
Am Strande entlang sind geschickt Stellen mit Bambus und Schilfrohr abgegrenzt, sodass
die Fische zwar hinein, aber nicht mehr heraus können; in solchen scharfsinnig eingerichteten Reusen
halten die Fischer die Fische gefangen und ziehen sie auf.
So schmerzlich es sein mag, muss doch auf die Umstände und Einzelheiten des Verbrechens
näher eingegangen werden, das in einer Stadt verübt wurde, deren Name vor dem n . Mai 1891
in Europa kaum jemand bekannt war. In den Augen der einheimischen Bevölkerung hatte sich
aber dieser Ort stets eine gewisse Bedeutung bewahrt; Im Jahre 1700 wurden in Otsu, das
damals die Landeshauptstadt war, die einheimischen Gesetze in einem Codex vereinigt, der auf
den Rechtsprincipien der Chinesen beruht.
Ich gehe zur officiellen Darstellung des Attentats und der ihm folgenden Begebenheiten über.
Nach einer-Fahrt auf dem Biwa-See in einem kleinen Dampfer begab sich die Reisegesell-;
schaft in das Haus des Gouverneurs, wo ein Frühstück servirt wurde. Bei demselben sprach Seine!
Kaiserliche Hoheit über den gastfreundlichen Empfang, den er seitens des Volkes in Kioto und Otsu
gefunden habe, und dankte dem Stadtgouverneur mit warmen Worten für seine Liebenswürdigkeit.
Um 1 Uhr 20 Minuten fuhr Seine Kaiserliche Hoheit vom Hause des Gouverneurs durch;
dieselben Strassen, durch die er gekommen war, nach Kioto zurück.
Die Dschinrikischas fuhren in folgender Ordnung: Voraus der Ortspolizeimeister, hinter
ihm einer der japanischen Ceremonienmeister, dann in einer Entfernung von 30—40 Schritten
der Grossfürst-Thronfolger in einem Wagen mit einem Mann an der Deichsel und zwei an der
Seite. Unmittelbar hinter Seiner Kaiserlichen Hoheit fuhr der Prinz Georg von Griechenland, dem
der Prinz Arissugawa folgte, hinter diesem ein Leibjäger des Mikado, der von diesem bei;
Beginn der grössfürstlichen Reise den Befehl erhalten hatte, sich beständig dicht bei Seiner Hoheit:
dem Grossfürsten-Thronfolger zu halten. Hinter ihnen fuhr der russische Gesandte, dann der
Fürst Barjatinskij und die übrigen Personen des russischen und des japanischen Gefolges, sowie die
Ortsbehörden. Die Strasse war eng, nur acht Fuss breit, und der Zug, der aus fünfzig Dschinri-
kischas'bestand, bewegte sich in dicht aufgeschlossener Linie im Trab durch zwei Reihen Polizisten,
die zu beiden Seiten des Weges aufgestellt worden waren, der eine vom ändern acht Bis
zehn Schritte entfernt.
Der Attentäter Tsudo Sanzo war einer von den Schutzleuten, die die Aufgabe hatten, für
die Sicherheit des erlauchten Gastes zu sorgen. Schon am Morgen stand er an derselben
Stelle, liess aber das auserkorene Opfer an sich vorbeifahren, wobei er, wie sich in der Folge
erwies, auch nicht die geringsten Zeichen irgendeines verbrecherischen Vorhabens zu erkennen gab.
Er wusste, dass der Thronfolger zum zweiten mal denselben Weg einschlagen musste. Kaum war
denn auch die Dschinrikischa Seiner Hoheit an ihm vorbeigefahren, als er aus den Reihen der
Schutzleute heraussprang, den Säbel zog und von rechts hinten zwischen der Dschinrikischa und
dem Manne rechts mit beiden Händen einen wuchtigen Hieb auf den Kopf des Thronfolgers
führte. Der Grossfürst aber, sich umwendend, sah, dass der Attentäter zu einem zweiten Hiebe ausholte,
und sprang aus dem Gefährt auf die linke Seite der Strasse. In diesem Augenblick eilte der
Prinz Georg aus seiner Dschinrikischa herbei und schlug auf den Attentäter von hinten mit seinem
Bambusrohr. Inzwischen hatte sich der Hauptläufer Seiner Hoheit (der Mann an der Deichsel)
mit seltener Kaltblütigkeit und Tapferkeit zu den Füssen des Attentäters geworfen, dieselben mit
beiden Händen umfasst und ihn so zu Boden gerissen. Der herbeigesprungene Läufer des Prinzen
Georg bemerkte, dass dem Attentäter beim Hinstürzen der Säbel entglitten war, hob ihn auf und
versetzte den Bösewicht mit zwei Hieben auf Hals und Rücken in einen Zustand fast gänzlicher
Bewusstlosigkeit, sodass er die Möglichkeit verlor, wieder auf die Beine zu kommen.
Alle diese Vorgänge vollzogen sich in höchstens 15 oder 20 Secunden, sodass die von
allen Seiten auf den Attentäter stürzenden Polizisten sich desselben erst bemächtigen konnten, als
er bereits am Boden lag.
Die ersten Worte Seiner Hoheit, als man ihn auf die Bank des nächsten Hauses führte,
waren: „Es hat nichts zu sagen; nur mögen die Japaner nicht glauben, dass dieser Vorgang meine
Gefühle gegen sie oder meine Anerkennung ihrer Gastfreundschaft ändern könne!“ Diese selben
Worte wiederholte der Thronfolger auch dem Prinzen Arissugawa gegenüber, der einige Secunden
nachher zu ihm geeilt war.
ZIMMER DES THRONFOLGERS IM HOTEL IN KIOTO.
Sofort war Doctor Rambach zur Hand und legte einen ersten Verband an. Während der
Thronfolger verbunden wurde, unterhielt er sich über das Vorgefallene leutselig mit den vor
Schrecken niedergescbmetterten und über alle maassen bestürzten Personen beider Gefolge.
Mittlerweile war unser Gesandter über die Strasse geeilt, um den Attentäter zu sehen, und
hatte ihn in dem Hause gefunden, wo zwei Polizisten ihn gefesselt hatten. „Niemals werde ich“ ,
sagt D. E. Schewitsch, „den thierischen Ausdruck in seinem Gesicht vergessen, als er, zähnefletschend,
antwortete, er sei ein Samurai, ein Adeliger. Tiefwurzelnder, unversöhnlicher Hass
flammte aus seinen Augen, während er mich ansah.“
Der Thronfolger wurde in das Haus des Gouverneurs zurückgebracht. Hier wurde ein neuer
Verband angelegt und ein Extrazug ‘bestellt, der Seine Kaiserliche Hoheit von Otsu nach Kioto
überführen sollte. Mit Mühe gelang es, den Thronfolger dahin zu bringen, dass er sich einstweilen
auf ein Sofa niederlegte, so munter und guter Dinge fühlte er sich. Dies gewährte die Hoffnung,
dass die Wunde nicht gefährlich sein werde. Aber erst nach Ankunft in Kioto und nachdem die
Aerzte unsers Geschwaders einen neuen Verband angelegt hatten, war man sicher, dass kein
Grund zur Befürchtung vorhanden und der Thronfolger ausser Gefahr war.