
eine gewisse Sentimentalität, die sich in, fast möchte ich sagen, naiver Bewunderung des hier
Einheimischen äussert. Die japanische Kunst hat allerdings nicht ihresgleichen. Darum ist es
aber noch lange nicht angezeigt, sie in den Himmel zu erheben, was theilweise schon üblich
geworden ist Die Unterthanen des Mikado verstehen sich zwar ausgezeichnet auf die Kunst des
Zellenemail und der Lackfabrikation; mit ausserordentlicher Geduld arbeiten sie in Bronze, sticken
in Seide u. s. w. Kein Künstler des Abendlandes wäre fähig, mit wenigen flüchtigen Strichen
rasch ein so reales anziehendes Bild einer Pflanze oder eines Thieres zu geben, wie dies im
Lande des Sonnenaufgangs jedem erfahrenen Zeichner geläufig ist. Aber dieses Talent beschränkt
sich auf die Wiedergabe der äussern, niedrigen Formen der Natur. Die Beseelung derselben oder
gar die Darstellung des Menschen im organischen Zusammenhang mit der hohem Welt, wie wir
sie verstehen, ist etwas dem Geiste des Japaners Unerreichbares. Er ist mit allen Ketten der Tradition
an das traumbefangene Chinesenthum angesehmiedet, welches das Ideale hienieden nicht
erkennen will und kann. Darum nirgends Symmetrie, Perspective,
nirgends ein Uebergang vom Licht zum Schatten;
alles trägt den Charakter des Vignettenhaften, des Decorativen!
Diejenigen,¿»die über das Neu-Japan von den verschiedensten
Gesichtspunkten aus schreiben, legen offenbar zu wenig
Gewicht auf die fieberhafte Eilfertigkeit, mit der die sonst
überaus vorsichtigen Japaner sich die fremde Cultur, die fremden
Ansichten, selbst die fremde Tracht äusserlieh und oberflächlich
aneignen. Man ist dort darin jedenfalls viel zu weit gegangen.
Die Emancipation hat selbst in den Japanerinnen ihre Spuren
zurückgelassen. Die Studentinnen von Tokio gehen auf die
Universität, vertiefen sich in Zeitungen und verfolgen die Politik.
Als das japanische Parlament die Bestimmung traf, dass den
Studentinnen der Zutritt zu seinen Sitzungen verboten sein
sollte, setzten die Landsmänninnen des göttergleichen Mikado -
diesem Beschlüsse ihren energischen Protest entgegen. Die
Grundanlage des hiesigen Lebens trägt nicht wenig dazu bei,
solche Erscheinungen zu zeitigen. Gleichzeitig macht sich
hier aber die niedrige Stellung des Weibes recht fühlbar. Der
Uebergang aus dieser zu der absoluten Freiheit, sich .mit den
FRAU AUS INASS A.
ausländischen Ideen des radicalen Fortschrittes zu durchdringen, ist einem wilden Anachronismus
so ähnlich, wie wenn unsere Grossmütter aus ihrem verschlossenen Leben im moskowitischen
Russland sich unmittelbar in die kurzgeschorenen Nihilistinnen auf den Strassen des modernen
Zürich oder Genf umwandeln würden.
Hand in Hand mit diesem unnatürlichen Streben, sich zur Hälfte zu vervollkommnen und
zur ändern Hälfte über sich selbst hinauszuwachsen, geht bei diesen Inselbewohnern die wachsende
Begeisterung für Ideen der Ausbreitung japanischer Macht und Herrschaft an den Gestaden des
Stillen Oceans. Vor kurzem ist in Japan sogar eine neue Kriegsflagge eingeführt worden: an
Stelle des rothen Kreises im weissen Felde ist jetzt das Bild eines Diskus getreten, von welchem
acht breite Strahlen ausgehen, die symbolisch ausdrücken sollen, welche Lichtströme dieses „junge“
Land entsendet Dies kennzeichnet sich ausserdem zur Genüge durch den Drang dieses Volkes,
eine Armee zu haben, die nur zu Aggressivzwecken auf dem Continent dienen könnte.
Noch liegt die Epoche nicht fern-, da in erster Linie die Jagd nach Erwerb (auri sacra
fames) die vielstämmige Bevölkerung des Abendlandes nach dem bevölkertsten (dichter als
INSEL PAPENBERG BEI NAGASAKI.