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Unterhandlungen über die Rückkehr in ihre uralten Stammsitze. Sie bedienten sich ausserdem
des Einflusses von Lhassa, um die .Torguten, die sich nach Europa verirrt hatten, zurückzulocken
u. s. w. Und dennoch hat man hierzulande keine Vorstellung von den Lamaisten in Russland. So
kenntnisslos ist der ganze Orient!
Ihrer Tausende gehen jährlich auf die Wallfahrt durch die Mongolei nach den Centren der
tibetanischen Gelehrsamkeit. Die Wegweiser und Pioniere des russischen Handels und des guten
Rufes, den wir geniessen, die Vertreter des russischen Namens im Herzen der gelben Welt sind
bescheidene Leute burjatischer Abstammung in
kläglichen Langröcken, auf unansehnlichen
Pferdchen oder auf Kamelen. Sie, diese unsere
halbwilden Heiden, gehen dorthin, an den den
europäischen Forschungsreisenden mühsam zugänglichen
Kukunor, nach Amdo und Zaidam,
in das geheimnissvolle Daschilhunbo und in
die an Indien anstossenden Gebirgsländer, mit
einer Leichtigkeit und Beherztheit, wie man aus
grossen Städten Ausflüge . ins Grüne unternimmt.
Dieses Element trägt unbemerkt tief
in die innersten Wildnisse Asiens hinein, mitten
in halbunbekannte Einöden, lebensvolle Vorstellungen
vom Weissen Zaren und vom
„weisssteinigen“ Moskau, aus welchem das
riesenhafteste Reich erwachsen, jenes Moskau,
das die kleinern orientalischen Brudervölker an
sich zu fesseln suchte „nicht durch Kampf
allein, nicht durch Härte, sondern durch Wohlwollen“
. Es ist zugleich der Träger der wenn
auch einstweilen noch unklaren Vorstellungen
von dem Berufe des christlichen Abendlandes,
die dahinsiechende Cultur des alten Morgeü-
landes durch russische Thatkraft allmählich
wieder zu neuem Leben zu erwecken.
In Russland hat augenblicklich fast noch
kein Mensch auch nur eine Ahnung davon,
was für eine für das Gesammtreich nutzbringende
Arbeit die bescheidenen russischen Lamaisten
DER CHUTUKTU VON URGA,
DER HAUPTHEILIGE DER MONGOLEI.
. ' vollbringen, viele Hunderte Kilometer von der
sibirischen Grenze weg. Diese Wirksamkeit werden erst die folgenden Generationen wahrnehmen
und nach ihrem vollen Umfange schätzen lernen.
Ich bekomme hier, die Nachricht von Vorbereitungen, die von den transbaikalischen Burjaten
für die Ankunft des von ihnen vergötterten Zarensohnes getroffen worden seien. .Sie machen
in China Einkäufe von Raritäten, die für sie einen heiligen Charakter haben. Indem man nämlich
einem Wesen höherer Ordnung solche Kostbarkeiten zum Opfer darbringt, wird die Seele dessen,
der es thut, gereinigt Unsere Lamaisten werden sich vor dem erhabenen Gast betend in den Staub
werfen. Diesem Beispiele werden auch manche dortige „Wiedergeborene“ , Incarnationen Buddhas
Folge leisten, ihm zum Zeichen des herzlichsten Willkomms lange Stücke Seidenstoff reichend’
sogenannte Chadaks (Tücher), mit denen man nach altindischer Tradition auf Erden wandernde
Götter zu bewillkommnen pflegte. Das gesammte nomadische-Transbaikalien soll sich augenblicklich
über die Aussicht, den Erstgeborenen des Zagan-Chan schauen zu dürfen, innig freuen. Cavalcaden
mongolischer Reiterinnen erwarten Seine Kaiserliche Hoheit, um seine Equipage zu begleiten. In
Volksliedern wird sich von Jurte zu Jurte die fröhliche Mär über den hohen Besuch verbreiten.
Und da fragt der Vicekönig von Kanton: „Gibt es in Russland Anhänger der Religion des «weisen
Schakya»“ !
Es ist übrigens nicht die einzige curiose Frage. Irgendwie hat sich das Gerücht verbreitet,
der im Gefolge des Grossfürsten-Thronfolgers befindliche Fürst Kotschubey sei ein Nachkomme
der Dschingischaniden (was er nicht ist) und
das russische Geschwader habe ihn als den
gesetzlichen Nachfolger der vor 500 Jahren
gestürzten Yuan-Dynastie nicht ohne Hintergedanken
nach den chinesischen Gewässern
gebracht. Wahrscheinlich in der Absicht,
herauszubringen, was an der Sache wahr ist,
tritt zu dem Fürsten einer der jungen Mandarine
und knüpft mit ihm ein Gespräch an
über ihren gemeinsamen Ursprung. Mit den
Worten: „Ich stamme auch aus der Mongolei“
stellt sich durch den Dolmetscher
der Beamte Li-hang-tschang’s dem Fürsten
Kotschubey vor.
Wer übrigens mit dem gegenwärtigen
elenden Zustande dieses reich begabten Landes
auch nur einigermaassen bekannt ist,
wird die stille Angst der Chinesen nicht befremdlich
finden. Es ist schon längst an der
Zeit, dort bei den Mongolen eine bessere,
für die Bevölkerung nicht so nachlässige Verwaltung
einzuführen, die natürlichen Anlagen
des Steppengebietes nutzbar zu machen, für
Hebung der Viehzucht im ausgedehntesten Mo n g o l e n f ü r s t t u s c h e t u -ch a n ,
0 ° , T . EIN NACHKOMME DSCHINGISCHAN’S; Maasse oorge zu tragen u. s. w. Die Nomaden
sind nicht zufrieden mit dem Joch von Peking.
Jede Anspielung auf die unter ihnen herrschende. Gärung erweckt in der Haupt- und Residenzstadt
des Himmlischen Reiches Anwandlungen von Argwohn und Verdacht.
Dort kann man nach Verlauf von Jahrhunderten noch, immer nicht die häufigen verheerenden
Einbrüche der verwegenen mongolischen Reiter in das China „hinter der Mauer“ vergessen,
in ein Land, das zur Selbstvertheidigung unfähig ist. Die ins Innere des Steppengebietes
zur Verfolgung der Räuber unternommenen Einfälle waren selten von wirklichem Erfolg und kamen
der Regierung theuer zu stehen. Es brauchte nur ein unternehmungslustiger Fürst den Zelten
seiner Stammesgenossen „Circularpfeile“ mit dem Aufruf zu einem gewinnreichen Kriege gegen
die ansässige Bevölkerung des Reiches des Bogdychan zuzuschicken, so strömten auf die Aufforderung
sofort vortrefflich berittene Freischären von überall zusammen, von den ostturkesta-
nischen Oasen bis an den Grenzsaum Koreas. Die Mandarine am Hofe machten gewöhnlich
. - Orientreise. II. 9B Hfl -•.-. - .