
NAGASAKI UN.D. KAGpSJMA .
3 7 ° : .
Nummern auf dem Rücken der. engen,: kurzen,Jäckchen recht drollig aus, ' Wir sollen durch eine
Reihe von Strassen fahren, die trotz des Unwetters von Neugierigen besetzt sind. Die baumwollenen,
eirigefetteten Regenschirme schützen die sorglose Menge nur wenig.
Unsere Fahrt geht im Zickzack den Berg hinan, zum Hause des Gouverneurs der Provinz.
Auf einer Strecke von über zwei Kilometer sind Beamte, Freiwillige in Uniformen, Honoratioren
und die Schuljugend aufgestellt. In. Schuhen auf hässlich hohen Sohlen bücken auf den Zug
freundlich lächelnde elegante Müsumes (Mädchen). Zwischen ihnen drängt :sich eine Masse Kinder,
Wenn man diese naiven, vom europäischen Standpunkte aus unschönen, typisch einförmigen
Physiognomien betrachtet, begreift man bald, wie Touristen durch das Aeussere dieser winzigen
eingeborenen Leutchen bestochen.werden können,. In ihren Gesichtszügen best man so viel Gut-
herzigkeit und unmittelbare. Beziehung zum Leben!-. : . .
Die Strassen Japans .wimmeln förmüch von winzigen Kindern und kleinen Ammen. Glatt-
‘ geschorene Kleinen,
die kaum zwei bis drei
Haarbüschel zieren,
plauderh mit possir-
lichen Bac-kfischchen,
von denen sie getragen
werden. Ganz
wie die Chinesenkinderchen
sind sölr-
ehe Wesen die Ari-r
muth selbst Besonders
spasshaft . sind
die fünf- bis. siebenjährigen
Mädchen, die
weit über ihre Jahre
hinaus' erfahren’ sind
in der Kunst verfänglicher
Frisur, unnatürlich
gezierten Ganges
Bronzebuddhas. ¡¡E lf Geberden und
eines gemessenen,
ernsthaften Wesens. Mit 5— 6 Jahren geht so ein Fräulein en miniature in die Schule, lernt da
rechnen, lesen und schreiben, was bei der complicirten Schrift des „Kana“ gar nicht so leicht ist,
lernt ferner prächtig sticken und nach aüen Regeln der Etikette Thee bereiten.
In der Residenz des Gouverneurs stell sich dem Grossfürsten-Thronfolger die FamUie des
Herrn Nakano vor. Während wir auf das Frühstück warten, naht sich den hohen Gästen ein
Künstler, lässt sich auf die Knie nieder und zeigt seine Fertigkeit im Zeichnen: in wenigen
Augenbücken wirft er die Umrisse einiger Gegenstände mit erstaunlicher Sicherheit auf das Papier.
Die Höflichkeit erfordert, die. innern Gemächer ohne abendländisches Schuhwerk in sehr
unbequemen baumwoüenen Pantoffeln (tabi) zu betreten, die eher Strümpfen ähnlich sind. Wir
fügen- uns dieser Sitte, weil hierzulande, wo man nichts von hohen Stühlen und Parketböden
weiss, nach altem Brauch alles mit weissen Matten belegt wird und die Berührung des ZimmerNAGASAKI
UND' KÄCOSI'MÄ,, } ? Ihodens
mit rohem fremdem Schuhwerk. das besorgte iAug'e der gastfreundlichen Häuswirthe' t i
Bestürzung versetzen würde.
Das Frühstück wird in einem engen Saale, servift, der . eher an eine gedeckte. - Veranda erinnert.
Gerade vor uns, hinter den zurückgeschobenen' Fensterschirmen, liegt ein Gärtchen,- das
beinahe jeder Vegetation bar ist.
Wir setzen uns mit untergeschlagenen Beinen äuf'die/Diele; -di'e'.ari der Wand-hintep-unserm
Rücken mit Kissen belegt ist. Ihren Hoheiten sind; Plätze auf. einer: erhöhten Stelle-angewiesen
Vor den Geladenen stehen kleine Tischchen mit laekirten Gefassem urid-mii^ E^sstäBcheb., Eufäge;
Dienerinnen, die des hohen Gastes wegen aus dem Hause ■ nähe; stehenden
Personen adeliger Abkunft ausgewählt sind,
die mit einem Knicks angeboten werden.
Die prachtvoll gekleideten, man möchte .
sagen wie Wachsfiguren aussehenden, lautlos
durchs Gemach gleitenden Frauenfiguren
sind eine originelle Erscheinung:
lange, mit kostbaren Mustern durchwobene
Schleppkleider, breite zu einem, prachtvollen
Knoten gebundene, wie Flügel auseinander
gehende Gürtel (obi), rabenschwarze,, aufwärts
gekämmte und in einen Schopf zusammenlaufende
Haare, dazu ein über dem
Kopf sich aufthürmender Blumenkorb, der
bei jedem Schritt h in - • und herschaukelt.
Der glänzende Schmuck ist mit Korallen-
nadeln und Schildpattkämmchen besetzt.
Die erstaunliche Frisur ist so. verschlungen
und verursacht dem schönen Geschlecht so
viel Mühe, dass die Besitzerinnen solcher
Frisurkunstwerke nachts nicht anders schlafen
können, als indem sie anstatt Kissen
sich einen kleinen Holzpflock unter den
Kopf legen___
Nach dem Frühstück machen wir daibutsu (riesenbuddha).
einen Ausflug nach den wichtigsten Punkten
über dem Hafen. Da ich über sie in den gedruckten Reiseführern keine Auskunft fand, zog
ich beim Empfang im Hause bei meinen japanischen Tischgenossen Erkundigungen darüber ein.
Die Antworten, die ich erhielt, waren sehr ausweichend. In Nagasaki soll thatsächlich fast nichts
zu sehen sein! In einer Stunde kenne man die ganze Stadt. Als Sehenswürdigkeit gelte höchstens
der Tempel Ossuwa, der auf einer Anhöhe steht. Er gehört zu den Heiligthümern des Schintoismus,
der ältesten einheimischen Religion, die mit den Glaubenslehren des Schamanismus
Aehnlichkeit hat. Verehrung geniessen die Seelen der Todten, auf seltsame Weise wird das grosse
Geheimniss „vom Wege der Götter“ (Kami) ausgelegt-----
Steigt man vom Hauptthore des genannten Schinto-Tempels aus, wo ein von Wallfahrern
verehrtes ungeheueres Bronzepferd steht und wo:hinauf eine stellenweise mit räthselhaften Thoren
geschmückte Steintreppe führt, ein wenig hügelan, dann eröffnet sich, nach den Aeusserungen
meiner Tischgenossen, dem Blicke ein entzückendes Panorama. Der Horizont ist umsäumt