
gänger, die Engländer während der für die Ankömmlinge schweren Zeitläufte auf jede nur mögliche
Weise unterstützt hatte, mit Geldern, mit Transportmitteln und Korn. Die Engländer beraubten
ihn seines Reichs, indem sie es in die ausgedehnten Besitzungen der Ostindisehen Compagnie
einschlossen. Zum Vorwand für dieses Verfahren. dienten dem Kalkuttaer Régime unter
dem Generalgouverneur Lord Dalhousie einige Misbräuche im Gebiete von Oudh. Aber da der
König, der diesen So stolz klingenden, aber der abhängigen Stellung einfacher Statthalter der
Moguls nicht entsprechenden Titel eigentlich auf gesetzwidrige Weise noch in der Person seines
'Grossvaters von den Europäern erhalten hatte, sich verschiedene Gewaltthätigkeiten zu Schulden
kommen liess, nur um sich den Engländern stets splendid zu beweisen, und in kindlicher Naivetät
öfters zu ihren Miethstruppen seine Zuflucht nahm, jagte die harte Strafe, die ihn plötzlich erreichte,
auch den ändern Fürsten des Landes, die sich eines Scheins von Selbständigkeit erfreuten,
einen jähen Schrecken ein und' musste den armen Fürsten in höchste Bestürzung versetzen, wiewol
ihm noch ein Theil seiner Schätze verblieb.
Dieses Ereigniss, war ohne Zweifel eine der Ursachen der Erbitterung, die sich vor dem
Aufstand der Sipahis unter den Volksmassen verbreitet hatte, und auch die Sipahis .(was hat man
nicht alles gegen sie .gesprochen und geschrieben!) brachen in Meuterei aus nicht wie eine wilde
Bande, sondern als Kämpfer für jenes alte Indien, dessen Absterben damals manche nicht ruhigen
Blutes Zusehen wollten. In vielen Bezirken murrte das Volk früher als das Heer,'und die Soldaten
wollten den Kampf erst zusammen mit den Massen. Der Held der Vertheidigung der. Stadt Lucknow,
Sir Henry;Lawrence, ein makelloses Muster von. Tapferkeit und Ehre, soll nicht lange vor. seinem
Tode innerhalb der Mauern der belagerten „Residency“ ausgesprochen haben; „Die Annexion von
Oudh war. ein grösser Fehler, eine schreiende Ungerechtigkeit!“
Wadschid Ali war zuerst ausser sich vor Schmerz, als man ihn der Regierung des Landes
enthob, nahm aber in keiner Weise an der Verschwörung der Millionen Eingeborener gegen ihre
■weissen Feinde theil. Er war es zufrieden, dass seine Mutter nach . England reiste, um'.sich;
allerdings'erfolglos, dafür zu verwenden, dass ihm seine Rechte verbleiben sollten.. Er selbst, aber
verhielt sich ziemlich. zurückgezogen undj begann bei Kalkutta ein verschlossenes üppiges Leben
zu führen; sein Harem war ewig gefüllt, sein Bajaderenstaat colossal, es wimmelte von Musikanten
und Possenreissern, ja, er wohnte sogar inmitten eines ganzen ansehnlichen Thiergartens, der sich
hier gegenüber dem aufblühenden Botanischen Garten entwickelte..
Von dem Augenblick an, da der König' voll Kummer seinen Turban, auf die Kniee des
englischen Residenten, der ihn seiner Macht beraubte, niederlegte, war ihm alle Politik langweilig
und ein Greuel. . Sein Trost war nun allein, die höchste Regierungsbehörde' Indiens durch
Nichtberücksichtigüng aller Bemerkungen über seinen schlechten Lebenswandel, die sich dieshjzuweilen
erlaubte, zu reizen. Einmal führte man ihm zu Gemüthe, dass er unnützerweise eine so
ungeheure Schar Weiber unterhalte. Flugs verdoppelte Wadschid Ali den Bestand seines Harems.
Als der Prinz von Wales Kalkutta besuchte und vor dem Palaste des Königs von Oudh officiell
vorüberfuhr, strömten die Bewohner desselben an das Ufer, um das für sie .-seltene Schauspiel
zu gemessen, gaben aber nicht das geringste Zeichen eines;. Willkomms oder auch nur der
Achtung. . ' ■ ,
Als man den Fürsten von Lucknow seines Thrones verlustig - erklärte, vergnügte er sich
arglos mit Bockspringen. Stundenlang sass er später am Ufer des Hugli bei einem künstlichen
Hügelchen seines Parks und konnte sich nicht Satt Sehen, wie seine zahlreichen Schlangen im
Gestein ein- und auskrochen. Eine passende Beschäftigung für einen, der zufällig die Eitelkeit
der irdischen Eitelkeiten erkannt hat! Endlich, kurz vor seinem Tode in den achtziger Jahren,
verdross es den Schiiten Wadschid Ali, sich in Indien abzühärmen, und er erbat sich von der
Regierung die Erlaubniss, nach Bagdad überzusiedeln, um seinen Sündenstaub auf muhamme-
danischer Erde zur Ruhe zu bringen, nicht weit von Kerbela, wo Hassan und Hussein, die Enkel
Muhammed’s von der Fatme und die Söhne des vierten Chalifen, begraben liegen.
An der Anfahrt des Botanischen Gartens empfängt Ihre' Hoheiten und den Marquis of
Landsdowne mit dessen Gemahlin der Director Dr. King, der seit zwanzig Jahren den breiten
Strandstreifen längs des Stromes verwaltet, den kostbare Pflanzungen einnehmen. Plötzlich tritt
man in den Zaubergarten der Natur, wo das Pflanzenreich in aller Formen- und Farbenpracht
DER RIESIGE B ANIANEN - BAUM IM BOTANISCHEN GARTEN ZU KALKUTTA.
paradiesischer Urwelt prangt, allerdings nur unter der sorgsamen Pflege der Menschenhand. Vor
dem schwankenden golden schimmernden Schatten links und rechts, rund um uns her, möchte
einem fast schwindeln, und doch arbeitet der Kopf mit um so grösserer Frische. Wir schreiten
aus einer wundervollen Allee in die andere. Die Eindrücke wechseln mit bezaubernder Langsamkeit
ab. Nur in der Tiefe eines Waldes beseeligt uns sonst eine so süsse Stimmung. Palmen
und wieder Palmen Ich will Augen und Ohren der Leser dieses Tagebuchs nicht mit der
trockenen Aufzählung der lateinischen Benennungen belästigen!
Ani fernen Ende einer Reihe struppiger, aber wohlgeordneter Bäume erblickt man eine
weisse Marmorvase, die Arbeit des Bildhauers Bacon, errichtet zum Gedächtniss des Gründers
dieses ausgezeichneten Gartens. Teiche spiegelklaren Wassers malen den Himmel ab zwischen
dem undurchdringlichen Laubdach der Bäume, die unter dessen Wucht sich beugen. Winzige
Brückchen verbinden eine Reihe bequemer schöner Fusspfade. Der Mensch kommt sich unter
Orientreise. EU*'1 t ■ 10