
In der ersten Hälfte des 1 7. Jahrhunderts erhoben sich allmählich
an den Ufern der Lena russische Blockhäuser.
Hier vernahmen 1639 die Russen von den Tungusen zum ersten mal
etwas von .grossen Flüssen auf der südlichen Abdachung des Gebirges, von
dem Dschi (Seja), der Schilka und dem Amur, und von Ländern, reich an
Pelzthieren und Silber, die von einem ackerbautreibenden Volke mit zahlreichen
Viehheerden bewohnt sein sollten. 1
Diese Berichte waren hinreichend, um manche Abenteurerschar in jene
unbekannten, fernen Länder zu locken.
Im Sommer 1643 wurden vom Gouverneur von Jakutsk 132 Freiwillige
ausgerüstet, die, im Besitze einer einzigen Gusseisenkanone, unter
dem Commando des Kosaken Wassili Pojarkow abgingen. Unterwegs wurden
sie vom Winter überfallen. Pojarkow verliess die Boote und überschritt
mit 90 Jägern auf Schneeschuhen das Stanowoi-Gebirge; Proviant und
s t a t u e v o n jermak. Waffen wurden auf kleinen Schlitten nachgeschleppt.' Den Dschi abwärts
erreichte die Schar im Frühjahr 1644 den Amur, wobei es unterwegs wiederholte
Zusammenstösse mit den Eingeborenen gab. Hierauf schifite sich Pojarkow auf dem Amur
ein, gelangte an dessen Mündung und überwinterte bei den Giljaken. Im Frühling des folgenden
Jahres fuhren die Kosaken, nachdem sie sich Schiffe gezimmert, nordwärts ins Ochotskische
Meer. Erst im Juli 1646 kam die wagemuthige kleine
Schar wieder in Jakutsk an.
In drei Jahren hatten sie viele tausend Kilometer
zurückgelegt, drei Viertheile ihrer Kameraden
eingebüsst und dreimal unterwegs überwintert. Diese
kühnen Entdecker eröffneten die Bahn zu neuen Unternehmungen.
Die Erzählungen der Kosaken von dem Reichthum
des Landes und von seinen Bewohnern ver-
anlassten den russischen Bauern Chabarow wenige
Jahre später, eine Expedition an den Amur auf seine
Kosten auszurüsten. Er. überwand den Widerstand
der Eingeborenen auf seinem Wege den Amur abwärts
bis zur Einmündung des Ussuri. Hier gründete
er eine' befestigte Niederlassung, die er gegen
die Angriffe der Eingeborenen und der Mandschu erfolgreich
vertheidigte.
Andere folgten Chabarow, nicht immer gleich
erfolgreich in ihren Operationen, bis eine Abenteurerschar
unter Tschernigowskij nicht nur alles Verlorene
wiedergewann, sondern neue Gebiete am Ussuri und
theilweise am Sungari bis ans Gebirge eroberte.
Die chinesische Regierung, die durch die fortwährenden
Züge der russischen Abenteurer in Aufregung
gerieth, sah sich in die Nothwendigkeit versetzt,
entschiedenere Maassregeln zu treffen. 1685
erschien vor den Mauern von Albasin, der dortigen jermak-denkmal in tq bolsk.
Hauptniederlassung, eine feindliche Streitkraft von
15 000 Mann mit 150 Feld- und 50 Belagerungsgeschützen.
Albasin wurde zerstört, und die Kosaken
mussten sich zurückziehen.
Im Jahre 1686 tauchten die Kosaken an den
Ufern des Amur von neuem auf und wurden in
Albasin wieder angegriffen.
Die Belagerung währte 14 Monate. Die Ko- '
saken, die aus Nertschinsk Hülfe zu. empfangen
hofften, hielten sich hartnäckig in den Mauern der
Festung, trotzdem dass infolge der häufigen Ausfälle,
hauptsächlich aber infolge des Skorbuts, der
unter ihnen zu wüthen begann, sich die Zahl der Ver-
theidiger von Tag zu Tag lichtete. In dieser schweren
Zeit setzte die Ankunft eines russischen hochgestellten
Beamten, der mit 500 Kosaken in Transbaikalien
eingerückt war, um mit den Chinesen über die Ab-
' jrenzung der/beiderseitigen Gebiete in Unterhand^ -"a,MAK's IN DER KATHEDRMAyfflfOMSK.
lung zu treten, den Feindseligkeiten ein Ende.
Als derselbe in Transbaikalien eingetroffen war, fand er das Land nicht nur nicht in
geordnetem Zustande, sondern auch ohne Schutz gegen die unaufhörlichen Einfälle der Mongolen.
Er war deshalb genöthigt, zu diesem Zwecke fast die ganze, ihm zu Gebote stehende Mannschaft
zu verwenden, und Unterzeichnete 1689 den Vertrag von Nertschinsk, der Russland der Eroberungen
Chabarows beraubte.
Die Ueberlieferung sagt, dass schon Peter der Grosse, als er auf die. für Russland wichtigen
Meerespunkte (die Mündungen der Newa und des Don) hinwies, in diesen Hinweis auch
die Mündung'des Amur einschloss. Allein bei dem upgeheuern Programm, das sich der grosse
Reorganisator Russlands gestellt hatte, war es ihm schwer, alle seine Entwürfe auszuführen, und der
Amur musste bei seiner grossen Entlegenheit im Hintergründe bleiben. Wenn es aber dem
Zaren Peter gelungen wäre, auszu^-
führen, was er wünschte, „nach Sibirien
und weiter und in das Land der
Tungusen, bis an die Chinesische
Mauer zu fahren“ , dann hätten wahrscheinlich
unsere Angelegenheiten am
Amur eine andere Wendung genommen.
Den Beweis für das tiefe Ver-
ständniss des Monarchen für dieWich-
tigkeit, die der Besitz der Amurprovinz
für uns hat, liefert des Zaren
Verfügung betreffs der Uebersiedelung
der geächteten Strelitzen; er legte damit
gewissermaassen den Grund zu
unserer Kriegsmacht in der Vorhalle
des Amurbeckens. Das Becken des
altrussische holzfestung in Ostsibirien. Amur war, nie ganz vergessen worden,