
für die nationalen christlichen Ideale vermochte das Meine Königreich nicht allein zu erstarken,
sondern auch den Islam zu verdrängen und, ihm auf der Ferse folgend, sich auf die afrikanischen
Küsten zu werfen. Der begabte Prinz Heinrich der Seefahrer, in dessen Adern von mütterlicher
Seite her englisches Königsblut rollte, gab den Anstoss zum Studium des Seewesens und zur
Entwickelung der portugiesischen Marine. Die kühnen Söhnte Portugals setzten sich in stete
Verbindung mit verschiedenen Theilen des schwarzen Continents längs der Küsten des Atlantischen
Oceans, umschifften unerwarteterweise glücklich das furchtbare Kap der Stürme, das sie
im. Hinblick auf das freudige Ereigniss in „Kap der Guten Hoffnung“ umtauften und erreichten
Indien, das nach den Vorstellungen der damaligen Zeit mit den. südöstlichen Grenzländern Chinas
fast einen geographischen Begriff bildete. Diese sonnigen Gebiete waren eigentlich das ersehnte
Ziel, wonach die Zeitgenossen des Columbus und des Vasco da Gama strebten. Allerdings war
nicht lange vorher ein Portugiese im Aufträge seines Königs durch das Rothe Meer und auf dem
Landwege bis an die Malabarküste gedrungen, aber es war doch die Möglichkeit, an die Küste von
Indien zu Schiff zu gelangen, zunächst streitig geblieben oder hatte sich mit falschen geographischen
Vorstellungen verbünden. Die Europäer trachteten dorthin, als zu den „unnahbaren Ländern des
Sonnenaufgangs“ und den Quellen unerschöpflicher märchenhafter Reichthümer, fest aufs gerathe-
wohl und völlig unbewusst, ganz wie unsere mittelalterlichen Nowgoröder Freischaren und später
die vor des Zaren Zorn flüchtenden'Atamane der-an der Wolga hausenden Räuber; nur dass wir
mit der Kälte, den undurchdringlichen Wäldern und unermesslichen Strecken der sibirischen Einöden
kämpften, während die unternehmenden, in jahrhundertelanger Feindschaft mit den Muhammedanern
abgehärteten Bewohner der pyrenäischen Halbinsel als richtige Südländer das unendliche
Weltmeer und die heissesten Länder des Erdballs zum Tummelplatz ihres Drangs nach unerhörten
Heldenthaten machten. Rein zufällig und ausschliesslich dank den Seefahrten nach Indien wurden
nebenbei Centralamerika und Brasilien entdeckt
Auf der Suche nach einem solchen gelobten Lande, wo Ströme von Milch und Honig
fliessen, machten die Kosakenabtheilungen in Sibirien erst vor den unwirthlichen Wogen des
Stillen Oceans Halt, vertrauten sich diesen an und drangen als unerschrockene Geschäftsleute bis
nach K a lifornien vor. Diese halb sagenhaften Eroberungszüge im fernen Westen entsprechen-'zum
Theil sogar der Zeit nach den Unternehmungen der Portugiesen. Dass diese um einige Jahrzehnte
auseinanderliegen, hat bei der Ausdehnung der zurückgeiegten Strecken und der Grösse der
vollbrachten Thaten nichts zu bedeuten.
Die Beziehungen zu den fremden Völkern, auf welche die Portugiesen zuerst Einfluss gewannen,
stimmen in manchen Zügen vollständig mit denjenigen, überein, die sich zwischen uns
und den Vertretern der Völker entspannen, wenn diese oftmals aus dem fernen Osten nach
Europa tributdarbringend kamen, um die mächtig waltende Hand der Zaren von Moskau anzuerkennen.
So z. B. erschienen mehrere vornehme Eingeborene von den Ufern des Senegal, aber
auch aus dem duftenden Indien am Hofe von Lissabon zur Huldigung, zuweilen auch zum
Empfang der Taufe, in der Hoffnung, dadürch Gnadenbeweise zu erlangen; genau wie in den
ersten Zeiten der Eroberung Sibiriens öfters ostjaMsche Häuptlinge zum Fussfall vor dem Weissen
Chan über den Ural und die Wolga reisten.
Zu der Zeit als Vasco da Gama vom König von Portugal mit dem Titel „General-Admiral
der Länder des Ostens“ beliehen wurde, erhielten die Pioniere der russischen (Zivilisation im
Permgebiete, die weitsichtigen Strogaüöff, auch ihrerseits grosse Ausnahmerechte wegen ihrer
Verdienste um das Vaterland zum Wohle der Grenzländer. Die Härte, die man unsern Freischaren
im Osten manchmal zur Last legt, scheint entschieden übertrieben; wenn man die
oft sehr humane und den damaligen Verhältnissen Sibiriens' Rechnung tragende Handlungsweise
der Kosaken mit den Schandthaten höchster Grausamkeit vergleicht, mit denen sich die
ersten Colonisatoreri Indiens befleckt haben. So sei ein Ereigniss erwähnt aus der Zeit der
Lusiaden, jenes Epos, in welchem der unsterbliche portugiesische Dichter Camoëns als Augenzeuge
und als muthiger Krieger die Heldenthaten seines Volkes besingt Als die Portugiesen einst im
Kampfe mit den Ungläubigen vor Indien unterlagen, schämte sich .Vasco da Gama, blind vor
Rachedurst, nicht, ein aus Mekka nach Hindostan mit einer Menge von Pilgern zurückkehrendés
Schiff, das. er auf offener See einholte, das aber an dem Misgeschick der Portugiesen nicht dié
geringste Schuld trug, dem Feuer zu übergeben, taub gegen die Bitten der Frauen, die während
des Greuels um Gnade flehend dem erbarmungslosen Admiral ihre Kinder entgegenstrecikten.
Als das Schiff in hellen Flammen emporloderte, bot es mit den dem sichern Verderben geweihten
Opfern das Schauspiel der Hölle, wobei die abendländischen Kreuzfahrer zur See die Rolle der
teuflischen Quälgeister spielten.
In ihrem Hasse gegen das muhammedanische Element auf indischem Boden nahmen die
Portugiesen keinen Anstand, die Anhänger Muhammed’s als ein ihnen in politischer Beziehung
und vom Standpunkte der Handelsconcurrenz verhasstes Element mit allen, auch den ärgsten
Mitteln auszurotten. Der grosse Vasco da Gama hing, wenn er zum’ Bombardement von
orientalischen Seestädten schritt, zunächst die gefangenen Muhammedaner an die Mastbäume, dann
Kesser die Leichname herunternehmen und schickte die abgehauenen Hände und Füsse den Verwandten,
zum Schlüsse Kess er die verunstalteten Rumpfe ins Meer werfen und zur Einschüchterung
des Feindes ans Ufer treiben. Ich bezweifle, dass unsere Räuber des 1 6. Jahrhunderts im stock-
dunMen Innern der sibirischen Wälder sich zu einer so raffinirten Bestialität verstiegen, einen
so blinden Hass gegen die Urbevölkerung des Landes nährten.
Die Portugiesen begannen bald, sich mehr und mehr mit , den Hindus zu verschmelzen,
sich mit den Besiegten durch Ehebündnisse zu amalgamiren und ihnen'den katholischen Glauben
zu bringen, sich selbst aber mit der durch und durch heidnischen Weltanschauung des Hinduthums
zu durchdringen. Das Resultat war ein jedes Schöpfergeistes in politischer und cultureller
Beziehung bares Nichts. Die ¿portugiesische Colonie war und blieb ein Streifen der pyrenäischen
Halbinsel, umgeben von exotischen Lebensbedingungen, ein Theilchen des Merikalen Rom auf dem
Boden Indiens und seiner conservativsten Schöpfungen, der Schaft eines einst heiligen Missionsbanners,
das sich in dem dichten Walde von Handelsflaggen und Kriegsfahnen mit ihren rein weltlichen
Losungsworten verlor. ______________
Später, als der britische Löwe sich auf das Ufer von Madras "legte, triumphèsfreudig
hauptsächlich infolge der über die Nebenbuhler aus Frankreich, aber auch über die einheimischen
Fürsten gewonnenen Siege, da schlossen sich die Engländer von Anfang an nicht durch eine
Mauer von den Eingeborenen ab, die öfters den weissen Colonisatoren auf der Wahlstatt unschätzbare
Dienste leisteten. Die besten, als Offiziere fungirenden Sipahis der damaligen Zeit
erblickten ohne alle Wichtigthuerei in ihren europäischen Offizieren wackère Kameraden, bei
denen man fühlte, dass sie das Bédürfniss empfänden, mit allen Regimentsgenossen in innigsten
Beziehungen zu leben. Erfreuten sich doch damals die Eingeborenen von Offiziersrang ganz derselben
Rechte wie die Söhne der weissen Rasse, ja sogar einer gewissen Hochachtung, die z. B.
einen Engländer zwang, in Gegenwart eines solchen verdienten Sipahi diesen einzuladen, sich zu
setzen u. dgl. m.
Auf lange Zeit von der nebligen "Héimat fern, sich den Sitten dés Landes, in welches sie
das Schicksal versetzt hatte, anbequemend, sich mit einem sanften liebevollen Harem einrichtend
und durch diesen mit dem einheimischen Leben sich innig verknüpfend, gewannen dièse ersten
Orientreise.. II. 6