
Bevölkerung des Districts schenkte dem Ankömmling gern kindlichen Glauben; die Zahl seiner
Anhänger wuchs fortwährend und stieg bis auf eine Million Seelen. Es entstand eine neue
Sekte, die es geschickt auf die gewünschte Bahn zu lenken galt. Die Jesuiten, die Helfershelfer
des vermeintlichen Reformbrahmanen, nahmen es mit der meisterhaften Fälschung einer Art von
Ergänzungsveda ganz ernst, ebenso mit der Schaffung ganzer Mysterien in Versen in Tamilsprache,
um auf diesem Wege auf die Einwohner von Madura noch tiefer einzuwirken. Selbst
der hiesige Landesfürst Tirumala (1623-^59) schwankte in seinem Glauben, als er die religiöse
Ekstase' der eigenthümlichen Fremdlinge, sah, Und hörte sogar plötzlich auf, an der Ausschmückung
und Erweiterung der Göttertempel Freude zu haben. Da erhob sich die Priesterschaft
zur Verteidigung der Rechte des Brahmanenthums, lockte den Maharadscha in die geheimen
Gänge des Tempels und liess ihn den Hungertod sterben; dann ging sie zur Vertreibung der
Katholiken über. Parallel damit verurtheilte der Vatican deren geistlichen Führer wegen Ketzerei
und Abfall von der Kirche.
Allein das Unheil, das über die indisch.-christliche, in ihrer Weltanschauung so bunte Gemeinde
hereinbrach, verdoppelte nur deren Bedeutung. Die Missionare studirten die einheimische
Sprache in ihren Feinheiten, kleideten sich in gelbe Brahmanengewänder, bestreuten sich die Stirn
mit der Asche von Sandelholz und legten sich die strengsten Fasten (Wasser, Reis und bittere
Kräuter), Stillschweigen und Armuth als Pflicht auf.
Wiewol die Bekehrungsmethode bei weitem nicht mehr sö plump-praktisch verfährt wie
ehedem, so ist doch bis auf den heutigen Tag die Zahl der dem Papst anhängenden Christen im
conservativen Südindien höchst beträchtlich. Und doch bilden hier die Wischnuiten und Schiwaiten
eine yerhältnissmässig weit compactere und undurchdringlichere Masse als im Norden Indiens, wo
der Monotheismus des Islam sich wie ein starker Keil in die heidnische Welt eingedrängt hat!
Weisse und grüne, rosafarbene und rothe c Papagaien, die wie landesüblich in einer
Tempelhalle gehalten werden, kreischen uns zum Willkomm in monotoner Weise die Namen
der heidnischen Götter entgegen und schielen teilnahmslos auf die Vorübergehenden. Die
Galerie, auf der wir uns jetzt befinden, führt an einem Wasserbehälter („Teich der goldenen
Lilien“) mit dunkelgrünem heiligem Wasser vorbei. An seinem Rande steht eine kleine Kapelle,
die Stiftung einer eingeborenen schönen Fürstin, Mangamal, die im Jahre 170 6 von ihren eigenen
Unterthanen zu qualvollem Tode verurteilt wurde, weil sie eine verbrecherische Liebe zu einem
jungen Brahmanen gefasst hatte. Sie setzten ihr Opfer auf raffinirte Art einem furchtbaren Todeskampfe
aus; sie entzogen der Unglücklichen die Nahrung, stellten ihr aber solche doch vor Augen
und gaben ihr ununterbrochen den Geruch schmackhafter Gerichte zu kosten . . . ;
Die Wand zu beiden Seiten von uns ist mit Gemälden der Hauptpagoden des Landes
geschmückt; es muss bemerkt werden, dass die Pagode von Madura zu .den ältesten gehört, denn
die Stadt, die sich vor alten Zeiten (schon vor Christi. Geburt) um dieselbe herum concentrirt
hat, diente schon den Pandjas, jenem mächtigen Geschlecht, das im Alterthum wol den ersten
Rang im Drawidenlande einnahm, als Hauptstadt. Schon die griechischen Schriftsteller geben die
geographische Lage der Stadt ganz genau an und erwähnen sogar die Existenz dieser Dynastie.
Früher als alle Sterblichen regierte in Madura (von „madhu“ süss, Meth) Schiwa, der die
städtischen Gebäude mit dem Honigthau seiner Haupthaare besprengt haben soll. Er vollbrachte
hier Wunder über Wunder. Die Thaten des Gottes werden von seinen Nachkommen durch die
Darstellungen auf den Gopuras>dem Gedächtniss überliefert; darunter ist eine Sage, nach der zwölf
Brüder in Ferkel verwandelt worden sind, weil sie sich über einen ehrwürdigen Fakir lustig gemacht
hatten, worauf sich; Schiwa in eine Sau verwandelte, um die Ferkel zu ernähren und ihnen
ihren menschlichen Leib zurückzugeben, aber mit Schweinsrüsseln.