
Ordnung der Dinge in Europa und Amerika auf die Spitze zu treiben, in tiefster Seele den Fremden
zu verachten und doch bei ihm demüthig in die Lehre zu gehen. Es ist klar, dass ein Volk mit
einem solchen, fast krankhaft entwickelten Nationalstolz, aber auch mit einem so erstaunlichen Feingefühl
in Bezug auf mächtigere Nebenbuhler im Wettbewerb friedlicher Culturarbeit früher oder später
sich vor diesen wird erklären und die Maske der angenommenen Liebenswürdigkeit wird lüften müssen.
Der Geist des alten Japan wird von den Patrioten ,Jamato damaschij“ genannt und hat sich
bis auf unsere Tage erhalten. Das erste Wort bezeichnet geographisch den Kern des Reiches in
dem von den Mongolo-Malaien colonisirten Archipel.
Spricht sich, offen gestanden, nicht schon zu viel Roheit in der von den Touristen so
sehr verherrlichten Gesinnung der Krieger der Periode. vor der Reformation aus? Das Volk erweist
z. B. auf einem Friedhofe der Haupt- und Residenzstadt den
Gräbern von 47 treuen Kriegern (Ronins) eines einheimischen
Fürsten tiefste Verehrung. Diese hatten Folgendes vollbracht.
Ihr Herr und Gebieter war mit einem einflussreichem
hochbejahrten Grossen des Landes in heftigen Streit gerathen
und nahm sich, wie die Sitte es verlangte, das Leben. Da
schworen die Tapfern aus seinem Gefolge sofort, an dem Beleidiger
Rache zu nehmen. Sie stellten sich lange, als hätten
sie das furchtbare Gelübde vergessen, nahmen Dienst in der
Umgebung ihres Feindes, schläferten dessen Wachsamkeit ein
und wählten endlich einen geeigneten Tag für den Ueberfall.
Sie überrumpelten den alten Herrn, grüssten ihn ehrerbietig und
hieben ihm dann das Haupt ab. Hierauf wuschen die Mörder
die blutige Trophäe, trugen sie zu dem Begräbnissplatz ihres
Fürsten und schlitzten sich, von den Behörden verurtheilt, befriedigt
den Bauch auf.
Wo und zu welcher Zeit wären solche Geschehnisse im
Stande gewesen, die grossen Massen mit nationalem Stolz zu
erfüllen und zu Mitleid zu rühren? Hier strömen die Volksmassen
verehrungsvoll zu dem Grabe dieser Diener, die'sich
nach jahrelanger Ausdauer freiwillig in den Tod stürzten und
die, nach streng japanischer Auffassung, Helden und Märtyrer
waren. Das Land erblickt in ihnen eine Art Heilige; es bekränzt
deren Mausoleum mit Blumen, zündet ihnen Räucherwerk an, bewahrt in einem Tempel
ihre blutbespritzte Kleidung und Wehr und gibt auf ihrem Friedhofe seine Visitenkarten ab. Ja es
kamen Fälle vor, dass Fanatiker sich auf diesen Gräbern zum ehrenden Gedächtniss jener „erhabenen
Herren“ selbst den Tod gaben! Um sie unsterblich zu machen, errichtete man ihnen
sogar Statuea Einem Abendländer muss eine solche Weltanschauung unverständlich Vorkommen.
Ebenso unbegreiflich ist es, wenn die Japaner wie auf wirkliche Ruhmesthaten auf die Haufen
koreanischer Nasen und Ohren stolz sind, die sie vor Jahrhunderten vom ; Continent aus den Feldzügen
wider den schwachen Nachbar nach Hause gebracht haben.
In den Beziehungen der europäisch civiüsirten Völker zu dem rasch fortschreitenden jüngern
Bruder im fernen Osten liegt etwas Seltsames verborgen. Zunächst ist es ein gewisses Maass
von Geringschätzung, an deren Stelle gründliche politisch-ökonomische Forschungen am Platze
wären, denn die verschlossenen Insulaner sind in den Strudel der Weltbegebenheiten gewissermaassen
gewaltsam hineingezogen worden. Sodann aber herrscht ihnen gegenüber auf Seite unserer Rasse
IN JAPAN.