
Deutschland!) Archipel des fernen Ostens trieb. Gegenwärtig regt sich dort die entgegengesetzte
Strömung, und Millionen Existenzen, die für ihre heissesten Wünsche das reiche Korea mit der
Mandschurei und das in seinen Hülfsquellen unerschöpfliche, saumselige China erwählt haben,
setzen sich in Bereitschaft, um einst den Kampf mit dem hochfahrenden Westen aufzunehmen.
Was wird eine nahe Zukunft bringen?
Indem es seinen ungeschlachten Riesennachbar, der von alters her in der Oberherrschaft
einer beliebigen Dynastie von Eroberern aus dem Norden seine Befriedigung findet, überholte (ob
auf länger, kann niemand sagen), ist das japanische Volk mit einem mal in die Entwickelung seiner
industriellen Kräfte eingetreten und hat seine Handelsbeziehungen allmählich fast über alle Länder
des Erdballs verzweigt
Es wusste in 15 Jahren den Ungeheuern Absatz grünen Thees, den Amerika früher aus
China bezogen hatte, zu verdreifachen. Um die Baumwollspinnerei auf eigene Rechnung zu betreiben.,
zog es Hunderttausende
geschickter billiger
Arbeiter heran, führte
gute Maschinen ein und
untergrub mit fester Hand
die Einfuhr ausländischer
Stoffe, wodurch es nebenbei
in England den Ruin
mancher Fabriken verursachte.
Von weitem macht
dieser ferne Erdenwinkel
auf uns den Eindruck des
Spielzeugs, des Spass-
haften. Zieht man jedoch
das Leben in Betracht, das
sich im Herzen dieses
energischen Volkes regt,
dann ändert sich das Bild
sehr rasch. Von dort rückt
KORBHÄNDLER. , , , gegen das arglose Abendland
in lautloser Stille eine
Gefahr von ganz elementarer Wucht heran. Ihr innerstes Wesen lässt sich noch nicht erkennen.
Sie gleicht jenen Nebeln, die sich in der Meerenge von Formosa an die Schiffe schleichen. Man
darf nicht vergessen, dass auf dem Raume, den das „Land des Sonnenaufgangs“ mit seinen 3 850
Inseln einnimmt, über 40 Millionen Menschen leben.
' Das Land birgt eine eigenartige Vergangenheit und eine sehr problematische Zukunft in
sich. Es entlieh sich in alten Zeiten die Elemente der Cultur aus China, vorzugsweise auf dem
Wege über die Halbinsel Korea. Den Tibetanern ähnlich durchdrang es sich, trotz seines angeborenen
militärischen Geistes., mit buddhistischer Gefühlsweise. Im Mittelalter unternahm es
kühne Seefahrten bis Malakka und knüpfte Verbindungen mit Siam und Annam an. Stets war es
bereit, von Ausländern möglichst viel zu lernen und in der Familie der asiatischen Völker keine
abgesonderte Stellung einzunehmen. Das Erscheinen der Europäer versetzte die Japaner zuerst in
freudige Stimmung, da sie aus dieser Verbindung Vortheil zu ziehen hofften; indessen trat bald
Beunruhigung und Enttäuschung ein. Der politische Zusammenhang der Glaubensboten mit den
von ihnen zum Christenthum Bekehrten, ihre oft feindselige Haltung gegenüber der Landesreligion,
der blutige innere Streit, zu dem es kam, das tiefe Bedürfniss, das Leben in idyllischer Behaglichkeit
auf der Höhe der von den Vorfahren erreichten Entwickelung häuslich einzurichten, selbst um
den Preis, sich darüber mit den ändern, ihm wenig interessanten Nationen zu entfremden, alles dies
zusammengenommen beschleunigte den Ausbruch der Krisis, die durch die Ankunft der WTeissen
an den Küsten Japans hervorgerufen wurde.
Am Eingang in die Bucht von Nagasaki konnten wir die bewaldete Insel Papenberg sehen,
wo im 17. Jahrhundert die erbitterte Bevölkerung die katholischen Proselyten ins Meer warf. Die
von Religionsfeindschaft beseelten Holländer leisteten den Heiden bei der Ausübung dieser Lynchjustiz
Unterstützung, wofür sie das Handelsmonopol auf dem Archipel erhielten.
¡flfapan schloss sich auf lange Zeit in sich ab. Durch die strengsten Gesetze wurde den
Eingeborenen verboten, mit der der Regierung verhassten Aussenwelt sei es freundschaftlichen
Verkehr, sei es Handelsbeziehungen
zu unterhalten.
Forschende Köpfe,
die das Nachdenken über
die Fremde nicht verschmähten,
konnten über
sie höchstens dann und
wann etwas aus dem
Munde der wie in Gefangenschaft
lebenden niederländischen
Kaufleute
aus der Factorei Dessima
in Nagasaki' erfahren, die
nur selten in die Haupt-
und Residenzstadt des
Reiches gesandt wurden,
um Geschenke zu überbringen.
Das Abendland GEMÜSEHÄNDLER,
hatte seinerseits fast keine
Ahnung von der innern Beschaffenheit des originellen Landes, bis endlich die Anfrage an Japan
kam, mit welchem Rechte die Schiffe civilisirter Nationen- im „Lande des Sonnenaufgangs“ sogar
bei stürmischem Wetter keine Zuflucht sollten suchen und keinen gewinnbringenden Aufenthalt
sollten nehmen dürfen. Es waren dies Rechte, die nirgends, nicht einmal von rohen Wilden,
verweigert wurden, nachdem diese durch bittere Erfahrung gelernt hatten, den Willen des weissen
Ankömmlings zu achten. Es bedurfte nur des Eintritts eines solchen historischen Moments, und
das in seiner friedlichen Weltabgeschiedenheit glückliche japanische Volk, zufrieden mit seinem
Schicksal und mit dem Charakter' seiner Regierung, im Vollgenuss häuslicher Ruhe nach einer
Periode schwerer innerer Unruhen, wallte vor Zorn auf, als es die auf seine blühenden Ufergelände
gerichteten Kanonen erblickte.
Ob der Feind, strenggenommen, das moralische Recht hinter sich hatte, einem ganzen Volke
das Danaergeschenk einer ihm fremden materiellen Cultur aufzudrängen, oder ob er in reiner Willkür
handelte — darüber mag die Geschichte entscheiden. Uns Russen, die dieses Weltereigniss über kurz
oder lang mehr angehen dürfte als andere Völker, sollte nur eins in der Erinnerung bleiben: dass