
ausgesuchten gastronomischen Luxus aus. Die Menus waren in französischer Sprache auf Seide
gedruckt. Die Ehrensessel trugen reiche Stickereien mit den conventionellen Löwenbildern. Vor
der Rückkehr auf dem Dampfer bewunderten die erlauchten Reisenden von der Höhe des Hügels
aus lange Zeit die grandiose Aussicht auf die lebensvolle Umgegend. Diese besteht im wesentlichen
aus den drei in beständigem Verkehr untereinander stehenden drei Städten Wutschang, Hanyang
an der Mündung des schiffbaren Han in den Jangtsekiang, und Hankau.
Vor verhältnissmässig kurzer Zeit stand da, wo sich jetzt Hankau befindet, ein einfaches Dorf.
Erst nach der Niederwerfung des Taiping-Aufstandes, der vor dreissig Jahren zur Vertreibung der
Mandschu-Dynastie organisirt worden war, begann es rasch zu wachsen. Hankau, das sich infolge
seiner günstigen geographischen Lage aus den Vororten der Stadt Hanyang entwickelt hat,,
zählt mit dieser zusammen ■gegenwärtig ungefähr eine Million Einwohner, von denen etwa vier
Fünftel in Hankau wohnen.
Westlich etwas davon entfernt liegt das an einen Park erinnernde Europäerviertel. An
Ausländern zählt man in demselben alles in allem 370 Seelen. Auf 26 Firmen (6 deutsche,
1 französische, 12 englische, 4. russische, 3 amerikanische) kommen 150 Engländer, 40 Russen,
15 Deutsche und ebenso viele Franzosen, 35 Amerikaner, 70 Italiener u. s. w.
Der Jahresumsatz des Hafens, der zum Theil ein Lager ist, dessen Waaren in die sehr
reiche Provinz Ssetschuan wandern, beträgt annähernd 200 Millionen Mark. Die Zahl der
chinesischen Schiffe aller Arten, die jährlich Hankau besuchen, beträgt etwa 20—25000 mit einer
Wasserverdrängung von einer Million Tonnen. Der Export, der den Import fast um das Doppelte
übersteigt, besteht ausser aus 50 Millionen Kilogramm Thee zu 50 Millionen Mark per Jahr aus
Seide, Taback, Häuten, Talg, Fett, Wachs, Moschus, Rhabarber u. s. w. Vier in eifriger Thätigkeit
stehende Dampferlinien verbinden die im Aufschwung begriffene Stadt mit Schanghai, Nichtsdestoweniger
haben die Kaufleute einigen Grund, darüber unzufrieden zu sein, dass es ganz unmöglich
ist, die Frachten unmittelbar am Hafen .auszuladen. Der Ankerplatz von Hankau ist für
grosse Schiffe durchaus ungeeignet, besonders wegen der Wirbel, die der wasserreiche Strom Han
oberhalb seiner Mündung in den Jangtsekiang verursacht Ausserdem ist der Boden sehr sandig;
die Anker versinken öfters vollständig darin und reissen ab. Deshalb gehen schwerbeladene
Dampfer, die in Noth gerathen, hier und da plötzlich unter. Nahe am Ufer anzulegen, ist unmöglich.
Es steht freilich zu hoffen, dass die neuesten Vervollkommnungen der Technik Mittel
an die Hand geben werden, iim ;den Kampf mit diesen Naturhindernissen aufzunehmen. Auf
jeden Fall is t die zukünftige Rolle des Hafens eine sehr wichtige.
In Hankau kommen nicht selten Ueberschwemmungen vor. Der Jangtsekiang steigt im
Sommer auf 15 Meter. Obwol das Europäerviertel am Quai durch eine steinerne Schutzmauer
gesichert ist, kommt es doch vor, dass der unbändige trübe Strom sogar die dortigen gutgebauten
Strassen mit seinen trüben Gewässern überflutet
NACH DEM
LANDE DES SONNENAUFGANGS.
Dienstag, 21. April.
vSe ine Kaiserliche Hoheit nahm gestern an einem ihm von der gesammten russischen
Colonie gegebenen Diner theil, das in den reichgeschmückten Räumen des Packhauses stattfand.
Vor dem Diner wurden Seiner Kaiserlichen Hoheit europäische Damen und dem Theegesehäft
nahe stehende Abgeordnete der chinesischen Kaufmannschaften aus Kanton und Futschou, aus den
Provinzen Schansi, Hunan und Hupeh, alle in reichster chinesischer Nationaltracht, vorgestellt. Sie
erschienen, um für den gnädigen Besuch zu danken, zugleich mit der Bitte, Seiner Majestät dem
Zaren ihre ehrfiirchtsvollen Gefühle auszudrücken für die gütige Aufnahme, welcher sich die
in Russland Handel treibenden Chinesen erfreuen. Der Grossfürst-Thronfolger erwiderte durch den
Mund des Dolmetschers, dass er seinem Vater den Inhalt der bedeutungsvollen Rede übermitteln
werde.
Die nur aus Chinesen bestehende Dienerschaft zeichnete sich durch ihr elegantes- Costüm
aus. Die Menus waren in Schanghai von einem französischen Künstler entworfen. Seihe Kaiserliche
Hoheit führte Frau Dmitrewskij zur Tafel, Prinz Georg von Griechenland die Gemahlin des englischen
Consuls. Ein einstimmiges „Hurrah!“ begleitete die Toaste auf Ihre Majestäten und die erlauchten
Gäste. Der Thronfolger dankte der russischen Colonie für ihren Empfang und wünschte unsern
Firmen guten Erfolg für die bevorstehende Saison.
Vor der Rückkehr auf den „Wladiwostok“ schaute der Grossfürst noch einem grandiosen
Feuerwerk in chinesischem Geschmack zu. Als Seine Kaiserliche Hoheit den illuminirten Quai
verliess, der ebenso wie der Strom von den Langzöpfen erfüllt war, leuchtete sein Kutter phantastisch
in bengalischem Feuer auf und Jubelrufe erschollen hinter ihm.
Auf die Einladung unserer Landsleute kehrten die Suite und die Offiziere zum Souper ins
Packhaus zurück, wo der freundschaftliche Austausch der Gedanken sich noch weit in die Nacht
hinein fortsetzte.
Heute Morgen begeben sich die erlauchten Reisenden flussabwärts in die Ziegelfabrik von
Tokmakow, Molotkow & Cie. Hier überreichten die Chefs der Firma dem Grossfürsten 20000 Mark