergeburt auf. Der Mensch
ist auf dem Wege beschaulicher
Selbstvertiefung fähig, zur höchsten
Stufe der Ruhe zu gelangen,
die durch den Namen
Nirvana bezeichnet wird.
IX. Schakya-Muni lehrt,
es sei möglich das Nichtwissen
zu beseitigen, damit aber auch das
Leiden aufzuheben, wenn man
vier Grundwahrheiten erkenne:
1 ) das Elend des Daseins;
2) die, Ursache, die das
Dasein bewirkt, d. h.
die unersättliche Begier
nach Befriedigung der
eigenen selbstsüchtigen
Triebe, und die Unerfüllbarkeit
dieses Dranges;
3) die Ausrottung dieses - ■
Dranges oder richtiger,
die Selbstbefreiung von
allem solchen Drange; I , XT I ® ____
v , . S , . 1 . , , f ’ AN DER EISENBAHN NACH KANDI.
4) die Fähigkeiten des Menschen,
zu einer solchen sittlichen Freiheit zu gelangen.
Es gibt acht Grundwahrheiten, und wer ihnen folgt', wandelt auf den acht Pfaden der
Tugend, d. h. er glaubt wahrhaft, er, denkt wahrhaft, er spricht wahrhaft, er handelt wahrhaft, er
richtet seinen Lebenswandel wahrhaft ein, er strengt seine Kräfte wahrhaft an, er erinnert sich
des Vergangenen wahrhaft, und er stellt wahrhafte Betrachtungen an.
Orientreise; ”