
genommen werden muss, den grauenhaften Entschluss schon gefasst. Dies ist die einzige logische
Erklärung des Verbrechens vom 1 1 . Mai. Alte, erfahrene Japaner stimmen mit diesen Voraussetzungen
vollkommen überein, und auch aus der gerichtlichen Untersuchung geht klar hervor, dass andere
greifbare, unmittelbar auf ihn einwirkende Ursachen, ausser seinem allgemeinen Gemüthszustande,
nicht vorhanden waren.
Bei der ersten Kunde von dem entsetzlichen Verbrechen war der Ausbruch der Entrüstung
im Lande allgemein und grenzenlos. Man kann sagen, es gab keine Stadt, kein Dorf, keine Gesellschaft,
die nicht Kundgebungen des Entsetzens und des Abscheus über das begangene Verbrechen
nach Kioto und Kobe gesandt hätten. Nach der annähernden Berechnung des japanischen
Hofministeriums belief sich die Zahl der am 19. Mai eingelaufenen Kundgebungen auf ungefähr
24000. Ausserdem erschienen in Kioto und Kobe viele Abordnungen selbst aus den entferntesten
Provinzen, die dem Thronfolger Adressen und Geschenke überbrachten. Am Geburtstage Seiner
Kaiserlichen Hoheit gingen von Osaka drei Dampfer ab, beladen mit den mannichfaltigsten
Geschenken, darunter viele kostbare. Nachdem sie vor der „Pamjat Asowa“ geankert, schifften
sie eine Deputation aus, die um Entgegennahme der von der Kaufmannschaft von Osaka dargebrachten
Geschenke bat. Gegen Abend war das Verdeck der „Pamjat Asowa“ mit Kunsterzeugnissen,
Bodenproducten, Leckereien u. s. w. förmlich überschüttet. Diese naive und zugleich
herzliche Demonstration rührte Seine Kaiserliche Hoheit, ausserordentlich.
Auch die japanische Geistlichkeit und die Schuljugend liess es nicht an Beweisen der Theil-
nahme fehlen. Durch ganz Japan hielten Bonzen und Schinto-Priester öffentliche Gebete für die
Genesung des Thronfolgers.
Unter allen Regierungen legte China die grösste Theilnahme an den Tag. Sein Gesandter,
Lord Li, kam sogar persönlich nach Kobe, um den erlauchten Reisenden zu bewillkommnen. Und
der hervorragendste der zeitgenössischen chinesischen Staatsmänner, der Grosskanzler und General-
goüverneur Li-hung-tschang, nahm in seinem englisch abgefassten Beileids- und Gratulationsschreiben
ausdrücklich Bezug auf „die warme Freundschaft, die von jeher zwischen unsern beiden
Reichen bestanden hat“.
Noch herzlicher waren natürlich die Gefuhlsäusserungen unserer Schiffsmannschaften, deren
Verzweiflung nach der grässlichen That jeder Beschreibung spottet.
AUS D E R G E SCH ICH T E SIBIRIENS.
"W e n ig e Russen wissen, mit welch engen, uralten Banden sie mit dem nahen Orient
verknüpft sind, der eigentlich ihre ursprüngliche Heimat ist.
Die grosse Zahl von Bronzesicheln, die man in Sibirien gefunden hat und die denen der
alten Griechen und Römer sehr ähnlich sind, führt zu dem Schlüsse, dass den alten Bewohnern des
Landes der Ackerbau nicht fremd war. Die Zahl der Bronzeäxte, deren Form der im heutigen
Europa und in Russland gebräuchlichen ähnelt, beweist, dass das Zimmermannshändwerk
sich bereits in gewissem Grade entwickelt hatte. Die Streitäxte aüs Bronze, die Speere, auch
Spiesse und Bogen erinnern ganz an die classische Welt. Ueberdies ist nachgewiesen worden,
dass alle diese Gegenstände in Sibirien nicht eingeführt, sondern dass sie an Ort und Stelle
hergestellt, aus sibirischem Erz angefertigt und in Formen gegossen worden sind, die im Lande
hergestellt wurden.
Die Substanz der Töpfereien und der Scherben irdener Gegenstände, die man hier gefunden
hat und die in Form und Stil charakteristisch sind, stimmt ganz überein mit den in den alten
Gräbern des südlichen, westlichen, östlichen und nördlichen Russland gefundenen Töpfereien. Alle
diese Gegenstände, insbesondere die Haufen alter Thonscherben aus den alten sibirischen Festungen
weisen auf das Vorhandensein von uralten Ansiedelungen und auf die Entwickelung der localen
Industrie hin.
Nach Schliemann’s Ausgrabungen war die trojanische Cultur von der Griechenlands weit
verschieden, und in vielen Fällen waren die dort gefundenen Gegenstände in Form und Orna-
mentirung mehr denen, die man in den alten sibirischen Gräbern gefunden hat, ähnlich oder selbst
identisch mit ihnen. Besonders für die Thonwaaren gilt dies in hohem Maasse.
Als die Griechen und Römer, die Kelten und selbst schon die Germanen in Europa längst
fest angesiedelt waren, lebte die Hauptmasse der slawischen Rasse noch in Asien, nahe dem alten
Baktrien und Sogdiana. Flier-standen sie in enger Verbindung mit den Iraniern und verloren
auch den Contact mit den Indern nicht, selbst nachdem, diese über den Himalaja gewandert
waren. Den Griechen waren sie entweder unter dem Gesammtnamen der Skythen bekannt oder