
welche wir wandeln müssen, aber auf welcher sich nicht dauerhaft bauen lässt; unser vergängliches
Leben zerrinnt wie der Sand einer Sanduhr, weihen wir also diese Minuten dem Gebete!“ So
beerdigte man unter den Moguls, in einer Epoche, die uns vom europäischen Standpunkte aus ziemlich
barbarisch erscheinen will. Doch thut man recht, ihr jeden tiefem moralischen Inhalt abzusprechen?
Wenn wir jenes Zeitalter im Lichte unserer Geschichte vor Peter dem Grossen betrachten,
so besitzt sie viele sympathische Züge. Der im Jahre 1605 verstorbene Akbar ragt um Haupteslänge
über viele Monarchen des Abendlandes empor, die ungefähr seine Zeitgenossen waren. Nirgends
in Europa konnten zu jener Zeit Aussprüche sich wiederholen, die einen solchen Grad von Glaubensduldung
athmen, wie auf einer Inschrift, die ein Freund des Kaisers, Abdui Fazl, in einem Tempel
in Kaschmir anbringen liess: „O Gott, ich schaue dich überall, wo ich Beter erblicke: das Lob deiner
Herrlichkeit erklingt in der Sprache eines, jeden Volkes. Welches aus der Zahl der Gebäude, die
dir errichtet worden, ich auch betreten mag, überall ist es die Wahrheit, die ich suche und zu
finden trachte.“
Daraus erklärt sich, wie es möglich war, dass, als die aus Goa abgesandten Mönche
nicht ohne Zittern und Bangen dem Padischah von Dehli Bilder des Erlösers und der unbefleckten
Jungfrau, sowie die Bibel als Geschenk überreichten, Akbar die Gaben andachtsvoll küsste und die
Heilige Schrift sogar zu seiner Stirne emporhob zum Zeichen seiner Verehrung. Es wurde den
Katholiken erlaubt, eine besondere Kapelle in der Hauptstadt zu bauen. Der Mogul stattete ihr
einen Besuch ab und sank vor dem Bild des Gottmenschen in Demuth nieder.
Unter Schah Dschehan schmückte dessen Premierminister seinen Palast zu Lahore mit
Bildern christlicher Heiliger. Hand in Hand damit nahmen, wie behauptet wird, die einheimischen
Künstler den Brauch an, die indischen „Sultane über den Sultanen“ mit einem Heiligenschein um
den Häuptern zu malen.
Der Luxus des Haushalts der Höfe von Dehli und Agra wird zum Theil verständlich,
wenn man bedenkt, dass die Herrscher, ohne sogar die ländliche Bevölkerung durch allzuhohe
Steuern zu bedrücken, nach heutigem Geldwerthe jährlich über drei Milliarden Mark ein-
• nahmen.... Und heutzutage sollen bei weit vortrefflicherer Verwaltung die Finanzen Indiens in
schlechtem Zustande s e in !..! Worin liegt aber die Grundursache? Damals kamen die Ungeheuern
Einnahmen der Aüfrechterhaltung der einheimischen Industrie zu gute. Die gigantischen Mittel,
über welche ein Mogul verfügte, flössen in die Taschen der arbeitsamen Volksmasse zurück. Nicht
ein Pfennig ging an Bedürfnisse verloren, die den. unmittelbaren Landesinteressen fremd waren.
Da Tamerlans Nachkommen Hindostan mit den hochsinnigen Gedanken ihres Ahnen Baber
umfassten, waren sie auch patriotisch gesinnte Herrscher, soweit es zur damaligen Zeit, bei oftmals
patriarchalisch-wilden Zuständen, überhaupt möglich war, Patriot zu sein.
Das Land wurde, wie bekannt, für diesen Gründer der Dynastie selbst eine zweite Heimat.
Hochinteressant ist die Thatsache, wie er sich mit ihm bekannt machte. In der Kleidung eines
bescheidenen Reisenden durchwanderte er sein zukünftiges Reich nach allen Richtungen, athmete
mit Wohlbehagen den Hauch der indischen Vergangenheit, der indischen Natur ein; dann kehrte
er heim, um aus Centralasien als Eroberer zu erscheinen.
In der Absicht, ihr;e riesigen Besitzungen gerecht zu regieren, und vor allem zu wissen, was
im Innern und an den Grenzen vorging, schufen die mächtigen Moguls weislich eine besondere
Klasse von Beamteninspectoren, die die kleinsten Vorkommnisse des Lebens in der Provinz aufmerksam
zu verfolgen und darüber dem Herrscher Bericht zu erstatten hatten. Von der gewissenhaften
Beobachtung dieser Agenten hing in hohem Grade die Gestaltung der innern Lage des
Reiches ab. . ■
. . . . Glänzend heiterer, duftender Morgen, einer von denjenigen, an welchen die Seele von aller
Müdigkeit wieder aufathmet in der Betrachtung der Harmonie der Welt und der Unabhängigkeit
des freien Geistes von allem, was im Staube lechzt
Aus den azurblauen Wogen des Oceans, aus den Hallen des Gottes Wischnu steigt die
verzauberte Insel „Lanka“ grüssend empor, jenes Eiland, um welches die Bildkraft des indischen
Mythus, der buddhistischen Legenden und der muhammedanischen, richtiger gesagt, der arabischen
Volksüberlieferungen von der frühesten Zeit bis zur Gegenwart den Kranz der Poesie in die Aureole
der Heiligkeit und der Schönheit geschlungen hat: C e y lo n ! . .. Zahllose Reisende* gelehrte Geographen
des Mittelalters und der Neuzeit, vielseitige Kenner der Geschichte des Orients haben in
Ausdrücken enthusiastischer Begeisterung von der ewig blühenden Stätte des Erdballs gesprochen,
die am Südende der von uns soeben verlassenen Halbinsel vom Schaume des Weltmeers umkränzt
wird. Griechen und Römer, Birmanen und Kaschmirer, Siamesen und Chinesen, der ganze
Orient im Norden Ceylons, Tibet mit inbegriffen, Seefahrer von den Ufern Arabiens und Persiens,
waghalsige Krieger unter der Fahne des Königs von Portugal, langsame, aber hartnäckige holländische
Colonisatoren haben Ceylon berührt und es bewundert, in freudiger Begeisterung geschildert
und märchenhafte Vorstellungen davon über die ganze Welt verbreitet. Indessen, obwol die
Insel sehr leicht zugänglich ist, da sie sich mitten auf dem Wege zwischen den Ländern des
Orients und des Occidents erhebt: über ihre geographische Lage hatte lange niemand eine klare
Vorstellung. Die Grösse Ceylons wurde übertrieben; zuweilen verschmolz man es sogar mit dem
ihm doch so ganz unähnlichen Sumatra. Schon die Hindu-Kosmographen hielten „Lanka“ . (Tapro-
bane) seiner Ausdehnung nach für ein selbständiges Festland, das vom/Südostende ihrer Halbinsel
aus weit ins Meer hineinrage. Das Abendland eignete .sich diese Ansicht an und stellte es
sich sogar als einen natürlichen Landweg von Afrika nach China vor. Die Griechen der macgr-
donischen Epoche gaben manchen solchen Irrthümern Raum, die sich bis ins 16. Jahrhundert erhielten.
Aristoteles allein versuchte im dritten Kapitel seiner Abhandlung „De mundo“ die Umrisse der
Insel enger zu ziehen, und sprach aus, sie sei bestimmt kleiner als Britannien. Selbst Marco Polo
widerlegte die herrschenden Vorurtheile nicht und schrieb, im Einklang mit den buddhistischen
Chroniken der Eingeborenen, dem Ceylon des Alterthums einen bedeutend grössern Umfang zu,
auf welchen die Elementarkräfte der Natur einen zerstörenden Einfluss ausgeübt hätten.
Das geschichtliche Leben der Insel entwickelte sich in engster Abhängigkeit von den Vorgängen
in Südindien und im Dekhan, zum Theil war es sogar bedingt, durch das mächtige Emporkommen
des Buddhismus im Nordosten der Halbinsel, von wo aus dieser durch brahmanische Gebietes
sich weit über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus ergoss, mehr als die Hälfte Asiens überflutete, Keime
nach allen Seiten trieb und auch auf Lanka tiefe Wurzeln schlug. Von alters her wollen die Eingeborenen
auf den Höhen des majestätischen Adamsberges die Fussstäpfen Buddha’s, des „Lehrers“ , erblicken.
In vorhistorischen Zeiten bevölkerte Ceylon eine dunkelhäutige, auf einer äusserst niedrigen
Stufe der Culturentwickelung stehende Rasse. Als aus dem blühenden Königreich Magadha am
Ganges in den fernen Süden unternehmende Abenteurer arischer Abstammung vordrangen, erschienen
sie dort als' Pioniere der Civilisation, als Begründer des Ackerbaues und der Gewerbe, als Vorkämpfer
religiöser Ideen höherer Art Infolge des Sieges der Einwanderer über die halbwilden
Inselbewohner folgten bald neue Auswanderer aus Bengalen den Spuren ihrer Stammesbrüder. Die
Ankunft der buddhistischen Mönche, die Gründung von Klöstern, das Aufblühen der Gelehrsamkeit,
die Erbauung bemerkenswerther Architekturdenkmäler u. s. w. vollendeten den geistigen Triumph
der Einwanderer aus dem Norden.
Die traurige Geschichte der ersten Einwirkung der Colonisatoren aus dem europäischen
Westen auf die Bevölkerung Ceylons ist vom russischen Standpunkte aus höchst lehrreich, indem
Orientreise. II. 23