
hohem Stufen der Religion, der Kunst u. s. j g kamen nach Japan hauptsächlich vom benachbarten
Continent. Die eigentliche Architektur z.B. schulden die Japaner thatsächlich den Koreanern; denn
bevor sie deren Einfluss erfuhren, hätten sie ihre schönen, mit Ziegeln gedeckten Tempel, nicht
zu bauen verstanden, noch hätten sie geräumige Wohnhäuser erbaut, und ihr tägliches Leben verlief
eher ähnlich dem der Wilden als dem der civilisirten Vertreter der gelben Rasse.
Nachdem die Bewohner des „Landes des Sonnenaufgangs“ aus dem Westen etwas Licht
der Aufklärung erhalten hatten, fanden sie es ähnlich, wie Russland in seiner Hinneigung zu
Byzanz, für nöthig, Expedition auf Expedition an die Nachbarküsten zu senden. Von dort könnten
sie nicht nur materielle Schätze bringen, sondern auch die geistigen Mittel, um eine höhere
Form der (Zivilisation überzupfropfen. Während sie durch solche Sendungen nach dem Continent
nach Aufklärung strebten, suchten sie
gleichzeitig die Einwanderung der civilisirten
Koreaner zu fördern, indem sie
diese von Steuern befreiten.
In spätem Tagen machten diese
patriarchalisch einfachen Beziehungen der
Inselbewohner zu ihren Nachbarn rein
aggressiven, gegenseitig feindseligen
Tendenzen Platz. Die Japaner begannen,
Korea unaufhörlich zu überfallen und
erbarmungslos zu verwüsten; das Niveau
ihrer Civilisation fing an, rasch und entschieden
zu fallen. Schliesslich war das
Land Korea politisch in den traurigsten
Zustand versunken, obwol es immer
noch der Gegenstand heissen Begehrens
seiner kriegerischen Nachbarn war.
Der Grund dafür ist einfach. Die
. r in g e r v o r d em Ka m p f e . e]f Millionen, welche die Bevölkerung
von Korea bilden, besitzen ein ausserordentlich
fruchtbares Land, das besonders an Mineralschätzen reich ist. Selbst jetzt noch geben
die primitivsten Gewinnungsarten einen sehr ansehnlichen Ertrag an Gold, Silber, Edelsteinen,
Kupfer, Kohlen, Eisen und Zinn. Was die Küsten von Korea betriflt, sind es nicht die öden,
Mippigen östlichen Gestade, die in erster Linie von Bedeutung sind, jene Gestade, an denen nach
der Ansicht leichtgläubiger Zeitungsschreiber Russland in verrätherischer Weise einen Hafen zu
gewinnen sucht: es sind vielmehr die westlichen und südlichen Küsten, die, abgesehen von den
benachbarten Inseln, eine Anzahl guter Ankerplätze bieten.
Trotz der während der letzten Jahre stattgefundenen Entwickelung des „Landes des
Sonnenaufgangs“ ist es ihm doch nicht gelungen, in Korea irgendwie einen vorherrschenden ökonomischen
Einfluss und Bedeutung zu erlangen. Wie eng dieses Land mit den Handelsinteressen
Grossbritanniens verknüpft ist und erst nach diesem mit dem japanischen Handel, erkennt man am
besten aus der Thatsache, dass die Jahreseinfuhr im Hafen von Chemulpo, die sich auf etwa
16 bis 18 Millionen Mark beziffert, ungefähr zu■ drei Fünfteln auf England entfällt, während Japan
nur ein Fünftel einführt, hauptsächlich Waaren fremden Ursprungs. Am nächsten kommen China,
Deutschland, Amerika, Frankreich, Holland und Oesterreich. Russland hat es bisher noch zu
keinem höhern Import als etwa 3000 Mark im Jahre gebracht!
Allerdings legten Japaner wie Russen mehr Werth auf kriegerische Eroberung als auf solche
friedlicher Art. Diese Inselbewohner sind geborene Krieger. Den Gedanken des Weltruhms, der
Vorherrschaft über andere Nationen, der Priorität vor den Myriaden ihrer Rasse wissen sie vollauf
zu würdigen. Sind doch die Unterthanen des Mikado überzeugt, dass ihr Land die Heimat des
grössten Heerführers in Asien ist. Die Ueberlieferung erzählt, dass ein Hero, den seine
Feinde aus dem Heimatlande verbannt hatten, zuerst nach der Insel Sachalin segelte und dann
nach der Mongolei vordrang, wo er an der Spitze mongolischer Scharen als der fürchterliche,
uribesiegliche Dschingischan erschien.
Der maritime Unternehmungsgeist, der
sich in überseeischen Expeditionen docu-
mentirt, hat noch immer im Herzen der
Söhne des Landes des Sonnenaufgangs
gelebt Seit alten Tagen sind
sie auf den nahen Continent gezogen.
Es war keineswegs die Civilisation allein,
die sie ¿uchten, es waren vielmehr Gefahr
und Abenteuer, zu denen sie ihr Wage-
muth reizte.
So vergingen viele Jahrhunderte.
Die Japaner waren eine vollständige Parallele
zu den abenteuernden Kosaken.
Die Flaggen der japanischen'Seeräuberflotten
, die die Küsten von China und
Korea verwüsteten, trugen immer den
Namen des Kriegsgottes Chatschiman.
Wenn die kühnen Inselbewohner in ihrem
Kriegseifer hätten festen Fuss auf dem w ä h r e n d d e s Ka m p f e s .
Continent fassen können, so würden
sie vielleicht den friedlichen gelben Osten zu neuen, grenzenlosen Eroberungen aufgereizt haben.
In der That haben solche Eroberungen niemals zu politisch dauerhaften Ergebnissen geführt, aber
sie beweisen die Möglichkeit, die noch tief verborgen liegende, schlummernde Urkraft Asiens-zu
wecken und zu heben. In jeder der Nationen Asiens liegen die Keime kriegerischer Energie, die
sich früher oder später entfalten und die wahrscheinlich nicht im mindesten jenen der Japaner nachgeben.
Schon lange vor unserer Zeitrechnung sandte das Himmlische Reich seine Generale bis zum
Kaspischen Meer. Im 8. Jahrhundert gewann ein chinesischer Führer Kao—hsien—fa aus koreanischem
Stamm eine Reihe von Siegen über den türkischen Chagan in Centralasien und nahm den Herrscher
von Taschkent gefangen. Nur die Macht der Araber verhinderte das weitere Vordringen des
Fernen Ostens gegen Westen. '
Es ist klar, dass vom militärischen Gesichtspunkt aus ein Drang nach Westen auf die
europäischen Mächte nicht nothwendig alarmirend wirken muss. Aber das gefährliche politische
Delirium, an welchem die Staatsmänner Japans leiden, muss schliesslich mit ifi Betracht ge