
Um i i Uhr abends des folgenden Tages kam der Kaiser von Japan mit dem Zuge aus
Tokio an. Er war ganz ausser Fassung und seine Stimme zitterte. Er wünschte unserm Gesandten
gegenüber, den Thronfolger zu sehen, verschob aber, als der Gesandte bemerkte, Seine
Hoheit sei wahrscheinlich schon zu Bett gegangen, seinen Besuch auf den ändern Morgen.
Am folgenden Morgen fuhr der Kaiser vor dem Hotel vor, wo der Thronfolger Seine
Majestät in seinem Schlafzimmer empfing. Die Unterhaltung währte 20 Minuten und hatte einen
herzlichen Charakter.
Da bald darauf beschlossen wurde, den Thronfolger zum russischen Geschwader überzuführen,
kam der Kaiser von neuem ins Hotel. Nachdem er mit ihm im Wagen zur Station
gefahren war, begleitete er ihn im Zuge nach Kobe und dort bis zum Landungsplätze. Abends
DIE KAISERIN VON JAPAN.
7 Uhr bestieg der Thronfolger das Verdeck der Fregatte „Pamjat Asowa“ , empfangen von den
enthusiastischen Hurrahs der Offiziere und Mannschaften des Geschwaders.
Als am 16. Mai Seine Majestät der Kaiser geruhte, den Wunsch auszudrückenSeine
Hoheit möchte direct nach Wladiwostok fahren, benachrichtigte der Thronfolger den Kaiser
von Japan telegraphisch von seiner am 19. Mai bevorstehenden Abreise und fugte hinzu, es
thue ihm herzlich leid, dass es ihm nicht vergönnt gewesen sei, nach Tokio zu kommen und
sich der Kaiserin vorzustellen. Der Kaiser antwortete am folgenden Tage telegraphisch und erbat
sich durch seinen Ceremönienmeister, der in seinem Namen auf die Fregatte geeilt war, die
Gunst, der Thronfolger wolle am Tag seiner Abreise mit Seiner Majestät im kaiserlichen Pavillon
am Hafen von Kobe frühstücken. Der Thronfolger nahm die Einladung des Kaisers an, die
Doctoren legten jedoch, als sie von dem Entschlüsse des Thronfolgers hörten, aus Besorgriiss
für seine Gesundheit kategorischen Protest ein. Seine Hoheit telegraphirte infolgedessen dem
Kaiser, er lade ihn auf die Fregatte ein, und fügte hinzu, er würde es aufrichtig bedauern, wenn
es . ihm versagt sein sollte, Japan zu verlassen, ohne sich vorher von Seiner Majestät recht herzlich
verabschiedet zu haben. ,
Am folgenden Tage, .19.. Mai, kam der Kaiser in Begleitung der Prinzen Arissugawa und
Kitassirakawa und seines Gefolges auf die Fregatte „Pamjat Asowa“ .
Das Frühstück . hatte einen durchaus herzlichen Charakter. Nach demselben nahmen
die allerhöchsten Personen in wärmster Weise voneinander Abschied. Der Kaiser fuhr ans
Land, während unser Geschwader um 5 Uhr die Anker lichtete und durch das innere Meer nach
Wladiwostok dampfte.
DER KAISER VON JAPAN.
Die erste Frage, die uns die Ereignisse vom 1 1 . .Mai aufdrängen, ist: was mochte den
Polizisten veranlasst haben, eine so grauenvolle Unthat zu begehen?
Reiner Fremdenhass kann nicht als hinreichender Grund erscheinen, aus .welchem Tsudo
Sanzo sich zu einem so verzweifelten Schritte entschloss. Dies ist um so wahrscheinlicher, als es
ihm. .keineswegs an Anlässen fehlte, seinen Blutdurst zu befriedigen, da Otsu und der Biwa-See
täglich von zahlreichen ausländischen Touristen besucht werden. Andererseits ist die Annahme,
der Beweggrund des Verbrechens sei der Russenhass, schon deswegen unmöglich, weil ein solcher
Hass in Japan bis jetzt kaum vgrhanden war. Russland hat Japan nie ein Leid zugefügt, noch
hat es dessen etwas extravagante Politik zu seinem Vortheil ausgebeutet,' sondern unterstützt vielmehr
fortwährend in uneigennützigster Weise dessen rechtlich begründete Förderungen. Die Russen,
das kann man kühn aussprechen, haben den Japanern am allerwenigsten Anlass zu Missbehagen
Orientreise. II. 100